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„Der Fußball darf nicht mehr elitär sein“

Jerome Champage (Archivbild 2007)
Jerome Champagne (Archivbild 2007) — Gianluigi Guercia/AFP/Getty Images

ZEIT ONLINE: In einem Brief an alle 209 Fußballverbände verlangen Sie von der Fifa Entwicklungshilfe. Wie kann man Missbrauch verhindern, wie in der Vergangenheit zu beobachten?

Jerome Champagne: Seit 1998 hat sich die Fifa der Entwicklungshilfe verschrieben. Man denke an die Programme „Goal“ und „Win in Africa with Africa“. Ein Erfolg wie der Einzug der Kapverden ins Viertelfinale des Afrika Cups ist der beste Beweis dafür. Das gilt auch für viele andere Länder. Aber wir müssen noch mehr tun, zum Beispiel: mehr Sportplätze bauen, ein Programm entwickeln, wovon kleinere Klubs profitieren, ein System entwickeln, das junge Spieler und lokale Talente fördert. Der Fußball darf nicht mehr elitär sein.

Tatsächlich gab es Missbrauch, das ist angesichts des Umfangs dieser Programme unausweichlich. Es gibt fast 600 Projekte von „Goal“, da ist es unvermeidlich, dass mancher Geldschein nicht für das verwendet wird, wofür er vorgesehen ist. Deswegen muss strenger und öfter kontrolliert werden. Ich habe mit Befriedigung gelesen, dass das Fifa-Exekutivkomitee letztens beschlossen hat, ihre finanzielle Entwicklungshilfe von den Nationalverbänden und Konföderationen verstärkt kontrollieren lassen wird. Das kann aber nur der erste Schritt sein.

Champagne: Fußball ist so wichtig im Leben vieler Menschen, es ist in vielen Ländern eine nationale Angelegenheit. Zwangsläufig fällt er damit in den Aufgabenbereich vieler Politiker. Die Fifa muss sicherstellen, dass die Sportpolitik in den Händen der Nationalverbände bleiben, etwa der Ligabetrieb oder die Entscheidung, ob man sich für eine Weltmeisterschaft bewirbt.

Aber in Europa ist die EU verantwortlich für die gewichtigste politische Einmischung in den Sport. Weil sie Sport als eine wirtschaftliche Tätigkeit wie alle anderen betrachtet, weil sie den nationalen Charakter des Fußballs zugunsten einer künstlichen europäischen Dimension aufgegeben hat und weil sie ihr deregulierendes Primat für den freien Warenverkehr verteidigen wollte, hat die EU dem Fußball ein hyperkapitalistisches Element eingeschrieben: das Bosman Urteil. Es herrscht große Einigkeit darüber, dass es negative Folgen für den Fußball hatte: Elitismus und Konzentration auf wenige wichtige Spieler und Vereine. Man muss sich vor Augen führen, dass in den EU-Staaten die Arbeitslosigkeit unter Profifußballern vier bis fünf Mal so hoch ist wie im Durchschnitt (8 %). In Zypern liegt sie gar bei 80 %.

Jedenfalls haben die Sportverbände Europas eine Intervention akzeptiert, die sie in anderen Zusammenhängen und Regionen vehement abgelehnt hätten.

ZEIT ONLINE: Wie bewerten Sie die Reform der Fifa?

Champagne: Angesichts der vielen Vorwürfe, Gerüchte, offensichtlichen Interessenkonflikte und Kontroversen nach den Vergaben der Weltmeisterschaften an Russland und Katar war dieser Prozess notwendig. Manche Entscheidungen waren sehr wichtig, etwa die Präsenz von Frauen im Exekutivkomitee und die Installation eines unabhängigen Ethikkomitees. Aber die Fifa muss viel weiter gehen, muss mehr Demokratie wagen. Beispielsweise sollte sich das Exekutivkomitee vom Kongress wählen lassen. Und der Präsident braucht die Macht, um die Politik durchzusetzen, für die er sich hat wählen lassen. Ich wünsche mir auch eine aktivere Fifa im Umgang mit Ungleichheiten und -gewichten zwischen Kontinenten, Ländern und Klubs. Derzeit bildet die Fifa noch die Machtstrukturen der Welt ab, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg war. Der Fußball wird immer elitärer, wird zunehmend NBAisiert. Er braucht eine starke Kontrollinstanz, die demokratisch legitimiert ist.

