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Thomas Middelhoff ist nicht der einzige Häftling, der leidet

Warum bedarf es eigentlich eines Thomas Middelhoff oder eines Uli Hoeneß, damit sich eine breitere Öffentlichkeit für das Innenleben deutscher Gefängnisse interessiert? Es wäre schön, wenn nicht nur Voyeurismus dieses Interesse leiten würde. Schön wäre es zudem, wenn das Interesse sich auch auf die Schicksale der weniger prominenten Häftlinge erstrecken würde, der Zehntausenden von Untersuchungs- und Strafhäftlingen. Auch die Zustände in anderen geschlossenen Einrichtungen wie den Alters- und Pflegeheimen oder in der Psychiatrie finden nur selten große Aufmerksamkeit. Man horcht nur hin, wenn Spektakuläres passiert. Also will ich diese rare Gelegenheit nutzen.
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Stolpersteine und andere Mittel gegen das Vergessen

Abseits der großen – und notwendigen – Auseinandersetzungen um die deutsche NS-Geschichte und der Schlussstrich-Appelle von Politikern tut sich in diesem Bereich gerade vieles auf lokaler Ebene. So muss man derzeit monatelang warten, bis man vom Kölner Bildhauer Gunter Demnig einen Termin bekommt, um einen der von ihm entworfenen Stolpersteine zu verlegen – Gedenksteine aus Messing, eingelassen in den Bürgersteig, mit dem an deren letztem selbstgewählten Wohnort der Opfer der NS-Zeit gedacht wird. Nachbarschaftsinitiativen, Schulen, Verwandte und andere Menschen, die auf die Lebensgeschichten von Ermordeten gestoßen sind, lassen auf diese Weise Monat für Monat, Jahr für Jahr Hunderte von Steinen in der ganzen Republik verlegen. Wie wichtig diese Art von Gedenken ist, merken wir, wenn wir ausländischen Besuchern, denen die Steine auffallen, erklären, was diese bedeuten. Die Gedenksteine sind eine nur scheinbar kleine Geste mit großer Bedeutung, die uns im Alltag regelmäßig über den von Deutschland ausgegangenen, millionenfachen Mord stolpern lässt und dazu aufruft, uns immer wieder mit diesem Teil der deutschen Geschichte zu beschäftigen. Wie viel diese Geste für die Verwandten von Menschen, derer auf diese Weise gedacht wird, bedeuten kann, erfuhren Freunde und ich vor wenigen Monaten, als wir in der Heinrich-Roller-Straße in Berlin-Prenzlauer Berg des Ehepaares Emma und Elias Spet gedachten und deren Angehörigen in den USA ein Video von der Verlegung des Stolpersteines übermittelten.
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Vor wenig mehr als 50 Jahren…

Eine spannende Begegnung in London, in der vergangenen Woche: Mark Sealy, Direktor der Vereinigung schwarzer Fotografen (ABP), führt mich durch die von ihm kuratierte Ausstellung „Human Rights Human Wrongs“. Sealy hat aus den mehr als 290.000 Fotos der Black Star-Collection auswählen dürfen. Black Star wurde 1935 in New York von den exilierten jüdischen Fotografen Ernest Mayer, Kurt Safranski und Kurt Kornfeld gegründet und belieferte viele Zeitschriften mit mittlerweile legendären Schwarz-Weiß-Aufnahmen, vor allem das Life-Nachrichtenmagazin.
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Toleranz und Vielfalt müssen verteidigt werden

Natürlich ist der Habitus von uns Berlinern mitunter unerträglich: Wir schildern den kulturellen Reichtum der Stadt, die Attraktivität für junge Menschen sowie Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt, die tatsächliche und imaginierte Toleranz in höchsten Tönen, auf dass ein bisschen Glanz auch auf uns selbst abfalle.
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Schutz der eigenen Staatsbürger sieht anders aus

Khaled El-Masri ist deutscher Staatsbürger. Die Verbündeten Deutschlands, die USA, haben ihm schreckliches Unrecht zugefügt: Aufgrund einer Personenverwechslung, ja, auch solche Dinge passieren in Geheimdienstkreisen, wurde er im Dezember 2003 von der CIA nach Afghanistan verschleppt, misshandelt und mehrere Monate in Folterhaft festgehalten. All das ist lange und hinlänglich bekannt, wurde aber durch den im Dezember 2014 veröffentlichten Bericht des US-Senats zu den CIA-Folterpraktiken noch einmal ausdrücklich bestätigt.
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Wahlkampf mit dem Tod eines Staatsanwalts

