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Die Nazi-Röhre

 

Als die NPD-nahen Hobbyfilmer von Volksfront Medien vor einigen Jahren die Videoplattform Youtube nutzten, entfachte dies eine breite öffentliche Diskussion. Die Möglichkeiten des Web 2.0, insbesondere die nahezu unkontrollierbare Verbreitung von user generated Content, geben seitdem Anlass zur Sorge, denn sie vereinfachen auch die Verbreitung extremistischer Propaganda.  Von Armin Glatzmeier

„Jews are NOT white“ ist eines der Videos betitelt, das der User UkrainianAryan bei WNTube eingestellt hat. Das „WN“ im Namen der Seite steht für White Nationalist. Es ist das Nazi-Pendant zur Videoplattform Youtube, die sich bei den Extremisten dadurch unbeliebt gemacht hat, dass zumindest sporadisch Videos mit rechtsextremen Inhalten gesperrt und vom Netz genommen werden. WNTube fährt eine diametrale Strategie und will genau diese Inhalte bedienen.

So finden sich auf der Seite, die im Auftrag anonymer Betreiber von der kalifornischen Firma New Dream Network LLC registriert wurde, NS-Filme wie Veit Harlans „Jud Süß“ und Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“. Auch ein Propagandafilm von Willi Forst, der anlässlich der Sommerolympiade 1936 produziert wurde, ist zu sehen. Daneben Bilder von Hitlers Berghof und natürlich Musikvideos von Bands wie Landser und Skrewdriver. Das meistgesehene Video auf der Seite, „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“, stammt von der Nazi-Band Stahlgewitter. Rund 6400 Nutzer klickten es bislang.

Die Betreiber der Seite machen aus ihrer Intention keinen Hehl. In den Richtlinien heißt es etwa, dass nur Videos eingestellt werden dürfen, die „of interest to White Nationalism“ sind. Pro-jüdische Beiträge sind verboten und all jenen, die sich nicht im Einklang mit der hier propagierten Ideologie befinden, wird der gute Rat zu Teil: „If you are not White and do not have sympathetic interests in White Nationalism, hit the road.“

Angebote wie diese sind vor allem deshalb gefährlich, weil sie die Möglichkeit bieten Propaganda zu verbreiten, die unkommentiert gezeigt und konsumiert werden kann. Propaganda, deren Wahrheitsgehalt von den meisten Nutzern solcher Seiten ohnehin nicht in Frage gestellt würde. Sie vereinfachen den Zugang zu Inhalten, die in Deutschland häufig kaum verfügbar sind.

Veit Harlans „Jud Süß“ verortet der Administrator von WNTube in der Rubrik History. Der Film wurde von Reichspropagandaminister Josef Goebbels persönlich in Auftrag gegeben und verarbeit den Stoff des gleichnamigen Lion Feuchtwanger Romans. Er bedient sich zwar der historischen Figur des württembergischen Finanzrates Joseph Süss Oppenheimer, ein historischer Film, ein Film, der sich an historischen Fakten orientiert, ist es nicht. Im Gegenteil. Goebbels notierte in seinem Tagebuch: „Ausgezeichnet geworden. Der erste wirklich antisemitisch Film.“ Kein Wunder, denn bei der Darstellung des „Jud Süß“ nutzt Harlan sämtliche stereotypen Vorurteile des nationalsozialistischen Antisemitismus.

In der Bundesrepublik Deutschland unterliegen daher einige Filme aus dem NS besonderen Auflagen, die eine Verbreitung beschränken sollen und die Vorführung nur in einem kommentierten Rahmen erlauben, um so einem unkritischen Umgang entgegen zu wirken. Portale wie WNTube zeigen einmal mehr die Grenzen einer Eindämmung rechtsextremistischer Propaganda mittels Straf- bzw. Urheberrecht auf.

