Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Ein Besuch beim Holocaust-Mahnmal in Berlin

 

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“
Primo Levi

Gestern war ich mal wieder mit meiner Freundin beim Berliner Holocaust-Mahnmal. Wir sind öfter hier und wandern durch das Stelenfeld. Erstmalig waren wir auch im unterirdisch gelegenen Ort der Erinnerung. Die Art und Weise, wie multimedial und modern die deutsche NS-Vergangenheit und der Völkermord an den Juden Europas aufgearbeitet wird, ist einnehmend. Die Informationen sind auf das Wesentliche reduziert, so dass sich der Eindruck des Gesehenen, Gehörten und Gelesenen immens verstärkt. Obwohl wir natürlich beinahe täglich mit den schrecklichen Fakten des Judenmordes konfrontiert wurden hat uns der Aufenthalt hier ein weiteres Mal in stilles und einsames Gedenken gestürzt. Es ist einfach nicht zu fassen. Ich glaube, deswegen hat uns die Einfachheit der Darstellung, diese rationale Herangehensweise auch einen neuen Zugang zu den Greueltaten gegenüber der jüdischen Gemeinde Europas geschaffen.

Diesen kalten Fakten steht die konsequente Darstellung persönlicher Schicksale gegenüber. Kurze Auszüge aus Postkarten, Briefen oder Tagebüchern von deportierten Juden aus ganz Europa sowie die akkustischen Nachzeichnungen von jüdischen Lebens- und Leidenswegen haben bei uns tiefe Betroffenheit ausgelöst.

Beim Rausgehen durchtränkte sich meine Betroffenheit aber auch mit einem Gefühl von Stolz. Stolz darüber, das das demokratische Deutschland es schafft sich seiner monströsen Vergangenheit zu stellen. Und darin liegt auch die Verantwortung eines jeden Einzelnen von uns. Gegen das Vergessen anzukämpfen, sich immer wieder mit der eigenen Geschichte auseinander zu setzen und darüber zu diskutieren. Mit unseren Verwandten, Freunden, Kindern und Kollegen.

Als wir danach wieder im Taxi auf dem Weg nach Hause waren, stellten wir uns die oft diskutierte Frage, warum sich eigentlich so wenige Soldaten gegen die Massenvernichtungen des Regimes und den Krieg aufgelehnt haben. Wie konnten junge Männer massenhaft selbst Kinder und Frauen töten und in Massengräbern verscharren? Unser iranischer Taxifahrer stieg in unsere Diskussion ein und erzählte von seinen Kriegserfahrungen als junger Soldat in der iranischen Armee beim Iran-Irak-Krieg in den 8oer Jahren. Er sagte, das die Emotionen die während des Krieges in ihm hochpeitscht wurden, die Brutalität und der pure Kampf ums eigene Überleben, nach dem Krieg für ihn nicht mehr nachvollziehbar waren. Wir dürfen es nie mehr soweit kommen lassen.