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Distanzprobleme zu Rechtsextremen

 

Den Besuch hatte sich Wjatscheslaw Daschitschew sicher anders vorgestellt. Doch am Freitag war die Einladung an den Rechtsextremisten aus Moskau in Kiel hinfällig. Bei der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ (SWG) sollte er referieren. Mitten im Kommunalwahlkampf hatte der CDU-Ratsherr Stephan Ehmke für die SWG die „Sonderveranstaltung“ geplant. Nun wird Distanz zur SWG gefordert.

„Wir sagen ab“, erklärte auch Ehmke, der schleswig-holsteinische Regionalverantwortliche der SWG, gleich am 9. Mai. Um 19:30 sollte der Abend mit Daschitschew, Mitglied der Moskauer Akademie der Wissenschaft und einst ehemaliger außenpolitischer Berater Michail Gorbatschows, stattfinden. Die Türen des Saals „Kaiser Friedrich“ blieben aber geschlossen.

Politischer Druck dürfte bei Ehmke allerdings erst zum Umdenken geführt haben. Denn am Donnerstag hatte die taz berichtet, dass Daschitschew nicht nur bei der NPD, der DVU-nahen „National Zeitung“ und der „Gesellschaft für freie Publizistik“ herzlich willkommen ist. Er ist zudem im Vorstand des rechtsextremen Netzwerk „Kontinent Europa Stiftung“. Auch verschiedene Programme des NDR strahlten aus, dass die Verfassungsschutzbehörden (VS) Norddeutschlands Daschitschew als „internationale Größe des Rechtsextremismus“ bezeichnen. In der Einladung des SWG bezeichnet Ehmke ihn jedoch als einen „herausragenden Vertreter der russischen Politik der vergangenen zwei Jahrzehnte“. Nun sagte Ehmke zur taz, dass „unvollständige Informationen“ zu der Einladung geführt hätten. „Hätten wir diese Informationen gehabt, wäre keine Einladung erfolgt“, betonte er und beteuerte, gegen „jede Form des Extremismus“ zu sein. Beim NDR rutschte ihm jedoch über die Lippen „mit Bedauern abgesagt“ zu haben.

In der Kieler CDU-Ratsfraktion, sagte CDU-Fraktionschef Robert Cordes, sei „Herr Ehmke nie mit rechtslastigen Aussagen aufgefallen“. Er würde vielmehr hervorragend mitarbeiten. Die SWG sei ihm indes nicht bekannt. Nicht so voll des Lobes für Ehmke ist Lutz Oschmann, Grüner Fraktionschef. In der schleswig-holsteinischen Stadt koalieren die Grünen mit der Union. „Herr Ehmke ist ein Einzeltäter“, hob Oschmann hervor und betonte: „Wir begrüßen, dass er die Veranstaltung absagte“. Seine Begründung den Referenten nicht genau gekannt zu haben, mochte Oschmann nicht so recht folgen.Schon am Vormittag reagierte der „Deutsche Marinebund“ auf die Nachrichten.

In Laboe sollte am Donnerstag Daschitschew bei der Eröffnung der „Sonderausstellung“ im Marine-Ehrenmal „Schwerer Kreuzer Prinz Eugen“ sprechen. Kurzfristig war er bei diesem Dachverband von Marinekameradschaften und –vereinen eingesprungen, heißt es beim „Marinebund“. Nach Medienberichten folgte eine schnelle Ausladung. Der Präsident des Marinebundes, Karl Heid, erklärte: „Das wäre eine Diskussion geworden, die wir vermeiden wollen“.

Immer wieder lädt die SWG, um den langjährigen Bundesvorsitzenden Reinhard Uhle-Wettler, einschlägige Referenten ein. Bereits 2001 erklärte Hamburgs Vize-VS-Chef Manfred Murck zur SWG: „Uns sind personelle Überschneidungen zu rechtsextremen Organisationen bekannt.“ Die SWG, betonte der emeritierte Professor Wolfgang Gessenharter von der Helmut-Schmidt-Universität unlängst ist „ein wichtiges Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“.

Seit über 45 Jahren kämpft die SWG, die der einstige Joseph-Goebbels-Referent Hugo Wellems 1962 mitbegründete, gegen die „alliierte Umerziehung“ und die „68er Wertezersetzung“. Vor gut drei Jahren, 2005, hatte Ehmke in Kiel Martin Hohmann empfangen. Über 100 Gäste waren zu der SWG-Veranstaltung im Saal „Kaiser Friedrich“ mit dem geschassten CDU-Bundestagsabgeordneten gekommen. Im November 2004 musste Hohmann die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wegen seiner Rede zum Nationalfeiertag 2003 verlassen. Er hatte über die „Juden“ als „Tätervolk“ sinniert und auf antisemitische Überlegungen zurückgegriffen. Hier bei Ehmke wurde er herzlich empfangen.

Der DGB Nord-Vorsitzende Peter Deutschland forderte von der CDU sich von der SWG zu distanzieren: „Sie muss hier eine klare Linie ziehen, sonst muss man sich fragen, ob sie überhaupt in der Lage ist, sich ernsthaft mit rechtsextremen Tendenzen in unserer Gesellschaft auseinander zu setzten“.

Eine Grenzziehung hält auch SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner für dringend geboten. Er forderte: „Klare Worte“ vom CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen und CDU-Kreischef Thomas Stritzl und fragt: welche Konsequenzen das für Ehmkes Kandidatur zur Kommunalwahl hat. Die schleswig-holsteinische CDU teile derweil per Presseerklärung mit, die Absage zu begrüßen: „Das schnelle Handeln zeigt, mit welcher Entschlossenheit sich die CDU gegen Personen oder Organisationen wendet, die nicht auf dem Boden des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat stehen“.

Die Distanzierungsbemühungen von Ehmke karikierte aber Uhle-Wettler. Per Mail an die taz schimpfte der Uhle-Wettler über die „Nazijäger und Gesinnungspolizisten“. Als Datei gleich angehängt, ein Artikel über Daschitschews besondere Leistungen. Der Beitrag war auch extra auf der SWG-Homepage bereitgestellt worden.