Das Team von jugenschutz.net beschäftigt sich seit Jahren erfolgreich mit der Eindämmung jugendgefährdender Inhalte im Internet – seit Beginn der Recherchen 2001 wurden auf Initiative von jugendschutz.net weltweit über 1400 unzulässige rechtsextreme Websites geschlossen. Dennoch nimmt die Zahl der Angebote konstant zu: Wurden im Jahr 2003 noch 736 rechtsextreme Webadressen im Rahmen des Monitoring neu erfasst, so stieg diese Zahl 2006 auf 1161. Besonders problematisch schätzt jugendschutz.net die Situation bei den nutzergenerierten Web 2.0-Inhalten ein, da hier eine Regulierung schwierig ist. Die Arbeit kann sich daher nicht allein auf juristische Maßnahmen beschränken, vor allem nicht im Ausland, weil deutsches Recht dort nicht greift, wichtiger ist oft der direkte Kontakt zu Betreibern und Internetdienstleistern.

Stefan Glaser von jugendschutz.net hat gute Erfahrungen mit dieser Strategie. Vor allem auch ausländische Hosts und andere Internetdienstleister seien häufig bereit, rechtsextreme Inhalte vom Netz zu nehmen, wenn sie Hinweise auf entsprechende Inhalte bekommen. Zumal dann, wenn die eigentlichen Betreiber solcher Seiten damit gegen vertragliche Bestimmungen verstoßen, die mit dem Internetdienstanbieter getroffen wurden. Er kennt das Angebot von WNTube und auch die kalifornische Firma, die diese URL registrieren ließ. Zwar hat New Dream Network LLC, soweit ersichtlich, keinen Bezug zur rechtsextremen Szene, allerdings reagierte die Firma bislang nicht auf die deutschen Anfragen.

Auch auf die Community ist bei WNTube nicht zu zählen, denn während Breitenangebote, wie Youtube eine recht gemischte Nutzergemeinschaft haben, die aufgerufen ist, Missbrauchsfälle zu melden, wendet sich WNTube direkt an Nutzer, die rechtsextremen Inhalt suchen. 88Tube, weiß Stefan Glaser zu berichten, ist auch so ein Fall. Zwar gelang es jugendschutz.net hier zunächst den Provider zu überzeugen, die Seite vom Netz zu nehmen. Mittlerweile haben die Betreiber jedoch einen neuen Host gefunden auf dessen Server nun ein Angebot bereitgestellt wird, das von seinen Nutzern auf der Einstiegsseite ein Bekenntnis zu den 14 Worten verlangt. Eine Bezugnahme auf den Slogan „We must secure the existence of our people and a future for White children“, den Wahlspruch amerikanischer Rechtsextremisten.

Hier liegt ein großes Problem für die Rechtsextremismusprävention im Netz, denn schlussendlich finden sich gerade in den USA Internetdienstleister, die solche Inhalte unter Bezugnahme auf die Redefreiheit tolerieren oder gar selbst dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind, wie etwa Garry Lauck, ein bekennender Neo-Nazi und selbsternannter Chef der NSDAP/AO. Das Monitoring rechtsextremer Seiten und der Versuch, diese Inhalte vom Netz zu bekommen, sind denn auch nur ein Teil der Strategie von jugendschutz.net. Wichtig ist vor allem auch die Prävention durch Aufklärung und die Vermittlung von Medienkompetenz. Denn nicht alle rechtsextremen Seiten sind so offenkundig erkennbar wie WNTube.

Das Angebot truemmerfrauen.info etwa, das ebenfalls über Dreamhost registriert wurde und das unter dem Deckmantel einer historischen Auseinandersetzung jene Sichtweise verbreitet, die die Bombardierung Dresdens losgelöst von der Kriegsschuldfrage sieht. Eine Sichtweise, wie sie der Bomben-Holocaust-Rhetorik der NPD zugrunde liegt. Die Gefahr solcher Seiten besteht gerade darin, dass sie für den unbedarften Nutzer nicht sofort als rechtsextrem erkennbar sind. Sie dienen zur subtilen Verbreitung rechtsextremer Positionen und zielen damit direkt auf deren gesellschaftliche Anerkennung. Indirekt geht es dabei um die Verbreiterung der rechtsextremen Basis.

Je freier rechtsextreme Inhalte im Netz verfügbar werden, umso wichtiger wird es, dem rechtsextremen Gedankengut nicht nur repressiv, sondern vor allem präventiv, durch Aufklärungs- und Erinnerungsarbeit zu begegnen. Denn rechtsextreme Seiten sind mittlerweile nicht nur ein fester Bestandteil der Internetrealität, sie sind ein wachsendes Segment.