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Der Chinese mit den Frikadellenhänden

Wei Yi // © Baku World Cup 2015
Wei Yi // © Baku World Cup 2015

Wei Yi ist erst sechzehn, aber den Habitus des Schachspielers kennt er genau. In jeder Runde der gleiche blaue Trainingsanzug mit der Aufschrift „China“, der in sich gekehrte, fast abwesende Blick. Den Händedruck vor der Partie würde er wohl am liebsten ganz auslassen, seine Hand zieht er sofort zurück. Null Spannung ist darin enthalten, Yis Hand scheint so weich wie eine Frikadelle.

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Ich muss ein echter Schachspieler sein

Eines Tages entdeckte ich beim Durchstöbern von Schachkalendern ein Turnier in Alzenau. Alzenau, in der äußersten Ecke Unterfrankens gelegen, fast komplett umschlossen von hessischem Gebiet, aber gerade noch so Bayern. Dieses Turnier, das ungewöhnlicherweise am Samstagabend um 19 Uhr beginnen sollte, 80 Kilometer nördlich von Buchen im badischen Odenwald und 40 Kilometer südlich des hessischen Ranstadt, wo an diesem Wochenende ebenfalls Turniere stattfinden, gab mir die Möglichkeit, mal etwas zu wagen, etwas zu probieren, etwas Verrücktes: drei Turniere in 30 Stunden, in drei Bundesländern. Warum eigentlich nicht? Weiter„Ich muss ein echter Schachspieler sein“

 

Die Schachwelt im Monat Juni

Wesselin Topalow gewinnt ein Superturnier – und es ist ihm (fast) egal
Das schachliche Highlight im Juni war das Norway Chess  in Stavanger. In Präsentation und Außendarstellung setzte die Veranstaltung hohe Maßstäbe, alle Partien wurden in voller Länge live im norwegischen Fernsehen übertragen. Neu dabei: der „Confession Room“. Die zehn Spieler konnten während der laufenden Partien freiwillig vor die Kamera treten und die Zuschauer ganz aktuell an ihren Gedanken, Berechnungen und Sorgen teilhaben lassen, wovon besonders die jüngeren unter ihnen rege Gebrauch machten.

Gewonnen hat das Turnier der zweitälteste Teilnehmer und der ehemalige Weltmeister Wesselin Topalow, der in einigen seiner Partien (u.a. in der ersten Runde von Magnus Carlsen persönlich) allerdings reich beschenkt wurde. Topalow, der vor dem Turnier noch nicht einmal zum erweiterten Kreis der Favoriten auf den Sieg gezählt wurde, scheint an sich eine philosophisch-stoische Ader entdeckt zu haben. Mehrfach betonte er, sich auf seine Partien viel weniger intensiv vorzubereiten und entspannter zu spielen, als noch vor einigen Jahren. Selbst die Teilnahme am Kandidatenturnier 2016, die er sich mit dem Erfolg in Norwegen dank seines Aufstiegs auf Platz drei in der Weltrangliste so gut wie sicher erspielt hat, wolle er noch einmal überdenken, da er beim letzten Kandidatenturnier 2014 schlechte Erfahrungen gemacht habe und von Motivationsproblemen geplagt worden sei.

Wer von seinem eventuellen Rückzug profitieren könnte, erscheint noch unklar. Vishy Anand, der älteste Teilnehmer im Feld und für viele der Turniersieger der Herzen, hat seinen Platz dagegen als Unterlegener des letzten WM-Kampfes schon sicher. Für den nunmehr entthronten Weltranglistenzweiten Fabiano Caruana lief Stavanger dagegen äußerst durchwachsen, aber er versucht aktuell, die verlorenen Punkte beim nächsten Superturnier in Dortmund zurückzuholen.

Die Weltranglistenzweite kopiert unfreiwillig Magnus Carlsen
Die Frauen sorgten im vergangenen Monat für gute und nicht so gute Schlagzeilen. Die beste von ihnen, Yifan Hou, hält sich aktuell wacker bei ihrer ersten Teilnahme beim Dortmunder Sparkassen-Chess-Meeting , dem deutschen Traditionsturnier schlechthin, das Ende Juni begann. Nach fünf von sieben Runden hat sie allerdings noch nicht viel Zählbares vorzuweisen: vier Punkteteilungen, aber auch eine Niederlage gegen den Exweltmeister und den Dortmunder Seriensieger Wladimir Kramnik.

