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Ebensee: Neonazis greifen KZ-Überlebende auf Gedenkfeier an

 

Die Befreiungsfeiern im ehemalige KZ-Mauthausen in Österreich wurden von einem Neonazi-Angriff bei der Gedenkfeier im ehemaligen Konzentrationslager Ebensee überschattet. Die Teilnehmer/innen, unter ihnen zahlreiche Überlebende, wurden von vermummten Nazis mit Sieg-Heil-Rufen und Hitlergruß beleidigt. Zusätzlich wurde eine weitere Besuchergruppe aus Frankreich sogar tätlich angegriffen und mit Plastikkugeln aus Softguns verletzt.

Die österreichische Justiz hat am Dienstag Haftbefehle gegen drei der fünf Neonazis im Alter von 14 – 17 Jahren erlassen. Die Haft werde mit Wiederholungsgefahr begründet, sagte der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl der Nachrichtenagentur APA.

Den Jugendlichen wird neben dem Gröhlen von Nazi-Parolen vorgeworfen, in einem Besichtigungsstollen, der während des zweiten Weltkriegs als Unterstellplatz für Kriegsgeräte diente, und der von KZ-Häftlingen unter menschenunwürdigen Bedingungen errichtet wurde, eine Gruppe von französischen Überlebenden mit Softguns angegriffen und dabei zwei Menschen verletzt zu haben. Laut Lißl sind die Verdächtigen geständig. Laut Staatsanwaltschaft drohen den Minderjährigen bis zu fünf Jahren Haft.

Einer der Nazi-Täter nach dem Angriff auf die französischen KZ-Überlebenden. Das Foto wurde mit einem Mobiltelefon gemacht.

Die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ fasst die Ereignisse wie folgt zusammen:

KZ-Gedenkfeier: Neonazis schossen auf Besucher

Nachdem Unbekannte am Samstag ehemalige KZ-Häftlinge in Ebensee mit Sieg-Heil-Rufen, Hitlergruß und Plastikgeschoßen empfangen hatten, ermittelt nun die Polizei. Zwei Franzosen wurden durch Plastikgeschoße verletzt.
Nach der Störaktion bei der am vergangenen Samstag ermittelt die Polizei fieberhaft, wie der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl Montag zusicherte. Erschwert würde dies jedoch durch unklare Angaben zu einem der Vorfälle. Der Stollen, in dem er sich zugetragen haben soll, wird kriminaltechnisch untersucht.
Die Sicherheitsdirektion bearbeitet insgesamt drei Berichte über Vorfälle. Um 10.25 Uhr wurde eine zehn Personen umfassenden italienischen Gruppe im Besichtigungsstollen von vier mit Sturmhauben vermummte belästigt. Sie hätten „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“ gerufen und die rechte Hand erhoben – für Lißl eindeutig der Tatbestand verbotener Wiederbetätigung. Der Stollen wurde einst von den KZ-Häftlingen in den Berg geschlagen.
Die Italiener waren zuerst geschockt und entrüstet. Nach wenigen Momenten gewannen sie aber ihre Fassung zurück und wollten das Quartett schnappen. Dabei wurde einem der Täter die Sturmmaske herunter gerissen, so dass nun bekannt ist, dass es sich um einen jungen Mann gehandelt habe. Die vier konnte jedoch flüchten. Die Polizei wurde alarmiert und nahm die Angaben der Italiener auf.
Kurz danach fielen den Italienern einige junge Burschen in der Nähe des Stollens auf. Sie vermuteten, dass es sich um jene handelte, von denen sie zuvor angepöbelt worden waren. Die Polizei überprüfte die sofort. Es stellte sich aber ihre Unschuld heraus. Sie hatten lediglich bei der Gedenkfeier zusehen wollen.

Tätliche Angriffe auf Besucher
Von Medien erfuhren die Sicherheitsbehörden in der Zwischenzeit, dass am Samstag obendrein eine französische Gruppe im Besichtigungsstollen von ähnlich beschriebenen Personen nicht nur verbal, sondern sogar tätlich angegriffen worden sein soll.
Einer der Täter habe eine Schusswaffe bei sich getragen. Von ihm existiert sogar ein mit einem Mobiltelefon gemachtes Foto. Zwei der Franzosen sollen von Geschoßen, vermutlich Plastikkugeln getroffen und verletzt worden sein. Die Gruppe dürfte aber von dem Vorfall derart betroffen gewesen sein, dass sie sofort abreiste. Deshalb liegen auch von ihr keine Anzeigen oder nähere Angaben zu dem Vorfall vor.

