Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner ist enttäuscht – und zwar von der Union. Die CDU entwurzele sich selbst bei christlich denkenden Menschen. Und auch die CSU sei nicht besser: „Das barocke Gehäuse täuscht über manche Hohlheit hinweg.“ Meisner bohrt damit in einer Wunde, an der sich Deutschlands Rechtskonservative schon seit Jahren gütlich tun. Meisners Kritik schaffte es daher auch prompt in die Meldungen des Wochenblattes „Junge Freiheit“ (JF).
Christlich angehauchte Rechtskonservative aus dem Umkreis des „Institut für Staatspolitik“ (IfS) und der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (JF) kritisieren in Deutschland an der Union demnach zweierlei: dass sie zu wenig christlich und dass sie zu wenig national eingestellt sei. Nur selten wird erörtert, dass in dieser Kritik ein gehöriger Antagonismus schlummert – nämlich der zwischen Christentum und der ethnisch verstandenen Nation.
Der vielleicht wichtigste deutsche Rechtsintellektuelle der Nachkriegszeit, Armin Mohler, war für diesen Widerspruch sensibel. „Wenn ein Christ Ernst macht mit seinem Christentum, dann muß er ein Linker sein.“, meinte er in einem im Jahr 1988 mit der angehenden Sozialwissenschaftlerin Petra Müller geführten Gespräch. Anders ausgedrückt: Die Union müsse sich entscheiden, ob sie christlich oder national sein wolle.
Der Hintergrund für diese zugespitzte These ist eine einfache theoretische Überlegung: Das Christentum repräsentiert eine die gesamte Menschheit umspannende Heilsverkündung, sie ist ein theoretischer Universalismus: „Jeder Mensch muss in irgendeiner Form zum Bereich der Grundentscheidungen Stellung beziehen, und kein Mensch kann das anders als in der Weise eines Glaubens tun.“ (Joseph Ratzinger) Die Nation hingegen zieht anhand historisch weitgehend kontingenter Merkmale einen Schnitt durch die Menschheit und konstituiert so einen vor dem christlichen Gott nicht mehr rechtfertigbaren Partikularismus. Das Bekenntnis zu einem Gott, das das Heil aller Menschen gleichermaßen erstrebt, und das Bekenntnis zu einer ethnisch verstandenen Nation, das für einen Teil der Menschheit eine Sonderbehandlung beansprucht, führt zumindest auf der normativen Ebene zu einem unversöhnlichen Widerspruch.
Es ist daher nur konsequent, dass große Teile der politischen Rechten dem Christentum entsagen und sich eher dem Heidentum zuwenden. Diese Entwicklung lässt sich nicht nur für rechtsextreme Parteien wie die NPD, sondern auch für gewichtige Denker der „Neuen Rechten“ insbesondere Frankreichs konstatieren. Sie zumindest beherzigen das erste der Zehn Gebote „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“, indem sie dem Christentum den Rücken zuwenden und ihren „Gott Nation“ zelebrieren.
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