Für ihre Dauerrivalin, die Weltranglistenzweite Humpy Koneru, ist derweil ein anderes Turnier, die diesjährige Commonwealth-Meisterschaft, bereits nach vier Runden beendet: Die Inderin ahmte Magnus Carlsen nach und überschritt in der vierten Runde ihre Bedenkzeit, weil sie von der Regel nichts gewusst haben wollte. Die Ankündigung des Schiedsrichters über „30 minutes grace time“ scheinen einige Spieler als einen Zusatz nach Ablauf der regulären Bedenkzeit interpretiert zu haben (dem gleichen Irrtum erlag bereits in der ersten Runde die bekannte indische Spielerin Tania Sachdev), gemeint war aber lediglich eine Karenzzeit, um die man sich straffrei zur Partie verspäten durfte. Aus Protest über die Niederlage zog sich Koneru vom Turnier zurück.

Hexenjagd im 21. Jahrhundert
Ganz unerfreuliche Nachrichten gab es noch von der Fraueneuropameisterschaft im georgischen Chakvi zu hören, die Ende Mai zu Ende ging. Gewonnen wurde diese von einer der Favoritinnen Natalia Zhukowa, in Erinnerung behalten wird man das Turnier aber aus einem anderen Grund. Die rumänische, weitgehend unbekannte Spielerin Mihaela Sandu wurde von ihren Kolleginnen mehr oder weniger offen des Betruges verdächtigt, es wurden zwei Unterschriftenlisten gesammelt, die die Liveübertragung von Sandus Partien ins Internet verhindern sollten. Beide an erster Stelle von der künftigen Europameisterin Zhukowa unterschrieben.

Obwohl nach bestem menschlichen und computerunterstützen Ermessen an den Betrugsvorwürfen nichts, aber auch gar nichts Wahres dran war, scheint die Hexenjagd ihr Ziel erreicht zu haben – Sandu, die mit fünf (teilweise glücklichen) Siegen am Stück ins Turnier gestartet war, zerbrach am Druck und verlor am Ende mehrere Partien in Folge. Der rumänische Verband kündigte derweil die Überprüfung rechtlicher Konsequenzen gegen die Unterzeichnerinnen der Briefe an.

Die deutschen Spieler in Dortmund
Auch für die Deutschen brachte der Juni gemischte Ergebnisse. Drei von ihnen dürfen beim Superturnier in Dortmund mitspielen, welches Ende des Monats begann. Der vor einem Jahr eingebürgerte Dieter Nisipeanu belegt aktuell sogar den geteilten ersten Platz zusammen mit Fabiano Caruana, die beiden werden vermutlich bis zum Ende um den Turniersieg mitspielen können. Arkadij Naiditsch konnte zwar schon Kramnik besiegen, verlor aber auch schon zwei Partien und befindet sich im Mittelfeld. Der dritte im Bunde, Georg Meier, spielt bisher sehr unterhaltsam, wurde aber schon zweimal Opfer seiner unter anderem durch mangelnde Spielpraxis bedingten Zeiteinteilung, die ihn bereits zwei Partien kostete.

Enttäuschung beim Mitropa-Cup
Beim diesjährigen Mitropa-Cup (ein Mannschaftsturnier mit zehn Nationen aus Mitteleuropa, zu dem die Verbände traditionell ihren talentierten Nachwuchs schicken), ausgetragen im österreichischen Mayrhofen, konnte das deutsche Team nicht vollends überzeugen, obwohl es mit den beiden „Prinzen“ Matthias Blübaum und Dennis Wagner an den Spitzenbrettern durchaus als Turnierfavorit angetreten war. Souveräne Sieger wurden die Gastgeber aus Österreich, während den Deutschen nur die Bronzemedaille hinter dem Überraschungsteam aus der Slowakei vorbehalten blieb. Wirklich stark agierte in Mayrhofen nur Andreas Heimann am dritten Brett, während die beiden jungen Männer und Elisabeth Pähtz an Brett vier teilweise wackelten. Auf eine kuriose Weise kam zudem noch der knappe 2,5:1,5-Sieg gegen Kroatien zustande, als der Gegner von Elisabeth Pähtz ihr in totaler Gewinnstellung ein seltenes Pattbild erlaubte – Nachspielen unbedingt empfehlenswert! Im Frauenwettbewerb verpasste das deutsche Team durch ein 0:2 in der Schlussrunde gegen die zweite Vertretung von Österreich sogar ganz die Medaillenplätze und wurde Vierter.

