Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) hat sich laut einem ddp-Bericht gegen Vorwürfe aus Reihen der SPD gewehrt, die Mitarbeit an einem neuen NPD-Verbotsverfahren gezielt zu verweigern. Der NPD-Landesverband tritt in Baden-Württemberg „sehr passiv“ auf und lässt „keine eigenen Verbotsgründe“ erkennen, teilte Rech in Stuttgart mit. Baden-Württemberg habe sich deshalb nicht an der Materialsammlung des Bundesinnenministeriums zur NPD beteiligen können. Rech sagte zudem, dass er ein neues NPD-Verbotsverfahren ablehnt. Hierfür müssten die V-Leute abgezogen werden. Dann gebe es keinen Einblick in das Innenleben der NPD, „den wir aber brauchen“.
Die NPD ist also „sehr passiv“, aber ohne Einblicke gehe es nicht? Passt nicht recht zusammen. Vielleicht doch: Denn die Beurteilung „sehr passiv“ wirft einige Fragen auf. Hier Beispiele für NPD-Aktivitäten in Baden-Württemberg in den vergangenen zwölf Monaten, die auf NPD-BLOG.INFO dokumentiert wurden.
„So oft wie 2007 waren wir nie in den Schlagzeilen“
Am 02. März 2008 führten die neonazistischen Jungen Nationaldemokraten Baden-Württemberg im “Raum Karlsruhe” ihren Landesparteitag durch – “störungsfrei und in harmonischer Atmosphäre”, wie es auf den Seiten der JN heißt. Aus dem Bericht auf den Seiten der JN lässt sich die Strategie der Nachwuchs-NPDler teilweise gut ablesen: Der JN-Landesvorsitzende Lars Gold zog folgende Bilanz: “2007 habe man zwar deutlich weniger überregionale Demonstrationen durchgeführt, dafür hätten jedoch umso mehr dezentrale und kreative Aktionen stattgefunden, die auch in der Systempresse für regelmäßige Präsenz und Resonanz sorgten. „So oft wie im Jahr 2007 waren wir glaube ich noch nie in den Schlagzeilen”, sagte Gold und betonte in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit regelmäßiger politischer Arbeit vor Ort, die oftmals mehr Wirkung entfalte als eine landesweite Demonstration. Auch die politische Schulungsarbeit innerhalb des Landesverbandes werde im neuen Jahr weiter intensiviert werden, ebenso wie gemeinsame Ausflüge, Zeltlager und sonstige Aktivitäten, die das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der JN im Ländle weiter stärken und vertiefen sollen.” (Siehe dazu: Baden-Württemberg: JN setzen auf “dezentrale Aktionen”)
„Volksgemeinschaft und Kriegsschuldlüge“
Im Februar 2008 führten die Jungen Nationaldemokraten an ihrem “Stützpunkt Bodensee” eine Veranstaltung mit zwei Veteranen des 2. Weltkriegs durch. Sie veröffentlichten dazu einen interessanten Bericht. In diesem lässt sich ablesen, wie sehr der Nationalsozialismus und die Angriffskriege Deutschlands bei der JN und auch bei der NPD offenbar weiter glorifiziert werden. Die modernen Nazis präsentieren sich einmal mehr offen als Ewiggestrige in neuen Kleidern. Ein kleiner Ausschnitt: „Die Kriegsschuldlüge wird unseren Kindern in der Schule ebenso eingetrichtert, wie die perfide Behauptung, Vertreibung, Mord, Folter und Vergewaltigungen der Roten Armee seien lediglich „Vergeltungsakte” gewesen für das rücksichtslose Vorgehen Deutscher Truppen beim Einmarsch in die UdSSR. […] Der Kontakt mit den Altvorderen unseres Volkes kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Begegnungen wie diese schließlich sind es, die den von uns vertretenen Volksgemeinschaftsgedanken erst wirklich erlebbar machen.“
