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Offener Brief gegen die Kriminalisierung ehemaliger jüdischer Partisanen

 

Vor kurzem erhielt ich eine EMail, in der die Empfänger aufgefordert wurden, einen Offenen Brief an die litauische Botschaft und das Europaparlament zu unterzeichnen. Der Offene Brief bezieht deutlich Stellung gegen eine stark antisemitisch ausgerichtete Kampagne in Litauen gegenüber ehemaligen jüdischen Partisanen – und wendet sich gegen einen erneuten Versuch, aus Opfern Tätern zu machen.

Seit Anfang dieses Jahres ermittelt die Staatsanwaltschaft in Litauen nämlich gegen ehemalige jüdische Partisaninnen und Partisanen , die während des Zweiten Weltkriegs gegen die deutsche Besatzungsmacht gekämpft haben.

Vorgeworfen wird den ehemaligen Kämpfern, gegen die Nationalsozialisten und ihre regionalen Unterstützer vermeintlich Verbrechen begangen haben. Dabei geht es um die Ereignisse in dem polnisch-litauischen Dorf Koniuchy. Partisanen hatten am 29. Januar 1944 die dortige deutsche Garnison angegriffen. Bei den Kämpfen sind auch 38 Dorfbewohner getötet worden. Für Litauens Justiz war in diesem Fall nicht die von Terror und Massenmord geprägte deutsche Besatzung oder die litauische Kollaboration mit den Nazis Terrorismus, sondern der Angriff der jüdischen Partisaneneinheit.

Demgegenüber wird aktuell gegen die litauischen Kollaborateure der deutschen Besatzer, die für die Ermordung von mehr als 200.000 Juden in den Jahren 1941 bis 1944 mitverantwortlich sind, nicht ermittelt. In den 18 Jahren der Unabhängigkeit Litauens ist bisher kein einziger Nazi-Kollaborateur belangt worden.

In Litauen sind während der Nazi-Zeit 94 % der jüdischen Bevölkerung von den Nazis und ihren litauischen Helfern ermordet worden. Für jüdische Menschen gab nur die Möglichkeiten, sich entweder zu verstecken oder als Partisan/in zu kämpfen, um überhaupt eine minimale Chance zum Überleben zu haben.

Wenn heute dieser notwendige und moralisch legitime Weg jüdischer Partisanen und Partisaninnen, bewaffnet Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft zu leisten, von höchster Staatsebene kriminalisiert wird, sollten alle Alarmglocken läuten.

Wenn diese Kampagne dann auch noch sehr deutlich antisemtisch ausgerichtet ist (ein weiterer interessanter Artikel zu den Hintergründen ist hier zu finden) ist, sollte auf jeden Fall politischer Druck erzeugt werden, um die Ernennung der litauischen Hauptstadt Vilnius zur Kulturhauptstadt Europas 2009 durch eine EU-Kommission zurückzunehmen.

Ihr könnt dazu bis zum 28.09. mit Eurer Unterschrift unter den Offenen Brief beitragen!

Hier noch zwei sehr gute Bücher zum Thema jüdische Partisanen:

Primo Levi: Wann, wenn nicht jetzt. Roman. (dtv)

Ingrid Strobl: „Sag nie, du gehst den letzten Weg“. Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung. (Fischer)