Es war wohl einer meiner hoffnungsfroheren Momente, als ich im April 2014 dieses Blog mit den Worten ankündigte:
Wir bedienen uns des Rechts, sprechen die Sprache des Rechts, nutzen juristische Verfahren, um an vielen Orten der Welt zur Änderung der Verhältnisse beizutragen.
Und heute, zwei Jahre später? Mit Apocalypse Now übertitelt Mathieu von Rohr seinen Essay im aktuellen Spiegel. Wenn, sei es auch nur in den Köpfen, die Apokalypse bevorsteht oder gar schon eingetreten ist, lassen entsprechende Reaktionen nicht lange auf sich warten: Allenthalben rufen Regierungen den Ausnahmezustand aus (Frankreich, Türkei), mal rechtlich verbrämt, mal ohne auf das Recht überhaupt noch Bezug zu nehmen. Es wird die Abschaffung der Rechte von (Zutreffendes bitte ankreuzen) Kriminellen, Staatsfeinden, Attentätern, Terroristen, Amokläufern, Muslimen, Ungläubigen, Homosexuellen oder Geflüchteten (in etwa der Hälfte aller Staaten) gefordert oder bereits praktiziert.
Vieles möchte man den Apokalyptikern aller Couleur und denen, deren Unsicherheit sie vorgeben zu adressieren, da entgegenhalten: Dass die Welt vor fünf, zwanzig oder dreißig Jahren auch nicht viel besser aussah. Dass sich all die Ideen von Folter (US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump), militärischen Interventionen auch unter Beteiligung von Deutschland (Bild-Kolumnist Julian Reichelt) und Sicherheitsstaat, auch in Deutschland (Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht) gerade nach dem 11. September 2001 nicht nur als ineffizient, sondern als kontraproduktiv erwiesen haben, wie sich insbesondere im Irak nach der völkerrechtswidrigen Invasion 2003 zeigte.
Auch einen Moment der Stille einzufordern, wäre angesichts dieser beredten Sprach- und Sinnlosigkeit nicht verkehrt; aber ich werde an dieser Stelle ohnehin eine Weile stille sein, weil dieser Blog zumindest für den Rest des Jahres pausiert. Daher erlaube ich mir zuvor noch die Anmerkung, dass das Recht, jedenfalls soweit es sich in den Menschen- und Bürgerrechten niederschlägt, auch in diesen aktuellen Debatten durchaus argumentative Kraft und Wirkmacht entfalten kann. Wenn der schlichte Kern aller menschenrechtlichen Verbriefungen, dass die Würde eines jeden Menschen zu beachten ist und dass jeder Mensch Träger einer Vielzahl universeller Rechte ist, mehr Beachtung fände, wäre die Welt gewiss eine Bessere. Zudem sollten wir uns vergegenwärtigen, dass all diese wichtigen Rechte zwar irgendwann irgendwo einmal verbrieft wurden, dass sie aber dennoch immer wieder erkämpft werden müssen – gegen die Widerstände Mächtiger.
Dann könnten wir mit der praktischen Solidaritätsarbeit beginnen: für die von der Repression im Erdoğan-Staat Betroffenen, für die unter Krieg, Folter und Flucht Leidenden und viele andere; und unseren Beitrag zu einer für alle sicheren Gesellschaften leisten. Das allein wird nicht ausreichen. Denn so weit reicht die Macht des Rechtes nicht.
Aber ohne die Einhaltung fundamentaler rechtlicher Garantien lassen sich weder eine nachhaltige europäische oder deutsche Außen-, Sicherheits- und Migrationspolitik verwirklichen noch eine auf Rechtsstaatlichkeit und wirklicher Demokratie basierende Gesellschaft.