Ein Abend in Berlin unter Freunden, alles Anwältinnen und Anwälte. Schnell ist man geneigt, sich in der gleichen Situation zu sehen, wir teilen viele politische Auffassungen und setzen uns alle für die Menschenrechte ein.
Doch dann spricht der Kollege über die Wohnungssituation in Bombay. Seine Organisation, das Human Rights Law Network, hat seinen Sitz in der Nähe des Gerichtes der Stadt. Ständig treten sie vor Gericht auf, um die Rechte derer durchzusetzen, die in der größten Demokratie der Welt so gut wie nie zu ihrem Recht kommen – und das sind viele: indigene Gemeinden, die mit Industrie-, Infrastruktur – oder Minenprojekten konfrontiert sind; die unteren Klassen; die Dalit, die Unberührbaren; Frauen; Häftlinge; und viele mehr. Keiner seiner Kollegen und Kolleginnen kann sich eine Wohnung in der Nähe des Büros leisten, dazu verdienen sie zu wenig, selbst als Anwälte, aber eben Anwälte, die für diejenigen arbeiten, die fast nichts haben und daher auch fast nichts zahlen können.
Er selbst, ein Mittdreißiger mit viel Berufserfahrung, hat bis vor kurzem in einem Hostel gewohnt, um nicht jeden Tag zwei Stunden hin und zwei Stunden zurück fahren zu müssen. In einem Raum von der Größe meines Wohnzimmers wohnte er mit drei anderen zusammen. Nicht einmal ein eigenes Zimmer – ich fühle mich ob meines Luxus ertappt.
Weiter„Bin ich naiv?“