Nach der Kommunalwahl in Sachsen, bei der die NPD im Landesdurchschnitt mehr als fünf Prozent der Stimmen geholt hat, steht das Thema Rechtsextremismus wieder auf der öffentlichen Agenda. Im Blickpunkt: Reinhardtsdorf-Schöna. Dort erreichte die völkische Partei mehr als 25 Prozent der Stimmen, wurde zweitstärkste Kraft.
Zahlreiche großen Medien berichten nun ausführlich über die sächsische Gemeinde. Allerdings ist die Geschichte nicht wirklich neu: Reinhardtsdorf-Schöna ist bereits seit Jahren als braune „Hochburg“ berüchtigt; bei früheren Wahlen erreichte die NPD dort ähnliche Ergebnisse. Welche Motivation hinter vielen Reportagen und Berichten aus der Gemeinde steckt, schreibt zumindest die Abendzeitung gleich ganz offen: „Zum Gruseln: Die NPD…“
Blick in den braunen Abgrund
Natürlich ist es verlockend, einen Blick in die Abgründe der ostsächsischen Provinz zu werfen. Doch was bringt das? Ist es sinnvoll, dass Spiegel-Online, Berliner Kurier, Stern und viele weitere ausführlich über Reinhardtsdorf-Schöna und seine etwa 1500 Einwohner berichten? Ja und Nein. Nein, wenn einfach nur die Ignoranz der Bewohner gegenüber der NPD abgebildet wird – so wie es in den meisten Berichten getan wird.
Ja, wenn anhand dieses Beispiels festgestellt wird, dass rechtsextreme Einstellungen in großen Teilen der Bevölkerung salonfähig sind, dass sich die NPD in einigen Regionen „festbeißt“, dass es sich beim Rechtsextremismus nicht um ein Jugendphänomen handelt und dass menschenfeindliche Einstellungen nicht durch die Schaffung von ein paar Arbeitsplätzen verschwindet. Denn in Reinhardtsdorf-Schöna treten keine halbwüchsigen arbeitslosen Vollzeitalkoholiker für die NPD an, sondern eben beispielsweise der örtliche Heizungsbauer. Der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse behauptet im Tagesspiegel dennoch: „Wer sich für die NPD aufstellen lässt, sind in aller Regel Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben. Es sind keine angesehenen Leute aus der Mitte der Gesellschaft.“ Das stimmt zwar zum Teil, aber eben nur zum Teil.
Glas halb voll oder halb leer?
Diskutiert wird nun auch die Frage, ob die 5,1 Prozent für die NPD ein Erfolg oder eine Pleite für die Rechtsextremisten darstellt. Immerhin hatte sie bei der Landtagswahl vor vier Jahren 9,2 Prozent der Stimmen geholt. Der Generalsekretär der SPD, die in Sachsen mit der NPD etwas gleichauf liegt, Dirk Panter, packte laut einem Bericht des mdr tatsächlich mal wieder die Verniedlichung „Protestwahl“ aus. Er rief die demokratischen Parteien auf, „endlich gemeinsam den braunen Sumpf auszutrocknen“. Angesichts der Tatsache, dass die NPD wie erwähnt seit 2004 im Landtag von Dresden sitzt und in Sachsen ihren wichtigsten Landesverband hat, systematisch ihre Strukturen ausbaut, eine erstaunlich oberflächliche und hilflos wirkende Aussage.
Sehr erstaunlich auch die Stellungnahme der CDU. Diese will mit „maßgeschneiderten Lösungen“ auf die Wahlerfolge der NPD reagieren. Generalsekretär Michael Kretschmer sieht nach eigener Aussage gute Chancen, die NPD bei der Landtagswahl 2009 aus dem Parlament zu vertreiben. Bevor man Maßnahmen in einzelnen Gemeinden plane, müssten die Wahlergebnisse aber genau analysiert werden. Aha.
Stammwählerschaft
Die Grünen bewiesen mehr Realitätssinn: Die Landesvorsitzenden Eva Jähnigen und Rudolf Haas sprachen dem mdr-Bericht zufolge von einer besorgniserregenden Entwicklung. Denn: „Trotz des gewaltbereiten Umfeldes und einer offensichtlichen Politikunfähigkeit der NPD stabilisiert sich die Partei in Sachsen.“ Fraktionschefin Antje Hermenau sagte: „Ich bin eher ein bisschen erleichtert, dass es nicht zehn Prozent sind“. Die NPD habe ein Kernwählerpotenzial und könne es auch wieder bei der Landtagswahl 2009 ins Parlament schaffen.
Die NPD komme in Reinhardtsdorf-Schöna aus der Mitte der Gesellschaft, verfüge über eine ansehnliche „Stammwählerschaft“, so Petra Schickert vom Mobilen Beratungsteam des Kulturbüros Sachsen, gegenüber Spiegel Online. Von einer Protestwahl könne in der Sächsischen Schweiz längst keine Rede mehr sein. Diese Stammwählerschaft wieder dazu zu bringen, demokratischen Parteien ihre Stimme zu geben, sei fast schon aussichtslos, so Schickert.
Überzeugte und keine Frustrierten
Der Bürgermeister der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna (Freie Wähler), Olaf Ehrlich, sagte gegenüber der Nachrichtenagentur ddp, er habe keine schlüssige Erklärung für das Ergebnis der NPD. Es gebe verschiedene Gründe, aber aus seiner Sicht lasse sich eine Tatsache nicht bestreiten: „Die NPD hat eine Stammwählerschaft herausgebildet.“ Vier von fünf ihrer Wähler im Ort seien wahrscheinlich Überzeugte und keine Frustrierten, sagte Ehrlich.
Tatsächlich kann die NPD im Landtag offenbar Skandale produzieren wie sie will – und auch mit ehemaligen Kadern der SSS bei Wahlen antreten – besonders in Ostsachsen gehört sie zum politischen Inventar – ähnlich wie in Ostvorpommern beispielsweise. Das ist alles aber nicht neu. Focus-Online brachte es durch seine Überschrift auf den Punkt: „NPD-Erfolg schreckt Parteien auf.“ In einigen Tagen ist das Thema dann erst einmal wieder vergessen. Was bleibt? Die NPD, zumindest vorerst. Für ihr politisches Überleben wird es nun entscheidend sein, wie sie mit ihren internen Probleme umgeht und dann das Superwahljahr 2009 übersteht. Danach wird sich zeigen, ob sich die Rechtsextremisten tatsächlich längerfristig auf parlamentarischer Ebene etablieren können. Die Basis ist da.
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