Link zu “Death to ZOG”
Dieser Bericht wurde auch auf der Seite des “Nationalen Beobachter Bodensee” (NBB) veröffentlicht. Diese Seite wird von der NPD-Bodensee verlinkt. Beim NBB finden sich Banner mit der Aufschrift “Death to Zog” (Tod der zionistisch okkupierten Regierung), als Fav-Icon bietet die Seite einen SS-Totenkopf, verantwortlich für das Angebot zeichnet sich der Schweizer Neonazi und Querfront-Vertreter Mario Frisco. Für die Seite der NPD-Bodensee wird Alexander Neidlein als Verantwortlicher genannt. (Siehe dazu: Interne Broschüre nicht gelesen? Die NPD und die “Kriegsschuldlüge”)
„BRD nicht annähernd eine Demokratie“
Die `Partei National Orientierter Schweizer` (PNOS) hielt am 17./18. November 2007 ihren Parteitag ab. Mit dabei: Die NPD-Funktionärin Edda Schmidt, auch beim `Ring Nationaler Frauen` aktiv, früher laut Wikipedia offenbar bei der mittlerweile verbotenen `Wiking-Jugend`. Vor rund 100 PNOS-Anhängern prangerte Schmidt laut PNOS-Mitteilung die Verfahren gegen Holocaust-Leugner in Deutschland an. In dem PNOS-Bericht heißt es: `Anhand ihrer eigenen Biografie schilderte Schmidt die politischen Zustände in der BRD, wo sich erneut despotische Kräfte die Macht unter die Nägel gerissen haben. Die Beispiele Ernst Zündel und Germar Rudolf verdeutlichen, dass es sich bei der BRD nicht einmal annähernd um eine Demokratie handelt, sondern höchstens um einen Lakaienstaat Siegers Gnaden.` Die Hausfrau Edda Schmidt trat laut wen-wählen.de bei der Bundestagswahl 2005 im Wahlkreis Tübingen für die NPD an – von Siegers Gnaden sozusagen… (Siehe dazu: NPD-Funktionärin: `BRD nicht annährend eine Demokratie`)
Nazi-Aufmarsch in Tübingen
In Tübingen demonstrierten im Sommer 2007 etwa 10.000 Menschen gegen einen Aufmarsch von etwa 230 Mitgliedern und Anhängern der `Jungen Nationaldemokraten`. (Siehe dazu: Tübingen: 10.000 Menschen demonstrieren gegen JN-Aufmarsch.)
Neonazi-Band aus Stuttgart spielt bei NPD-Veranstaltung Am 30. Juni 2007 fand in Saarbrücken ein von der NPD-Saar veranstaltetes Konzert mit rund 300 Besuchern aus dem gesamten Bundesgebiet und dem Ausland statt. Zuvor war das in Baden-Württemberg geplante Neonazikonzert europäischer Rechtsrock-Bands verboten worden. Die Nazi-Rocker umgingen die Verbotsverfügung dem Bericht zufolge, indem sie ihren in Ulm geplanten Auftritt kurzerhand nach Saarbrücken verlegten, wo ihnen die NPD eine Bühne bereitstellte. Die Antifa Saar/ Projekt AK machte darauf aufmerksam, dass bei dem Konzert in Saarbrücken Symbole der verbotenen Neonaziorganisation Blood & Honour verwendet worden seien. Die Polizei sei über diesen Umstand informiert gewesen, hätte sich aber geweigert, einzuschreiten. Saar-NPD-Chef Frank Franz lobte das angenehme Zusammenarbeiten mit der Polizei. Unter dem Titel ‘European Revolution Tour 2007′ traten bei dem Konzert laut Ankündigung die Bands Carpe Diem (Stuttgart), Brigade M (Niederlande), Fraction (Frankreich) sowie ZetaZeroAlfa (Italien) auf. (Siehe dazu: Nazi-Konzert nach Verbot kurzerhand ins Saarland verlegt)
NPD-Mitglieder aus BW „überrennen“ Polizei in Berlin
