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Hitlerjäger in Richterroben – Frank Rennicke gewinnt vor dem Bundesverfassungsgericht

 

Am 25. März 2008 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass Frank Rennickes „Heimatvertriebenenlied“ nicht volksverhetzend sei. Damit hob das BVerfG die Urteile des Amtsgerichts Böblingen, des Landgerichts Stuttgart und den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart auf. Zu Beginn seiner Karriere sei Rennicke noch „von den sich vulgär und antibürgerlich gebenden Skins oft“ verlacht worden, berichten Christian Dornbusch und Jan Raabe in ihrem Buch „Rechtsrock“. Heute bediene er als „nationaler Barde“ mit seinem Liedgut ein breites Spektrum der rechtsextremen Szene. Der fünffache Vater hat laut Dornbusch und Raabe seit 1987 über 20 Tonträger in Eigenproduktion veröffentlicht.

Zu seinen Liedern zählt auch das im Jahr 1986 geschriebene „Heimatvertriebenenlied“. In diesem wendete sich Rennicke unter anderem gegen die Anwesenheit der Alliierten und forderte:

„Packt eure Snackbars und Kolchosen ein,
lasst uns wieder Deutsche in Deutschland sein!
Amis, Russen, Fremdenvölker raus — endlich wieder Herr im eigenen Haus!!!“

Jahre später sollen Rennicke diese Zeilen mehrere Auseinandersetzungen und Verurteilungen vor dem Amtsgericht Böblingen, dem Landgericht Stuttgart sowie dem Oberlandesgericht Stuttgart einbringen. „Nach umfassenden Maßnahmen der Polizei führte dieses über drei Instanzen zu meiner Verurteilung als nicht Vorbestrafter zu 17 Monaten auf drei Jahre Bewährung und in Sippenhaft für meine Frau zu fünf Monaten auf drei Jahre Bewährung, sowie der Abnahme von DM 70.450,- nach dem ‚Mafiagesetz’ sowie Einziehung von Tonträgern und Rechneranlagen.“, beschreibt Rennicke selbst seine Niederlagen vor den genannten Gerichten.

Rennicke allerdings zog vor das höchste deutsche Gericht. Das Bundesverfassungsgericht legt in seinem Urteil dar, dass das Amtsgericht Böblingen in der Verbreitung des „Heimatvertriebenenliedes“ eine strafbare Volksverhetzung gesehen hätte. Rennicke hätte mit den Schlussstrophen des Liedes („Amis, Russen, Fremdvölker raus – endlich wieder Herr im eigenen Haus“) zu Gewalt und zur Vertreibung der Fremden aufgerufen. Nach Auffassung des Amtsgerichts stelle er Nichtdeutsche als minderwertig hin. Weiter heißt es im Urteilsspruch „Die aus dem Nationalsozialismus bekannte Rassenideologie finde in der Vertreibung ausländischer Mitbürger ihren Ausdruck.“

Ähnlich gibt das Bundesverfassungsgericht die Meinung des Landgerichts Stuttgart wieder. Rennicke hätte in besagtem Lied „den in Deutschland lebenden Ausländern ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gesellschaft“ abgesprochen. Außerdem hätte der Beschwerdeführer „auf der von ihm unterhaltenen Homepage bekundet, dass er dieses Lied gegen die ‚Umvolkung’ singe. Dieser Begriff (…) entspringe eindeutig dem nationalsozialistischen Gedankengut.“, wird die Position des Landgerichts referiert.

In seinem Urteil vom 25. März 2008 betonte nun jedoch das Bundesverfassungsgericht, dass die bisherigen Urteile die Beschwerdeführer in „ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes“ verletzen würden. In sieben von acht Punkten hob es daher das Urteil des Landgerichts Stuttgart auf: „Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Der Schutz besteht unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird. (…) Von dem Schutz des Grundrechts ausgenommen sind allein erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Unwahre Tatsachenbehauptungen haben die Gerichte dem Liedtext nicht entnommen. Sie haben die Verurteilung vielmehr auf den Inhalt der darin formulierten Werturteile gestützt.“ Das Bundesverfassungsgericht erhebt damit de facto nicht weniger als den Vorwurf, die verantwortlichen Richter hätten sich in ihren Urteilen von ihrer jeweiligen „Gesinnung“ und nicht von den zugrunde zu legenden rechtlichen Maßstäben leiten lassen. „Amtsgericht und Landgericht haben das Grundrecht der Meinungsfreiheit weder als Maßstab der Deutung benannt noch sonst erkennen lassen, dass die grundrechtlichen Anforderungen an die Ermittlung einer strafbaren verdeckten Aussage beachtet worden sind.“, liest sich das einstimmige letztinstanzliche Urteil wie eine schallende Ohrfeige.

In der Augustausgabe von „Deutsche Stimme“, der Parteizeitung der NPD, wird das „erfolgreiche Ende des fünfjährigen Rechtskampfes“ denn auch als „Sieg Rennickes für die Meinungsfreiheit“ gewertet. So sei durch das BVerfG-Urteil der Handlungsspielraum für andere Betroffene jetzt „ein klein wenig größer geworden“. Auch Rennicke selbst entdeckt in dem Urteil eine „grundsätzliche Bedeutung“ und ruft szeneintern dazu auf, das Urteil nicht nur „zur Kenntnis zu nehmen, sondern es für die Freiheit der Meinung aller Deutschen zu nutzen.“ So, wie auf die NPD nach einem aus formalen Gründen gescheiterten Verbotsverfahren belebende Wirkungen ausgegangen sind, dürfte es sich auch in diesem Fall verhalten.

Dass das höchste deutsche Gericht in einem Punkt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat, erwähnt Rennicke eher beiläufig. Im „Reichsboten“ sagt er hierzu: „Von acht Anklagepunkten hat das Gericht einen Punkt nicht zur Entscheidung angenommen (es handelte sich um die mir unterstellte und unbewiesene Weitergabe von zwei Broschüren, in welchen die fabrikmäßige Ermordung von Menschen während des Zweiten Weltkriegs kritisch hinterfragt wurde).“

Rennicke soll die Broschüren mit seinen CDs verschickt haben. Für das Bundesverfassungsgericht ist nicht ersichtlich, dass in diesem Fall ebenfalls eine Verletzung der Meinungsfreiheit stattgefunden habe: „Der beanstandeten Textpassage aus der Broschüre durften die Gerichte die Tatsachenbehauptung entnehmen, es sei in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern nicht zu einer Massenvernichtung von Personen jüdischer Religionszugehörigkeit mittels Giftgas gekommen. Solche die nationalsozialistische Judenverfolgung leugnende Tatsachenbehauptungen sind erwiesen unwahr. Erwiesen unrichtige Tatsachenbehauptungen sind kein nach Art. 5 Abs. 1 GG schützenswertes Gut.“

Für ein abschließendes Urteil soll sich, nach Willen des BVerfG, das Landgericht Stuttgart erneut mit diesem Fall befassen. Rennicke wurde daher auch nicht von allen Auslagen befreit. Das Land Baden-Württemberg hat in seinem Fall nur drei Viertel der Kosten zu tragen.

weitere Informationen: http://www.endstation-rechts.de