Jerome Champagne war Fifa-Manager und Mitstreiter von Joseph Blatter. Inzwischen gilt er manchen als Kandidat für dessen Nachfolge.

 

Deutsche Elf quält die Fans

Fazit: Deutschland hätte mit einem Sieg gegen Finnland einen Rekord aufstellen können. Neun Siege in einer WM-Qualifikation – das ist noch keinem DFB-Team gelungen. Am Ende müssen Jogis Mannen froh sein, gegen die gemächlichen Finnen nicht verloren zu haben. So stehen nach zehn Partien acht Siege und zwei Remis.

Okay, es ging um nichts mehr im letzten Qualispiel, doch solch eine schwache Leistung rechtfertigt dies nicht. Den Spielern fehlte es an der inneren Einstellung, sich anständig ihren Fans zu präsentieren. Deutschlands Fußballer zeigen meist nur dann akzeptable Leistungen, wenn sie unter Druck stehen.

Den müssen eigentlich die neu ins Team gerückten Akteure aus der zweiten Reihe verspürt haben.  Sie kämpfen noch um die Chance, nächstes Jahr in Südafrika dabei zu sein. Von ihnen hätte mehr kommen müssen. Rechtsverteidiger Andreas Beck verpasste es,  sich für weitere Einsätze zu empfehlen. Der Hoffenheimer ließ die Flanke zu, die zum 0:1 führte und agierte defensiv wie offensiv schwach. Im Abwehrzentrum präsentierte sich Arne Friedrich unkonzentriert und produzierte viele Abspielfehler in der Spieleröffnung.

Auch Thomas Hitzlsperger ist weiter von seiner Bestform entfernt und gilt als Wackelkandidat. Piotr Trochowski konnte ebenfalls keine Pluspunkte bei Joachim Löw sammeln. Sein Passspiel war schlampig und seine Flanken eine Zumutung. Cacau hätte sich sein Startelfdebüt ebenfalls anders vorgestellt. Vom Bundestrainer vor dem Spiel gelobt, enttäuschte der Stuttgarter. Als Alternative im Sturm drängte er sich nicht auf.

Joachim Löw muss also weiter testen. In diesem Jahr hat er am 14. November in Köln gegen Chile und am 18. November voraussichtlich gegen Ägypten in Gelsenkirchen die Gelegenheit dazu. Die Spieler sollten diese beiden Partien dazu nutzen,  die blamable Leistung von Hamburg wieder gut zu machen.

Abpfiff: Die Partie endet 1:1. Die 90. Minuten von Hamburg zeigen: Deutsche Spiele mit Freundschaftsspielcharakter sollte man sich nicht anschauen, sie geraten zum Langweiler. Der schwache Auftritt hätte eigentlich eine Niederlage verdient gehabt.

90′ Tor für Deutschland durch Podolski Kaum zu glauben, aber der Ausgleich fällt doch noch. Schütze Podolski muss selber über sein Stolpertor lächeln.

84′ Klose, eigentlich ein begnadeter Kopfballspieler, vergibt aus kurzer Distanz  den Ausgleich. Sein Kopfball hat zu wenig Dampf, um Finnlands Torwart Jääskeläinen zu bezwingen.

77′ Jetzt wird es in Hamburger Stadion doch noch laut: Mario Gomez wird ausgewechselt, und die Zuschauer buhen den  armen Kerl aus. Jetzt soll es Miro Klose in der verbleibenden Zeit richten.

