Wie das Grimme-Insitut kürzlich mitteilte, hat der „Störungsmelder“ einen Preis gewonnen – nämlich den Grimme Online Award (GOA). Für Informationen über Rechtsextremismus auf hohem qualitativen Niveau und eine nicht minder gut ausgeprägte Möglichkeit, im Kommentarteil über Rechtsextremismus zu diskutieren. Natürlich: Wer jetzt rumzetert, gilt als Spielverderber. Aber eigentlich sollten gerade Preise dazu Anlass bieten, über das eigene Tun einmal gründlich nachzudenken.
Besonders beeindruckt hat die Jury offenbar das Niveau der Diskussion. Nicht wenigen gelten die Möglichkeiten des Web 2.0 ja als ein neuer Schritt zu einer diskursiven Superdemokratie. Nach mehr als einem halben Jahr kann ich mich dieser Euphorie nicht anschließen: Viele Diskussionen haben zwar viel Zeit und Kraft gekostet, aber häufig kaum etwas eingebracht. Und das galt vor allem immer dann, wenn es um wirklich Gewichtiges ging, wenn das kosmische Grundrauschen einmal verlassen wurde.
Im Grunde ist das Bloggen doch nur eine modernere Form von Talkshows privater Fernsehsender am wochentäglichen Nachmittag. Blogger sind Selbstdarsteller und seelische Exhibitionisten. Träfen sich zwei von ihnen unter vier Augen oder 20 Fingern, könnte das vielleicht noch gut gehen. Aber die Möglichkeit der permanenten Verfügbarkeit der Diskursergebnisse eröffnet uns allen einen Marktplatz der Eitelkeiten. Im Unterschied zum Fernsehen können Blogger auch noch anonym sticheln und pöbeln. Im Ergebnis steigert dies die individuellen Enthemmungen nicht selten ins Unermessliche. Häufig genug geht es dadurch nicht um die Sache selbst, sondern darum, beim Psychostriptease die beste Figur zu machen. Nicht die Wahrheit, sondern der Sieg über den gegnerischen Blogger steht im Vordergrund. Es geht folglich nicht um Klärung und Prüfung der Gedanken, sondern um rhetorische Mätzchen, nicht um Vernunft, sondern eine wenig erfreuliche Form des Kampfes. Wer kann am besten verdrehen, unterstellen und argumentativ Schlittschuh fahren? Da darf man wirklich froh sein, dass dieses Blog über eine professionelle Moderation verfügt.
Ein gelungener Diskurs ist das schlichte Prüfen von Argumenten. Soll er zu etwas Sinnvollem führen, muss man die Welt Schritt für Schritt in Begriffe zerlegen, substanziell Zusammengehöriges in richtiger Weise verbinden und bloß Akzidentelles begrifflich voneinander scheiden. Das Bloggen hingegen geht auf in der Gestalt der Hydra: Nicht Schritt um Schritt geht es vorwärts. Jeder Kopf, der abgeschlagen wird, bringt zwanzig neue Gegner hervor. Am Ende steht nur ein gewaltiges, unentwirrbares Knäuel.
Die Chance auf Erkenntnis bietet letztlich nur das persönliche Gespräch. Das war schon vor 2.000 Jahren so und wird auch in 2.000 Jahren noch so sein. Man muss seinem Gegenüber tief in die Augen sehen, seine Stimmlagen prüfen und seine Motive auf Authentizität befragen können. Missverständnisse können so durch Nachfrage leicht aufgelöst werden, anstatt sie in Gelegenheiten zu verwandeln, den Gegner trickreich und unter Getöse des Publikums auf die Matte zu legen. Das Web 2.0 hingegen zerbröselt durch Distanz und Anonymität umgekehrt gerade all jene Bedingungen, die für ein gelingendes Gespräch unerlässlich sind. Oder haben Sie sich je durch eine Diskussion in einem Blog von einer anderen Meinung überzeugen lassen? Was bringt das „Bloggen gegen Rechts“ eigentlich im Kampf gegen Rechtsextremismus? Ich jedenfalls weiß es nicht. Wissen Sie es?
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