Wenn die Hände schneller sein müssen, als der Kopf
Einen Vizetitel gab es für einen deutschen Spieler aber auch noch zu feiern. Der deutsche Meister Daniel Fridman gewann Silber bei den Niederländischen Meisterschaften im Lightning-Schach, bei dem jeder Spieler lediglich zwei Minuten für die ganze Partie hat. Im Finale unterlag er trotz guter Stellungen dem niederländischen Weltklassespieler Loek van Wely. Hier die entscheidende Finalpartie, man kann nur immer wieder den Hut davor zu ziehen, wieviel die Spieler selbst bei solch knapper Zeit noch sehen!

Wie geht es in der Schachwelt weiter?
Im Juli kehrt nach dem Ende des Dortmunder Superturniers eine gewisse Stille ein – die Sommermitte ist traditionell eher den Open-Turnieren für Amateure und schwächere Profis vorbehalten. Das nächste Top-Event wird der Sinquefield-Cup im US-amerikanischen St-Louis sein, wo sich neun von zehn Teilnehmern des Norway Chess zur zweiten Etappe der Grand Chess Tour wiedersehen werden. Er beginnt am 21.August, vermutlich ist das auch der Tag, an dem Magnus Carlsen und die meisten seiner Kollegem zum nächsten Mal am Brett sitzen werden. Auch für die deutschen Spieler wird es im August richtig spannend: In Dresden wird das German Masters ausgetragen, bei dem sich drei eingeladene Vertreter der deutschen Spitze gegen drei vorher im Challenge ermittelte Kandidaten messen werden, welches ebenfalls nur deutschen Spielern offen steht.

 

Ein Weltmeister in Schwierigkeiten

Am Ende spielte Magnus Carlsen, als hätte er keine Lust mehr. In Sekundenschnelle schleuderte er die Züge aufs Brett, als schon vieles, aber noch nicht alles verloren war. Carlsen, ein Meister des Findens kleinster Ressourcen, ließ sie alle an sich verstreichen. Als er ob er sich eine wundersame Rettung nicht mehr gönnen würde, in der letzten Runde dieses von vorne bis hinten verkorksten Turniers. Am Ende wurde sein allein gelassener schwarzer König von zwei weißen Türmen in die Zange genommen, kurz vor dem unausweichlichen Schachmatt gab der Norweger auf. Eine bittere, wenn nicht gar demütigende Niederlage gegen seinen Freund, Sekundanten und ehemaligen Klassenkameraden Jon Ludwig Hammer, der bei dem Turnier, der Norway Chess 2015, als krasser Außenseiter gestartet war und trotz dieses Sieges auf dem letzten von zehn Plätzen verblieb. Carlsen wurde Siebter. Es war, Kinderturniere ausgenommen, das mit Abstand schlechteste Ergebnis seiner Karriere.

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Ein Rücktritt und noch einer und noch einer…

Alle zwei Jahre kommen Deutschlands oberste Schachfunktionäre zum Bundeskongress zusammen. Diesmal an diesem Wochenende in Halberstadt, Sachsen-Anhalt. Doch wo normalerweise nur Amtsinhaber bestätigt und neue Kandidaten abgenickt werden, geht es dieses Mal um mehr. Um sehr viel mehr. Auf dem Plan stehen die Wahlen des Vorstands, die deswegen so besonders werden könnten, weil alle drei Vizepräsidenten für den Kongress ihre Rücktritte angekündigt haben. Christian Warnecke, der nun ehemalige Vorsitzende der Deutschen Schachjugend, hat seinen schon vollzogen. Die Geschäftsführerin verabschiedet sich in den Mutterschutz, einige andere Funktionäre werden ihre Arbeit ebenfalls beenden. Um den Präsidenten Herbert Bastian könnte es so einsam werden, wie damals um Forrest Gump an der Bushaltestelle.