75′ Hoppla, Deutschland hat eine Chance. Philipp Lahm, Kolumnist von ZEIT ONLINE, zieht in die Mitte und schießt gar nicht mal ungefährlich auf das Tor der Finnen.

69′ Wenn schon auf dem Feld nichts los ist, bewegen sich wenigstens die Zuschauer auf den Rängen ein wenig und intonieren: „Steht auf, wenn ihr Deutsche seit.“ Ob dieser zarte Versuch der Anfeuerung den Laufmuffeln auf dem Rasen Beine macht, darf bezweifelt werden.

57’/59′ Mario Gomez spielt auch noch mit. Der Bayernstürmer hat zwei Mini-Kopfballchancen, setzt ansonsten seine zaghaften Auftritte in der DFB-Elf fort. Der Kniff mit Cacau als Sturmpartner für den bedauernswerten Ex-VfBler ging bis hierher nicht auf.

54′ Der ARD-Reporter Gerd Gottlob erkennt einen Aufwärtstrend im deutschen Team. Wo ist er? Ich habe noch keinen gesehen.

49′ Fast das zweite Tor für die Finnen. Doch Metusalem Litmanen – der Mann ist schon 38-Jahre alt – steht bei seinem Schuss im Abseits.

46′ Löw bringt Özil und Gentner ins Spiel. Dafür bleiben Ballack und  Hitzlsperger in der Kabine. Hoffentlich bringt der koranfeste Özil mehr Esprit in das dröge deutsche Spiel.

Halbzeit 0:1 Jogi Löw marschiert mit grimmiger Miene in die Stadionkatakomben. Wahrscheinlich legt er sich die Worte für eine deftige Halbzeitansprache zurecht. Die DFB-Elf hat es bislang bestens verstanden,  die Sympathien der Fans zu verspielen. Gegen die gut organisierten Finnen fehlt es am Willen, sich zu quälen und den einen oder anderen Schritt mehr zu tun. Die Spieler haben keine einzige Torchance herausgespielt, sie verlieren viele Bälle und stellen sich beim Gegentor dilettantisch an. In der ersten Hälfte regiert der Krampf.

44′ Die Deutschen gestatten Leverkusens Abwehrkante Sami Hyypiä so etwas ähnliches wie ein Solo, das erst kurz vor dem Strafraum gestoppt wird.

41′ Die Regie der ARD blendet einen alkoholgeschwängerten Fan ein, der eine schicke Deutschland-Mütze trägt und auf den mauen Kick flucht. Vielleicht sollte er noch ein paar mehr Bier kippen, um ein schönes Fußballspiel zu sehen. Denn das wollten die DFB-Kicker ihren Fans zum Abschluss der Quali zeigen.

35′ Michael Ballack spielt endlich mal einen intelligenten Pass auf den gestarteten Podolski – doch der Abseitspiff von Schiedsrichter Martin Atkinson aus England kommt dazwischen.

Was für ein langweiliger Kick. Die Finnen gehen kein hohes Tempo – wie erwartet. Die deutschen Spieler zeigen ebenfalls wenig Lust, den Ball mal schnell in die Spitze zu spielen. Im Stadion ist es so leise, dass man die Kommandos auf dem Platz verstehen kann.

18′ Da kommen schon die ersten Pfiffe von den Fans. Das Spiel der Deutschen ist aber auch unbefriedigend. Kein Tempo, keine Ideen und gut aufgestellte Finnen: das erschwert natürlich die Aufgabe.

11′ Tor für Finnland: Johannson Au weiha, die deutsche Abwehr zeigt sich nicht gerade in WM-Form. Nach einer Linksflanke sind sich Lahm und Westermann nicht einig, und Jonatan Johannson sagt danke.

8′ Von guter Stimmung auf den Rängen ist nichts zu hören. Da hätte ich nach der Euphorie im Vorfeld mehr erwartet.

18.02 Das Spiel läuft.

17.58 Während die Kollegen Fritsch und Reitz auf der kalten Pressetribüne in Hamburg sitzen, wärme ich mich an meinem gemütlichen Wohnzimmersofa.

