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Günter Grass und das Geheimnis der Menschheit

 

Ich würde nie behaupten, der Auftritt von Günter Grass sei großspurig oder sogar breitbeinig. Nein, es ist viel schlimmer. Er ist im ersten Moment sympathisch. Er erregt Mitleid. Er wirkt zart und eingesunken, der arme geschundene, ausgeschimpfte alte Mann, der mal was bei den Nazis gemacht hat. Günter Grass ist diese kleine nette arme Schnecke, die man beschützen möchte, ihr den Weg frei räumen, eigentlich am liebsten ins Grüne, Freie und Friedliche hinaustragen tragen will.

Aus den Büchern "Im Schneckengang" oder "Beim Schälen eines Schneckenhauses"
Aus den Büchern "Im Schneckengang" oder "Beim Schälen eines Schneckenhauses"

Im ersten Moment denkt man so etwas. Aber Günter Grass ist nicht zum anschauen da, der Mann redet und das besonders viel, umfassend, großkalibrig, ernst, die Gesamtsituation überschauend. Und die Gesamtsituation ist schlecht. Ja, schrecklich. Für Grass ist die Welt aus den Fugen geraten. Angefangen bei den Nazis, die eine gesamte Nation grassisch ausgedrückt verführt hat, aber „wir haben uns aber auch – und Achtung – verführen LASSEN!“. Das klingt so ungeheuer schön pathetisch und tragisch, dass sich Grass ein wenig darin zu baden beginnt während Fragen des Journalisten mit viel Einfallsreichtum umgangen werden. Im übrigen, schließt er jetzt die verführerische Nazigeschichte, falle ihm da auch China ein, und wo wir gerade bei China sind, die ganze Welt ist ja furchtbar, denn jeder Sechste Mensch in der Welt hungert und keiner tut etwas dagegen. Dabei vergisst er natürlich nicht, noch das Thema der Deutschen Einheit und den Wir-sind-das-Volk Gedanken erneut auszubreiten. Aber die Geschichte verführt dazu ja auch und ist manchmal ein großer leuchtender Süßigkeitenladen.