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Lasst die Frauen einfach spielen!

Eigentlich ist Schach das Mobbingopfer unter den Sportarten. Der uncoole Schüler mit unmodischer Hose und Mamas geschmierten Butterbroten, der immer die Hausaufgaben hat, die dann jeder abschreiben will. Sonst will niemand etwas mit Schach zu tun haben. Um seinen Platz in der Lokalzeitung muss Schach betteln, um Sponsoren auch, die Sportförderung beim BMI wurde im vergangenen Jahr nur als ein Akt letzter Gnade weiterhin gewährt. An Schach erinnert man sich nur, wenn es sich wieder zum Gespött der Leute gemacht hat: Großmeister schläft am Brett ein, Großmeister versteckt Schachcomputer auf der Toilette, Großmeister wird wegen verbotener Notizen disqualifiziert. Sonst sitzt der Schachspieler allein in seiner Ecke und schmollt, weil seine intellektuellen Leistungen nicht ausreichend gewürdigt werden.

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Weltmeisterin im Elfmeterschießen

Bislang war die Ukrainerin Marija Musytschuk nur Experten ein Begriff. Das dürfte sich nun ändern. Am Sonntag wurde Marija Musytschuk in Sotschi Schach-Weltmeisterin.

Ein einziges Mal sah ich sie bisher live – im Sommer 2002 in Dresden. Schon damals wunderte ich mich, wie ein so kleines Mädchen, das gerade mal neun Jahre alt war, schon so kraftvoll und abgezockt Schach spielen konnte. Danach hat man in der Schachwelt eher wenig von ihr gehört, obwohl sie bei kaum einer Jugendweltmeisterschaft eine Medaille in ihrer Altersklasse verpasste. Zu sehr stand sie im Schatten ihrer älteren und noch etwas stärkeren Schwester Anna, die auch als eine von zwei Dutzend Frauen weltweit den (männlichen) Großmeistertitel trägt.
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Die Entzauberung des Schachs

Im Prinzip ist Schach nichts anderes als ein komplexes Tic-Tac-Toe. Während Tic-Tac-Toe aber in wenigen Minuten von jedem Erstklässler gelöst werden kann (zu Beginn ist das Spiel unentschieden, aber der zweite Spieler verliert, wenn er Mitte mit Seitenmitte entgegnet und hält das Gleichgewicht, wenn er stattdessen in eine Ecke setzt), probiert sich die Menschheit schon seit 500 Jahren am Spiel der Könige, ohne auch nur auf ein Millionstel möglicher Stellungen objektiv richtige Antworten zu kennen.
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Im rosafarbenen Pyjama am Schachbrett

Einmal schien Magnus Carlsen ein Nickerchen zu halten. Einmal, nachdem sein WM-Gegner Viswanathan Anand einen gewinnbringenden Zug übersehen hatte, ließ er seinen Kopf auf die Arme fallen und lag halb auf dem Schachtisch. Bei einem anderen Turnier fläzte er sich in seinem Sessel, als säße er zu Hause im Wohnzimmer. Fehlte nur noch, dass er die Füße auf den Tisch legte. Darf Magnus Carlsen das? Was ist mit der Etikette, die im Schach, dem Spiel der Könige, eine nicht unwichtige Rolle spielt?

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Unsere Bundesliga soll schöner werden

Die Schach-Bundesliga, außerhalb der Schachszene weiß so gut wie niemand von ihrer Existenz. Selbst viele Schachspieler kennen die Liga nicht und noch weniger interessieren sich für sie. Kein Wunder: Es spielen dort zwar 16 Mannschaften, aber einen echten Kampf um die Meisterschaft gibt es nicht. Der Titel geht seit 2006 jährlich an die OSG Baden-Baden. Einen echten Abstiegskampf gibt es auch nicht, die Mannschaften machen größtenteils unter sich aus, wer im nächsten Jahr noch antritt oder nicht, das hat meist finanzielle Gründe.