17.56 Jogi Löw setzt auf ein 4-3-3 mit Mario Gomez als zentralem Stürmer, unterstützt von Poldi auf Linksaußen und Cacau auf rechts. Hierbei führt er zwei alte Freunde zusammen: Gomez traf in der vergangenen Saison an der Seite von Cacau für den VfB Stuttgart wie er wollte. Vielleicht hat sich der Bundestrainer daran erinnert.

Die deutsche Aufstellung:

Adler – Beck, Friedrich, Westermann, Lahm – Ballack, Hitzlsperger, Trochowski, Podolski – Gomez, Cacau

Die  finnische Aufstellung:

Jääskeläinen – Lampi, Hyypiä, Heikkinen, Sparv – R. Eremenko, Moisander – Johansson, Litmanen, Hämäläinen – Porokara

Vorbericht

Die deutsche Nationalelf will sich nach der vollbrachten WM-Qualifikation heute Abend in Hamburg feiern lassen. Bundestrainer Joachim Löw sagt jedoch: „Mit dem Spiel gegen Finnland beginnt die Vorbereitung auf Südafrika“ und verdeutlicht: Der letzte Auftritt in der WM-Qualifikation ist kein Spaßspiel, denn nun beginnt das Gerangel um die acht bis zehn noch freien Plätze im Kader der Nationalelf. Daher schickt Löw gegen die Skandinavier eine neu zusammengesetzte Startelf auf das Feld.

Andreas Beck, Arne Friedrich, Thomas Hitzlsperger, Piotr Trochowski und Cacau wissen bereits, dass sie von Beginn an auflaufen werden. Michael Ballack, der leicht angeschlagen ist, soll nur eine Halbzeit lang spielen und könnte durch Christian Gentner ersetzt werden.

Interessant ist der Einsatz von Cacau, der eigentlich Brasilianer ist und erst seit Jahresbeginn die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Der Stuttgarter Stürmer ist kein typischer Torjäger wie Miro Klose oder Mario Gomez (der den Beweis in der Nationalelf indes noch schuldig ist).  Er spielt mehr um die Keilstürmer herum und könnte deshalb für das neuerdings bei Löw beliebte 4-3-3 eine Option sein. Der Bundestrainer schätzt an Cacau dessen „Schnelligkeit, Wendigkeit und den Ideenreichtum am Ball“.

Die deutsche Mannschaft zeigte sich in Russland taktisch reif und stabil. Sie hat in der Qualifikation noch kein Spiel verloren und strebt den neunten Sieg an. Doch es muss sich noch einiges verbessern – vor allem in der Abwehr. Die Position rechts in der Viererkette ist nicht zur Zufriedenheit besetzt. Jerome Boateng wirkte in Russland überfordert. Gegen Finnland soll nun der Hoffenheimer Beck seine WM-Tauglichkeit beweisen. In der Innenverteidigung erhält der Herthaner Friedrich eine Chance neben dem gesetzten Per Mertesacker.

Löw erwartet von seinen WM-Kandidaten volles Engagement. Auch um sich nicht noch einmal so zu blamieren wie nach der bestandenen EM-Qualifikation 2007.  Die DFB-Elf verlor damals in München ihr letztes Gruppenspiel mit 0:3 gegen Tschechien. „Das wird uns nicht noch einmal passieren“, verspricht der Bundestrainer.

 

Europa ein Stück näher kommen

Der VfB Stuttgart ist Experte dafür, gegen Saisonende richtig anzugreifen. Bei den Schwaben werden Erinnerungen an das Meisterjahr 2007 aufgefrischt, als der VfB mit acht Siegen in Folge auf Platz eins stürmte. So eine Serie wird den Stuttgartern nun von Expertenseite wieder zugetraut. Zumal das Restprogramm im Vergleich zur Konkurrenz einfacher erscheint. Damit die Aufholjagd nicht unschön gestoppt wird, sollte das Team von Markus Babbel die Dienstreise nach Köln endlich wieder erfolgreich gestalten. Den letzten Sieg gab es 1997. Der fiel mit 5:1 üppig aus. Damals wirbelte noch das magische Dreieck Balakov, Elber und Bobic.

