Herr Ali Bin Fadhul al-Buainain ist das, was man einen „ehrenwerten Herrn“ nennt. Derzeit trifft er sich mit anderen ehrenwerten Damen und Herren in Bern und in Zürich, in der Schweiz – kein ungewöhnlicher Treffpunkt für ehrenwerte Leute. In Zürich findet dieser Tage die jährliche Versammlung der International Association of Prosecutors (IAP) statt, einer Vereinigung hochrangiger Staatsanwälte aus der ganzen Welt.
In Genf, ebenfalls in der Schweiz, beschäftigte sich am Montag der UN-Menschenrechtsrat mit der Situation in der Heimat von Herrn Al-Buainain: Bahrain. Unter Federführung der Schweiz haben 33 Staaten in einem Statement zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in dem Golfstaat verurteilt – namentlich die Inhaftierung von Frauen und Männern, die ihre Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ausüben und dafür in bahrainischen Haftanstalten misshandelt und gefoltert werden.
Die Vertreter dieser 33 Staaten hätten sich nur in den Zug setzen und wenige Stunden in den Norden fahren müssen, um ihr Statement einem der Hautverantwortlichen für diese Verbrechen direkt zu übergeben. Herr Al-Buainain ist nämlich der Generalstaatsanwalt von Bahrain. Bisher blieb der Herr Staatsanwalt im Kreise seiner Kollegen stets unbehelligt von solchen Vorwürfen.
Dabei hatten Menschenrechtsaktivisten die IAP schon vor zwei Jahren anlässlich ihres Treffens in Irland aufgefordert, den Mann aus ihrem Verband auszuschließen. Doch nichts geschah. Im Gegenteil: Diese Woche kandidiert Al-Buainain für den Posten als Vizepräsident der IAP.
Allerdings wird der Herr Generalstaatswalt nun aufpassen müssen, ob sich nicht die Schweizer Justiz seiner annimmt. Denn die Schweiz hat wie alle europäischen Staaten die UN-Anti-Folterkonvention unterzeichnet. Damit verpflichtete sie sich nach dem Prinzip der Universellen Jurisdiktion (auch Weltrechtsprinzip genannt), auch solche Foltervorfälle strafrechtlich zu verfolgen, die außerhalb des eigenen Territoriums geschehen – und zwar dann, wenn sich ein Verdächtiger auf Schweizer Staatsgebiet aufhält.
Wir haben die Schweizer Behörden bereits vergangene Woche im Rahmen einer Strafanzeige über die Vorwürfe gegen Al-Buainain in Kenntnis gesetzt. Wir, das sind meine Organisation, das ECCHR, gemeinsam mit schweizerischen, bahrainischen und britischen Menschenrechtsorganisationen. Im Zentrum der Anzeige stehen die Schilderungen eines Folter-Überlebenden, Herr Jaafar al-Hasabi, gebürtiger Bahraini mit britischer Staatsbürgerschaft. Al-Hasabi wurde 2010 in Bahrain in incomunicado-Haft gehalten und dort unter anderem mit Elektroschocks gefoltert.
Folter – das ist eine der schwersten Straftaten, die unsere Gesetzbücher kennen. Dennoch tun sich nicht nur die Schweizer Strafverfolger mit Verdächtigen wie Generalstaatsanwalt Al-Buainain sehr schwer. Einen mutmaßlichen Drogenboss hätte die Justiz wohl schon bei der Einreise festgenommen, auch wenn dieser sich ebenso wenig wie der Generalstaatsanwalt selbst die Hände schmutzig macht. Entscheidend wäre seine dominierende Rolle innerhalb seiner verbrecherischen Organisation. Doch einen Staatsapparat nach denselben Maßstäben zu beurteilen, selbst wenn diesem seit Jahren fundiert vorgeworfen wird, systematisch zu foltern, scheint ein zu großer Schritt zu sein – vor allem, wenn es sich um befreundete und wirtschaftlich potente Staaten wie Bahrain handelt.
Noch bleiben den Schweizer Staatsanwälten ein paar Tage, um zu handeln. Wenn sie Ali Bin Fadhul al-Buainain aber ausreisen lassen, wird es kaum gelingen, das umzusetzen, was die 33 Staaten, unter Federführung der Schweiz, gestern in Genf forderten: Diejenigen rechtlich zur Verantwortung zu ziehen, die in Bahrain foltern oder foltern lassen.