Seit vergangenem Montag muss sich der „Pinochet Afrikas“, der Ex-Diktator des Tschad, Hissène Habré, vor einem Sonder-Strafgericht in Senegals Hauptstadt Dakar verantworten. Ihm werden Zehntausende politische Morde und Folterungen während seiner achtjährigen Amtszeit in den 1980er Jahren vorgeworfen. Der Prozess ist ein Novum: Erstmals muss sich ein afrikanischer Ex-Staatschef vor einem afrikanischen Gericht für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten.
In Lateinamerika finden derartige Prozesse seit den 1980ern statt – die Repressoren von Argentinien (Jorge Videla), Peru (Alberto Fujimori), Uruguay (Juan María Bordaberry) und Guatemala (Efraín Ríos Montt) wurden verurteilt, gegen Augusto Pinochet wurde in Chile ermittelt.
Die Verhaftung Pinochets am 16. Oktober 1998 in London gab auch Menschenrechtsanwälten aus dem Tschad, aus den USA und Frankreich den Impuls, im Namen von knapp 4.500 Habré-Opfern Gerechtigkeit zunächst vor den Strafgerichten in Afrika und in Belgien zu suchen. Das Weltrechtsprinzip oder Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit erlaubt die grenzüberschreitende Strafverfolgung von Menschheitsverbrechen, wenn im Tatortstaat Straflosigkeit herrscht.
Nach 1998 hatten Überlebende aus dem Tschad gemeinsam mit ihren Anwälten vor allem in Spanien, Belgien, später auch in Frankreich, Italien und Deutschland Strafverfahren angestrengt. Da aber in den meisten Ländern das Prinzip des fairen Prozesses die Anwesenheit der Angeklagten erfordert und Habré in den Senegal geflüchtet war, konzentrierten sich die juristischen Bemühungen bald vor allem darauf, ihn dort vor Gericht zu stellen. Mehr als fünfzehn Jahre lang haben Opfer und Anwälte gegen den fehlenden politischen Willen und gegen Korruption gekämpft. Jetzt hat die historische Hauptverhandlung begonnen.
Habré setzt vor Gericht auf dieselbe Strategie wie Saddam Hussein oder Slobodan Milošević: Er bestreitet die Zuständigkeit des Gerichts, verbietet seinen Anwälten das Erscheinen im Gerichtssaal und lässt sich nur mit Polizeigewalt in den Anklagestand zwingen. Doch die Welt von 2015 ist eine andere als die nach dem 2. Weltkrieg: Immer häufiger, wenn auch mitnichten immer, werden Staatsmänner und Militärs für ihre Verbrechen belangt. Damit nimmt die Legitimität der nationalen wie der internationalen Gerichte zu. Das Argument tu quoque (auch du), also der Einwand, nur die Besiegten würden vor Gericht gestellt, obwohl die Sieger ähnliche Verbrechen begangen hätten, den schon Nazi-Kriegsverbrecher unzutreffend erhoben, geht ins Leere.
Vom ordnungsgemäßen Fortgang des Verfahrens hängt vieles ab – zuvorderst natürlich für die unmittelbar Betroffenen, aber auch für den afrikanischen Kontinent und für die internationale Strafjustiz. Denn wenn es ein senegalesisches Gericht vermag, dem Ex-Diktator eines Nachbarlandes einen fairen Prozess zu machen, könnte dies auch für andere afrikanische Gerichte Signalwirkung haben. Verbrecherische Politiker, die sich über eine koloniale und imperiale Weltjustiz beschweren, könnten in ihrem eigenen Land oder in einem Nachbarstaat angeklagt werden. Bis dahin mag noch ein weiter Weg zu gehen sein, doch mit dem Habré-Prozess in Dakar ist ein Anfang gemacht.