Teilweise stehen regionale Sponsoren wie Sparkassen oder mittelständische Betriebe hinter den Teams und stellen die Spielorte und etwas Kapital. In anderen Fällen kommt der Saisonetat fast oder vollständig von Privatpersonen. Der Verbleib einer solchen Mannschaft in der Bundesliga hängt direkt vom Willen der Mäzene ab, das Engagement weiter fortzusetzen. Rückzüge trotz sportlichem Erfolg sowie das Nicht-Aufsteigenwollen aus der zweiten Bundesliga gehören zum jährlichen Erscheinungsbild.

Bevor die neue Bundesliga-Runde am kommenden Freitag beginnt, haben wir acht Verbesserungsvorschläge zusammengetragen. Nach dem Motto: Unsere Schach-Bundesliga soll schöner werden.

1. Weniger Mannschaften

Streng genommen existieren in Deutschland keine 16 Vereine, die finanziell, organisatorisch und sportlich eine Teilnahme in der ersten Liga stemmen können. Eine Reduktion der Liga auf 12 Mannschaften würde für mehr Stabilität, ausgeglichenere Kader und mehr sportlichen Wettkampf sorgen. Für den Abstiegskampf einer solchen neuartigen Liga wäre das einsichtig, hinsichtlich des Titelrennens dürfte man bei der Dominanz der OSG Baden-Baden weiterhin skeptisch sein. Immerhin stiege bei einer solchen Reform der Elo-Durchschnitt der Spieler und die Qualität der Partien, während insgesamt weniger Spiele stattfänden. Der größte Nachteil einer solchen Reform: Viele kleinere Vereine, die ab und zu mal einige Jahre Bundesliga spielen, könnten dieses Abenteuer ihren Spielern und Fans nun gar nicht mehr bieten. Die Liga wäre noch weniger durchmischt als jetzt.

2. Eine Quote

Aktuell ist etwa nur jeder zweite Bundesligaspieler Deutscher, wobei diese Statistik durch Jugendspieler, die nur pro forma im Kader stehen, noch aufgehübscht wird. Unter den besten acht Spielern jedes Teams ist nur einer von vieren Deutscher. Das schafft nicht gerade ein großes Identifikationsgefühl. Eine Inländerquote, dass also so und so viele Spieler aus dem eigenen Land kommen müssen, gibt es aktuell in vielen anderen Ländern, früher gab es sie auch in Deutschland. Denkbar sind verschiedene Modelle wie etwa eine Begrenzung der Anzahl ausländischer Spieler im Kader oder bei den Spielaufstellungen. So wünschenswert die Einführung einer solchen Quote zwecks Förderung einheimischer Jugendspieler auch erscheinen mag, so sehr gäbe es auch Probleme. Bei zu vielen deutschen Spielern könnte das Spielniveau leiden. Außerdem wäre eine solche Regel schlicht diskriminierend, vor allem gegenüber ausländischen Spielern, die schon lange in Deutschland leben.

3. Zentrale Spielorte

In den vergangenen Jahren gab es in jeder Saison ein langes Wochenende, an denen sich alle 16 Mannschaften an einem Spielort trafen, die sogenannte Zentralrunde. Die Präsentation der Spiele und die Zuschauerresonanz waren in allen Fällen hervorragend. Es gab Simultanveranstaltungen bekannter Schachgrößen, Livekommentierungen, Blitzturniere für Zuschauer und Betreuung für Kinder. Daher würden es viele gern sehen, wenn es solche Events öfters gäbe. Das Problem: Nur wenige Vereine haben genug Geld und Know-how, so etwas auf die Beine zu stellen.

4. Weniger Spieler

Vor einigen Jahren durften die Schachclubs ihre Kader vergrößern, von 14 auf 16 Spieler. Dadurch sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass viele Profis durch den engen Turnierkalender sowie Ligaeinsätze in anderen Ländern (Ja, im Schach darf jedermann in beliebig vielen Ligen gemeldet sein und spielen!) ausgelastet seien und es immer schwerer falle, für ein Wochenende eine Mannschaft zusammenzustellen. In Wirklichkeit aber missbrauchen einige Verantwortliche aus dem Ligamittelfeld diese Regelung, indem sie gegen Baden-Baden und einige andere mit ihrer B-Elf antreten, gegen Abstiegskandidaten aber mehr oder weniger die ersten Acht spielen lassen. Eine Rückkehr zu einem Kader von 14 Spielern oder sogar eine weitere Verkürzung auf 13 würde die Verantwortlichen und die Profis zu mehr Disziplin anmahnen und die oben skizzierte Wettbewerbsverzerrung verhindern.