Das aktuelle Zauber-Trio glänzt für den VfL Wolfsburg. Edin Dzeko, Grafite und „Zwetschge“ Misimovic heißen die Protagonisten, die daran schuld sind, dass der VfL als heißester Anwärter auf den Titel geführt wird. Felix Magath will davon natürlich nichts wissen, er tippt immer noch stur auf den FC Bayern. Der Fitness-Fetischist hat bei seinen Spielern gefährliche Nachlässigkeiten entdeckt, ausgelöst durch zu viel Selbstzufriedenheit. Magaths Aufgabe ist es nun, seinen Spielern diese Flausen auszutreiben. Schwer vorstellbar, dass es ihm nicht gelingt. Gegen Leverkusen ist wieder ein hochkonzentrierter, spielfreudiger Tabellenführer zu erwarten. Bayer hingegen ist nach einer ansehnlichen Hinrunde aus dem Tritt geraten. Die Schwächephase mit dem Umzug in die ungeliebte Düsseldorfer Arena zu erklären, wäre zu einfach. Die Mannschaft von Bruno Labbadia ist nach wie vor das beste Auswärtsteam. Dieser Status ist aber in Gefahr.

Bei den Bayern-Fans ist Jürgen Klinsmann schon längst unten durch, die Pfiffe gegen ihn in der heimischen Allianz-Arena waren eindringlich genug. Er wird froh sein, dass ein weiteres seiner Endspiele auf fremden Terrain stattfindet. Dass sich Arminia Bielefeld so zahm zeigt, wie vergangene Woche die Frankfurter, dürfen die Bayern nicht hoffen. Die Ostwestfalen werden die Angst vor dem Abstieg in positive Energie umwandeln. „Du hast keine Angst, hast nichts zu verlieren“, sagt der zuletzt gar nicht mehr so einlochfreudige Torjäger Artur Wichniarek. Ob sich Bayern-Coach Klinsmann davor fürchtet, dass seine Spieler versagen, kann nur vermutet werden. Im Falle einer Pleite in der Provinz muss er sich um seinen Job aber mehr Sorgen als jemals zuvor machen.

Im Badischen steigt am Samstag das Derby zwischen Karlsruhe und Hoffenheim. Die TSG muss nicht nur mit dem Etikett leben, als miserabelster Herbstmeister aller Zeiten die Rückrunde versaut zu haben. Die Macher muss es auch wurmen, dass die jungen Spieler genauso anfällig für die Verlockungen des schnellen Erfolges sind, wie alle anderen Fußballer. In der Vorrunde wäre das nicht für möglich gehalten worden, doch mittlerweile nehmen ein neues Auto oder eine neue Freundin mehr Platz ein, als der Boulevard-Hasser Ralf Rangnick verkraften kann. Die sportliche Entwicklung stockt stattdessen. Nur neun Punkte aus zehn Rückrundenspielen hat das einstmals so zwingend aufspielende Team zustande gebracht. Hinzu kommen so unreife Aktionen von Carlos Eduardo, der wiederholt statt seinem Kopf die Fäuste eingesetzt hat. Mit solchen Undiszipliniertheiten muss sich KSC-Trainer Ede Becker nicht herumschlagen. Dafür tendieren seine Jungs ins andere Extrem: Sie sind lammfromm. Kein Wunder, denn Abwehrkante Maik Franz fehlt schon länger. Außerdem haben sie in Karlsruhe das Toreschießen so gut wie eingestellt. So steigt man ab.