Nach Verboten von NPD-Demonstrationen Anfang Juni 2007 in Schwerin und Luswigslust war die rechtsextreme Partei in verschiedene norddeutsche Städte sowie nach Berlin ausgewichen. Besonders ein Aufmarsch in Berlin durch das Brandenburger Tor sorgte für ein breites Medienecho. Die Berliner Polizei war Medienberichten zufolge von dem Neonazi-Aufmarsch überrascht worden, ‘die wenigen Polizisten vor Ort wurden förmlich überrannt’, schreibt die Berliner Morgenpost. Mehrere Beamte seien angegriffen worden. “Dabei kam es zu Straftaten wie Körperverletzung, schwerem Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte”, sagte eine Polizeisprecherin den Angaben zufolge. Die NPD-Anhänger kamen der Polizei zufolge aus Bayern und Baden-Württemberg. (Siehe dazu: Nach Demo-Verbot: NPD marschiert dezentral auf)
„Aufbruchstimmung im rechtsextremen Lager“
Weiterhin war in Baden-Württemberg in den Jahren 2003 bis 2005 ein stetiger Anstieg von rechtsextrem motivierten Gewalttaten zu verzeichnen gewesen. In dem Zeitraum sei die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten von 806 auf 1071 gestiegen, die der Gewalttaten von 56 auf 71. Diese Daten nannte kein geringerer als Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech – bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2005. Im Bericht sei von einer bundesweiten „Aufbruchstimmung im rechtsextremistischen Lager“ die Rede. Dazu passe die wachsende Vernetzung von Parteien und Organisationen. Die Unterstützung des Nationalen Bündnisses Heilbronn durch DVU, NPD sowie deren Jugendorganisation DP, ehemalige Republikaner-Mitglieder und die „Freiheitliche Initiative Heilbronn“ sei dafür ein Beispiel, heißt es weiter. Fast verdoppelt habe sich zudem die Zahl der Skinhead-Konzerte.
„Weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind“
Im März 2008 stellte Rech den aktuellen Verfassungsschutzbericht vor. Dabei sagte er laut Mitteilung: „Der baden-württembergische Verfassungsschutz beobachtet nach wie vor mit großer Wachsamkeit und Konsequenz alle Formen von Extremismus, weil wir weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind sind.“ Diesen Eindruck könnte man allerdings bekommen, schaut man sich die weitere Pressemeldung zu dem Verfassungsschutzbericht an. Darin beschäftigt sich Rech zunächst ausführlich mit der Partei „Die Linke“ und bescheinigt dieser eine „Verfassungsfeindlichkeit“. Wörtlich heißt es: „Scharf kritisierte Rech die Öffnung der SPD zur Partei DIE LINKE.. Auch die Vereinigung mit der WASG könne über die Verfassungsfeindlichkeit nicht hinwegtäuschen.“ Und weiter: „Wir dürfen vor der Linkspartei nicht kapitulieren, denn sie sind Feinde unserer Demokratie.“
Die Abschnitte zu NPD und Neonazis sind viel weiter unten zu finden, zudem weit weniger ausführlich und erschöpfen sich in Allgemeinplätzen. Beispiel: „Im Jahr 2007 war auch in Baden-Württemberg eine verstärkte Umsetzung der sogenannten Wortergreifungsstrategie durch Rechtsextremisten zu beobachten.“ Konkrete Beispiele? Fehlanzeige.
Unterstützung für Oettingers Trauerrede
Zum rechten Studienzentrum Weikersheim hatte Rech übrigens im Zusammenhang mit Verfassungsschutzberichten bislang gar nichts zu sagen. Beim Skandal um die Trauerrede von Ministerpräsident Oettinger für den ehemaligen NS-Marinerichter Filbinger schwieg Rech hingegen nicht, sondern verteidigte Oettinger.
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