5. Entzerrung der Spieltage

Die Saison dauert von Oktober bis April, wird aber an nur sieben Wochenenden gespielt. Warum nicht die Spieltage entzerren, sodass an jedem Wochenende gespielt werden würde? Zuschauer hätten so die Möglichkeit, häufiger als nur sieben Mal im Jahr Erstliga-Partien zu besuchen und auch die Zuschauer im Internet müssten nicht, wie jetzt, 128 Partien auf einmal durchklicken und verarbeiten. Berichterstatter könnten gründlicher und besser berichten. Ein großer Nachteil ist eine ständig „schiefe“ Tabelle, die die Liga begleitet, sowie eine höhere Manipulationsgefahr. Die letzten zwei Spieltage sollten deshalb weiterhin gleichzeitig ausgetragen werden.

6. Comeback der Zeitnotphasen

Heutzutage wird so gut wie überall, auch in der Bundesliga, mit sogenanntem Inkrement gespielt, sodass Spieler für jeden ausgeführten Zug noch extra Bedenkzeit erhalten. Dadurch entfallen leider die bis vor einigen Jahren noch üblichen Zeitnotphasen, bei denen die Spieler etwa noch 30 Sekunden für 10 Züge zur Verfügung hatten und beiderseitig wild auf der Schachuhr herumhackten. Jeder Zuschauer wünscht sich diese Verhältnisse sofort wieder zurück. Wie oft kam es vor, dass David in extremer Zeitnot noch Goliath zu Boden strecken konnte. Das ist aber auch der Grund, warum die Verantwortlichen in der Bundesliga niemals mehr für eine Rückkehr zu den Zeitnotphasen stimmen werden: Wer Geld bezahlt, will die Varianz möglichst klein halten.

7. Frühzeitige Bekanntgabe der Paarungen

Die genauen Mannschaftsaufstellungen werden erst eine halbe Stunde vor den Matches veröffentlicht. Zugegeben, für einen normalen Zuschauer macht es kaum einen Unterschied ob die Schachfreunde Berlin mit einem Ilja Schneider oder einem Dennes Abel antreten, aber viele wüssten durchaus gerne, ob sich Mühe und Zeit lohnen, in die Nachbarstadt zu fahren, um dort einem seltenen Gast wie Vishy Anand oder Lewon Aronjan über die Schulter zu gucken. Ein paar Jahre lang gab es darum genau ein solches Agreement, dass bei Spielen mit Beteiligung von Baden-Baden die Aufstellungen schon am Donnerstag vor dem Match bekannt gegeben wurden. Anschließend verweigerte die Mehrheit der Liga diesem Abkommen die weitere Zustimmung. Ob nun stärkere oder schwächere Spieler davon profitieren, dass sie sich (nicht) auf den genauen Gegner vorbereiten können, ist unklar. Argumente gibt es für beide Seiten. In jedem Fall ist aber der Zuschauer der Verlierer in der aktuellen Situation.

8. Sanktionen für (häufigen) Nichtaufstieg oder Rückzug

Rückzüge aus dem Spielbetrieb sind für Zuschauer und für andere Beteiligte ein großes Ärgernis. Nichts untergräbt die Glaubwürdigkeit einer Liga so stark wie ein Abstiegskampf, bei dem sich am Ende herausstellt, dass er letztendlich keiner war, weil auch abgestiegene Mannschaften den Platz in der Liga am grünen Tisch behalten dürfen. Daher böte es sich an, über Möglichkeiten von Sanktionen gegenüber Vereinen nachzudenken, die sich aus der Schachbundesliga zurückziehen oder als Sieger einer der zweiten Ligen (mehrfach) nicht ihr Aufstiegsrecht wahrnehmen. Wünschenswert wäre etwa im letzten Fall ein Zwangsabstieg aus der zweiten Liga nach mehrfachem Aufstiegsverzicht. Eine solche Regelung wäre jedoch juristisch nur schwer durchsetzbar und unterläge einer massiven Manipulationsgefahr.