Derby-Zeit ist auch im Ruhrpott. Der VfL Bochum empfängt Borussia Dortmund. Die haben die letzten beiden Spiele gewonnen und nachhaltig gezeigt, keinen Bock mehr auf nervige Remis zu haben. Plötzlich ist für die Borussia wieder ein Platz im Uefa-Cup möglich. Platz fünf ist zwar noch fünf Punkte entfernt. Doch vielleicht spezialisieren sich die Schwarz-Gelben darauf, zu gewinnen, anstatt unentschieden zu spielen. Mit einem Sieg in Bochum wäre eine kleine Serie perfekt. Bochum braucht auch jeden Punkt, um sich weiter von den Abstiegsrängen zu entfernen. Langweilig wird das Nachbarschaftsduell nicht.

Die Abstiegsfrage spielt auch bei der Partie Frankfurt gegen Mönchengladbach eine Rolle. Mehr für die Borussia als für die Eintracht. Die Gladbacher könnten mit einem Dreier in Frankfurt Rang 16 verlassen. Dagegen spricht allerdings die Spielart nach hessischem Muster: gegen die Kleinen gewinnen, gegen die Großen verlieren. Sollte dies der Eintracht gegen den Aufsteiger erneut gelingen, kann für die kommende Saison in Liga eins geplant werden.

Bei Hertha BSC ist das Thema Meisterschaft nach drei Niederlagen in Folge abgehakt. Doch nicht nur das sorgt in der Hauptstadt für verdrießliche Stimmung. Es tobt ein Machtkampf zwischen Präsidium und Geschäftsführung. Im Zentrum steht Manager Dieter Hoeneß, der von einem Präsidiums-Mitglied diffamiert worden sein soll. Der Vorwurf: Hoeneß gönne Trainer Lucien Favre den Erfolg nicht und mache intern dessen Arbeit schlecht. Die Geschäftsführung wehrt sich gegen diese Behauptung. In Berlin haben es die Spieler wirklich nicht leicht, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Gegen Werder Bremen möchte der frühere Publikumsliebling Marko Pantelic sportliche Akzente setzen. Andrej Woronin, der den auf die Bank verbannten Serben in der Gunst der Fans abgelöst hat, ist gesperrt. Für Werder ist das Geschäft Bundesliga zweitrangig geworden. Auf Platz zehn sind ambitionierte Ziele nicht mehr angesagt. Dafür ist im DFB-Pokal und Uefa-Cup noch alles drin.

Der Hamburger SV ist wie Werder beseelt von den Pokal-Wettbewerben. Aber auch in der Meisterschaft sind die Hamburger noch konkurrenzfähig. Mal schauen, ob dem HSV wie in den Jahren zuvor auf den letzten Metern die Luft ausgeht. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus. Gegner Hannover ist geradezu prädestiniert dafür, das Hamburger Punktekonto zu vergrößern. 96 weist eine erbärmliche Auswärtsbilanz von zwei Pünktchen auf. Der HSV hat hingegen im eigenen Stadion erst einmal verloren.

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Schalke 04 gegen Energie Cottbus: Das klingt nicht gerade nach großem Spektakel. Beide Teams haben es bislang erfolgreich vermieden, den Geschmack von Fußballästheten zu treffen. Die Schalker könnten indes für ein bisschen mehr Spielkultur sorgen. Sie müssen sich nur an die vergangene Saison erinnern. Vor fast genau einem Jahr schossen die Schalker unglaubliche fünf Tore gegen Cottbus, vier davon gingen auf das Konto von Kevin Kuranyi. Damals feierte das Trainertrio Mike Büskens, Youri Mulder und Oliver Reck einen erfolgreichen Einstand.

Aktuell setzt der königsblau gefärbte Teil des Ruhrgebiets seine Hoffnungen in dasselbe Interims-Gespann. Ein erneuter Sieg gegen den Tabellenvorletzten würde Schalke den Europapokalplätzen ein Stück näher bringen. Weit entfernt von einer Lösung in der Manager-Frage sind weiterhin die Vereinsbosse. Ein Nachfolger für Andreas Müller ist nicht in Sicht. Gute Voraussetzungen für den Schlussspurt in der Liga sind das nicht.