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Putsch in Paraguay

 

Putsch in Paraguay? Wen interessiert das denn noch? Ist ja auch schon drei Jahre her, dass am 22. Juni 2012 der von der Befeiungstheologie beeinflusste Präsident Fernando Lugo seines Amtes enthoben wurde. Die lateinamerikanischen Nachbarn reagierten damals hart und schlossen Paraguay aus dem Regionalbündnis Mercosur aus, denn die blitzartige, nach Ansicht von Experten verfassungswidrige Amtsenthebung kam einen Putsch nahe – was den damaligen FDP-Entwicklungsminister Niebel allerdings nicht davon abhielt, diese ausdrücklich zu begrüßen. Auslöser für das fragwürdige Manöver, das zur Machtübernahme der konservativen Colorado Partei führte, war das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen eine Landbesetzung in der Provinz Curuguaty gewesen, bei dem 11 Bauern und sechs Polizisten starben.

Diese Woche soll es nun wegen der damaligen Ereignisse zum Prozess kommen – überrascht es irgendwen, dass sich dieser ausschließlich gegen die Landbesetzer und nicht gegen etwaige Verantwortliche in der Polizei richten wird?

Deutsche und lateinamerikanische Nichtregierungsorganisationen kritisieren die einseitigen und mangelhaften Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Schon der Ausgangspunkt des damaligen Polizeieinsatzes ist fragwürdig, denn der Landtitel, auf dessen Basis die angeblichen Besetzer vertrieben werden sollten, ist höchst strittig. Die Indizien, die in dem Verfahren gegen die Angeklagten vorgebracht werden sollen, sind zudem zweifelhaft, einige der Personen sollen nicht einmal am Tatort anwesend gewesen sein. Zudem kritisieren Menschenrechtler die zunehmende Repression gegen Menschen, die für ihr Land kämpfen – die Rede ist sogar von Folter und extralegalen Tötungen. Denn darum geht es letztlich: um den Zugriff auf das Land, das in Paraguay ohnehin höchst ungerecht verteilt ist. Das meiste Land ist in den Händen weniger und gleicht schon jetzt einer riesigen Plantage für Exportgüter wie Mais, Zuckerrohr und Soja, die oft unter Einsatz von giftigen Pestiziden angebaut werden.

Ich habe vor einer Weile mit den Strafverteidigern der Bauern gesprochen, engagierte Kollegen im Kampf gegen eine korrupte und übermächtige Justiz, die dann wegen ihres Einsatzes selbst ins Visier des Repressionsapparates gerieten. In Paraguay besteht eine nicht enden wollende Kette aus Raub und Mord zu Lasten der indigenen Bevölkerungsmehrheit bei gleichzeitiger Straflosigkeit für derartige Taten – und das alles, ohne dass sich Deutschland und die Europäische Union gegen diese andauernden Menschenrechtsverletzungen positionieren würden. Damit wird der „Erfindungsreichtum der Politiker, die Demokratie auszutricksen und … als Hüter der Demokratie zu erscheinen“, von dem Josef Oehrlein anlässlich der Absetzung von Präsident Lugo in der FAZ schrieb, noch belohnt. Ein Diktum, das auch für den ähnlich gelagerten Putsch gegen die linke Regierung Manuel Zelayas in Honduras 2009 gelten könnte, seit dem sich die Menschenrechtslage dort dramatisch verschlechtert hat. Der aktuelle Strafprozess in Paraguay bietet insofern einen guten Anlass, die Versäumnisse auch der Europäer in den letzten Jahren aufzuarbeiten und die unter Druck stehenden sozialen Bewegungen der Landlosen zu unterstützen – nicht zuletzt um die neuerliche Etablierung autoritärer Staaten im Süden Amerikas zu verhindern.