Was über jemanden gesagt wird, verrät mitunter mehr über denjenigen, der es sagt. So verhält es sich im Moment mit den beiden großen argentinischen Tageszeitungen Clarín und La Nación, die zusammen fast über ein Monopol verfügen. Wenn diese beiden Blätter über den Tod des argentinischen Staatsanwaltes Alberto Nisman am 14. Januar dieses Jahres berichten, erfahren wir kaum etwas. Vielmehr beweisen die Artikel, dass die Verfasser wenig ernsthaft um Aufklärung bemühte, an einem Ethos orientierte Journalisten sind, sondern vielmehr Teil einer politischen Kampftruppe, die die Botschaften der Rechten nachbeten oder gar formulieren.
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Strafanzeige gegen Ex-CIA-Chef Tenet ist nur der Anfang

Als ich vergangenen Mittwoch den CIA-Folterbericht des US-Senats las, erfasste mich die kalte Wut. Klar, ich kenne die Berichte von Schlägen, Schlafentzug und Waterboarding seit mehr als zehn Jahren. Seit 2004 arbeite ich mich mit Kollegen juristisch an den Architekten und Planern der systematischen Folter nach dem 11. September 2001 ab – mit wechselndem Erfolg. Was mich nun vor allem aufbrachte, waren die Reaktionen der damaligen Haupttäter.

Zu lesen etwa, wie der ehemalige CIA-Chef Michael V. Hayden die Verantwortlichen für die „illegale Verhaftung“ – so nennt es die CIA euphemistisch – des deutschen Staatsbürgers Khaled al-Masri intern verteidigte. Die CIA-Agentin habe alle Standards beachtet. Fünf Monate Haft und Folter, die Zerstörung einer Existenz, alleine wegen einer Namensverwechslung, all das soll nach dem Willen der schrecklichen Geheimdienstler und Politiker gänzlich ungestraft bleiben.

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Wie Deutschland repressiven Regimen hilft

Weltweit wird Deutschland als das Land angesehen, in dem die Snowden-Enthüllungen die höchsten Wellen geschlagen haben. Doch mitunter scheinen die Maßstäbe etwas verschoben: Während sich Aktivbürger hierzulande betroffen fühlen, führt Überwachung andernorts zu drastischen Folgen wie Verhaftung, Folter und Tod. Ähnlich wie bei Waffen- und Rüstungsexporten tragen Europa und insbesondere Deutschland maßgeblich zur technologischen Aufrüstung repressiver Regime bei – ohne dass sich bei uns dagegen massiver Widerstand regt.

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Der Vietnamkrieg – revisited

Eine Ausstellung, ein Film, ein prominenter Zeitzeuge und eine Podiumsdiskussion lassen den Vietnamkrieg und den Widerstand dagegen dieser Tage wieder lebendig werden.

Nghia Nuyen floh 1980 gemeinsam mit seiner Familie auf der Cap Anamur aus Südvietnam, als der Vietnamkrieg gerade beendet war. Der deutsche Künstler malt mit Vorliebe Porträts, die an van Gogh und Bacon orientiert sind. Wenn man in seiner aktuellen Ausstellung in Berlin an seine großflächigen, mit Ölfarben gemalten Dollarnoten herantritt, sieht man anstelle des US-Präsidenten George Washington die entstellten Gesichter von Opfern US-amerikanischer Luftangriffe, bei denen das Giftgas Agent Orange versprüht wurde. Der Krieg wurde formal 1975 beendet, doch seine fatalen Folgen spüren gerade die Giftgasopfer bis heute – sie haben sich organisiert, um trotz mehrerer erfolgloser Versuche weiter für Entschädigung zu kämpfen.

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Solidarität statt Selbstgerechtigkeit

Eigentlich wollte ich den 9. November unkommentiert verstreichen lassen, berichteten doch nicht nur alle deutschen, sondern auch viele ausländische Medien über den 25. Jahrestag des Mauerfalls. Doch meine Freunde vom telegraph forderten mich auf, für ihre Jubiläumsausgabe einen Beitrag zum Thema Geheimdienste beizusteuern. Der telegraph nimmt für sich in Anspruch, „die letzte authentische Zeitschrift der linken DDR-Opposition“ zu sein, „unbestechlich, unbequem, kritisch, behörden- und unternehmerunfreundlich – Eigenschaften, die vielen heute prominenten sogenannten DDR-Bürgerrechtlern gründlich abhanden gekommen sind“.

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