Alter Lieder wollte Lehrer B. neu vermitteln, jedoch keine alten Volksweisen. Im Musikunterricht forderte der Lehrer am Willms-Gymnasiumin Delmenhorst eine 10. Klasse auf Naziliedgut zu singen. Eine Strafanzeige von den niedersächsischen Behörden hat er nicht mehr zu erwarten.
Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Oldenburg kam überraschend. Im Musikunterricht hatte B. die 10. Klasse singen lassen: „Vorwärts, vorwärts. Unsere Fahne flattert uns voran“, und: „Wir marschieren für Hitler. Durch Nacht und durch Not“. Passend zum Lied der „Hitler Jugend“ sollten die Schüler gleich den Hitlergruß zeigen. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg stellte jedoch das Ermittlungsverfahren gegen B. ein. Denn, so erklärt Staatsanwalt Rainer du Mesnil de Rochemont, die Schulklasse sei kein öffentlicher Raum, so sei auch keine „nicht übersehbare Zahl von Personen betroffen“ gewesen. Erst dann, betont der Staatsanwalt, wäre der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.
Mit Fassungslosigkeit reagierten Eltern auf die Einstellung der polizeilichen Ermittlungen. Es sei ein Unding, dass die Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der möglichen Volksverhetzung nicht erfüllt sehe, sagt Schulelternratsvorsitzender Ralph Hampe dem „Delmenhorster Kreisblatt“. Der Schulelternrat wundert sich über die Auslegung des Öffentlichkeitsbegriffs. Schule müsse doch, so Hampe, einen anderen Stellenwert erfahren, auch wenn keine Öffentlichkeit im klassischen Sinn gegeben sei. „Unterricht ist für Kinder schließlich nicht freiwillig“, betont Hampe.
In der Landesschulbehörde ist der „Fall“ allerdings auch noch nicht abgeschlossen. Im Gegenteil. Alexandra Mosbach, stellvertretende Pressesprecherin der Landesschulbehörde, sagt der „taz“: „Die Akten haben wir noch nicht. Wir schauen uns das aber sehr genau an“. Die Frage des nicht-öffentlichen Raums „Schulklasse“ ist auch strittig. Gerhard Bücker vom Landespräventionsrat Niedersachsen will sich dazu noch nicht äußern, sondern zunächst die Rechtslage prüfen. „Staatsanwaltschaften bewerten das sehr unterschiedlich“, sagt Cornelia Habisch, Geschäftsführerin des „Netzwerks für Demokratie und Toleranz in Sachsen-Anhalt“. Sie betont, wäre die Schule kein „öffentlicher“ Raum, könnte dort jeder jedes Symbol des Nationalsozialismus aufhängen.
Beschwerden von Eltern hatten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ausgelöst. Gleich nach dem Vorfall Anfang Februar hatten auch Schüler sich bei der Schulleitung beschwert. In einem Brief informierte Schuldirektor Burkhard Leimbach inzwischen Schüler und Eltern, dass der Lehrer B. „wegen seines Fehlverhaltens“ nicht mehr an die Schule zurückkehren werde.
Seit rund eineinhalb Jahren ist B., der Beamter in der Probezeit ist, an dem Gymnasium. Inzwischen hat er sich krank gemeldet. Am Dienstag fand ein Gespräch zwischen Schulleitung, Landesschulbehörde und Lehrer B. statt, sagt Mosbach. B. habe darin gesagt, er habe das Lied nur zu „Demonstrationszwecken“ singen lassen.
Nun wartet die Behörde auf ein Gutachten eines Amtsarztes, der die Dienstfähigkeit von B. untersucht. Falls dieser dienstfähig geschrieben werde, so Mosbach, könne man ihn nicht entlassen. Für diesen Fall steht eine Versetzung an. Eine „enge Begleitung“ des Lehrers durch die Behörden würde dann aber stattfinden.