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Was ist eigentlich ein „fremdenfeindlicher Übergriff“?

 

Das Thema „Ausländergewalt“ steht in diesen Tagen ganz oben auf der Agenda der Boulevard-Zeitungen und bei Ministerpräsidenten, die um ihre Wiederwahl fürchten müssen. Konkret geht es um einen Überfall auf einen Rentner in München. Da es sich bei den Tätern um Jugendliche handelt, die aus Griechenland bzw. der Türken kamen, wird ein generelles Problem konstruiert. Weiterhin regt die „Bild“-Zeitung in ihrem „Interview“ mit Hessens Ministerpräsident Roland Koch an, da es bei den Gewaltdelikten die Kategorie „ausländerfeindlicher Hintergrund“ gebe, müsste doch auch eine Kategorie „deutschfeindlicher Hintergrund“ eingeführt werden. Ganz schön pfiffig.

Dumm nur, dass es die Kategorie „ausländerfeindlich“ in der Statistik gar nicht gibt. Aber mit solchen Kleinigkeiten gibt sich die Zeitung mit den großen Buchstaben nur ungern ab. Was die „Bild“ wohl meinte, ist die Kategorie „mit fremdenfeindlichem Hintergrund“. In diese Statistik kann man die Tat von München gerne aufnehmen, sollten die Täter ihr Opfer ausgesucht haben, weil er Deutscher war (was allerdings nicht bewiesen ist. Sie haben ihn offenbar ausgeguckt, weil er sie in der Bahn gebeten hatte, nicht zu rauchen. Ich empfehle in diesem Zusammenhang, an die Argumentation im Fall Potsdam zurückzudenken, wo ein Schwarzer während ein Schlägerei rassistisch beschimpft wurde, es sich aber nicht um eine rassistische Tat gehandelt haben soll…)

Die Konstruktion des „Fremden“

Einfach mal angenommen, die Motivation der Täter war Hass auf die Gruppe aller Deutschen, dann kann dieser Überfall (oder Übergriff? wie es gerne im Polizeideutsch bei Überfällen von Nazis heißt) in die Statistik über fremdenfeindliche Gewalt aufgenommen werden. Denn die Motivation der Täter war ja – dieser Annahme folgend – Hass auf das ihnen Fremde, in diesem Fall auf die Deutschen also.

Aber halt, werden nun einige Leute rufen: „Deutsche sind doch gar keine Fremden.“ Nun, da wird endlich ganz offensichtlich, was den Begriff „fremdenfeindlich“ so unakzeptabel macht: Es wird nämlich dabei immer die Perspektive des Täters eingenommen. Wenn ein schwarzer Mann, der seit 30 Jahren in Deutschland lebt, von Rassisten verprügelt wird, spricht die Polizei von fremdenfeindlicher Gewalt und der Vorfall taucht, wenn überhaupt, in der Kategorie „mit fremdenfeindlichen Hintergrund“ auf. Damit wird das schwarze Opfer zum Fremden gemacht. Und das nur, um den Begriff rassistisch zu vermeiden.

Eine sinnvolle Option ist es auch, von „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ zu sprechen. Dieser Begriff passt auch für feindliche Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber Behinderten, Lesben, Schwulen, Frauen, Obdachlose und andere. Auch gegenüber der Gruppe der Deutschen, sollte dies tatsächlich die Motivation der Tat von München gewesen sein.

„Kuschelpädagogik“ in der Bild?

Der „Bild“ und Roland Koch ist dies alles herzlich egal, sie wollen den Wahlsieg der CDU in Hessen. Dafür ist jedes Mittel recht, auch das bewährte der Stimmungsmache gegen Ausländer, die in Wirklichkeit nur auf dem Papier Ausländer sind, da sie nicht im Ausland leben, sondern hier. Und dies „schon sein ganzes Leben“, wie die „Bild“ über einen der Schläger von München schreibt. Und im letzten Absatz des Artikels heißt es dann: A.`s Vater sei 2001 aus Deutschland abgeschoben worden. Er sei Alkoholiker gewesen und habe Frau und Kinder geschlagen. Will die „Bild“ hier etwa Verständnis für den Jugendlichen, der selbst ein Opfer war, wecken und „Kuschelpädagogik“ betreiben, gegen die sie sonst stets zu Felde zieht? Nein, natürlich nicht. Die „Bild“ fordert ein, auch der Jugendliche sollte – genau wie sein Vater – endlich abgeschoben werden…