Gewehr-Attrappe gefunden
Laut Lißl werde der Stollen jetzt kriminaltechnisch untersucht, um Spuren von Geschoßen zu finden und so ermitteln zu können, was sich dort abgespielt hat. Innenministerin Fekter gab zu einem späteren Zeitpunkt bekannt, dass eine Gewehr-Attrappe sichergestellt wurde. Es handelt sich um die Plastikkopie eines Gewehrs vom Typ AK-47 (Kalaschnikow).

Bis zu zehn Jahre Haft
Den noch unbekannten Tätern droht bis zu zehn Jahre Haft. Strafrechtsexperte Helmut Fuchs von der Universität Wien betont, es handle sich bei dem Vorfall „klar“ um nationalsozialistische Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes: „‚Heil Hitler‘ und ‚Sieg Heil‘ zu rufen ist eindeutig nationalsozialistische Wiederbetätigung“, meint Fuchs zu der Störaktion. Den Tätern drohen im Fall einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug.
„Wahrscheinlich“ handle es sich bei dem Vorfall mit den Plastikgeschoßen auch um gefährliche Drohung, so der Experte. Hier droht eine Strafe von bis zu einem Jahr Haft. War für die Opfer die Waffe nicht als Attrappe erkennbar, könnte es auch eine Todesdrohung gewesen sein, erklärt Fuchs. Diese kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Ebenfalls möglich wäre eine Anklage wegen Störung der Totenruhe, glaubt Fuchs. Da aber das Strafausmaß im Falle einer Wiederbetätigung eindeutig am höchsten sei, werden die anderen Tatbestände eher untergehen, meint der Strafrechtsexperte.

„Unfassbar, niederträchtig, beschämend“
Auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer äußerte sich zu der Störaktion. Sie nannte den Vorfall „unfassbar, niederträchtig, beschämend“. Es gehe um die „geistig-moralische Hygiene“, außerdem stehe das internationale Ansehen des Landes auf dem Spiel. Sie vertraue aber auf die Behörden, dass es zu einer lückenlosen Aufklärung kommt. Der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger forderte in einer Aussendung eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung bei den betroffenen Teilnehmern aus Italien und Frankreich. Er ortet ein „unfassbares Versagen der Exekutive“.
In Oberösterreich verurteilte SPÖ-Landtags-Klubobmann Karl Frais die Vorfälle in Ebensee und eine Schmieraktion vor einigen Wochen an der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen als „verabscheuenswürdige Angriffe auf die österreichische Demokratie“. Innenministerin Fekter sei gefordert, mit aller Härte gegen die aufkeimenden Neonazi-Gruppierungen vorzugehen. Denn ihre derzeitige Strategie sei offensichtlich als „ungenügend“ zu bezeichnen. Der Landessprecher der oberösterreichischen Grünen, Rudi Anschober und Menschenrechtssprecher Gunther Trübswasser drückten ebenfalls ihr Entsetzen und ihre Empörung aus und verlangten Gegenmaßnahmen.

Umfeld der Täter ist bekannt
Innenministerin Fekter betonte, die Vorkommnisse in Ebensee seien „in keinster Weise zu tolerieren und kündigte an: „Wir werden die Täter mit Sicherheit fassen“. Die Provokation in Ebensee sei zutiefst zu verurteilen, erklärte die Innenministerin. Das Umfeld der Täter ist Fekter zufolge bekannt. Außerdem wisse man, dass es in der Region der rechten Szene nahe stehende Jugendliche gebe, berichtete Sicherheitsdirektor Lißl. Sie seien den Behörden bekannt und würden nach der Zusammenfassung von Fakten und Aussagen mit den Vorfällen konfrontiert.

Dieser menschenverachtende Angriff auf KZ-Überlebende zeigt, wie selbstbewusst die Nazis mittlerweile agieren. Verbale und körperliche Angriffe auf Andersdenkende, Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion etc. gehören mittlerweile leider vielerorts zur Tagesordnung und rufen nur noch viel zu selten einen Aufschrei des Entsetzens hervor.

Der Angriff auf die Überlebenden der Nazi-Terror-Herrschaft im Nationalsozialismus stellt meines Erachtens eine neue Qualität dar und bringt die gesamte Menschenfeindlichkeit dieser potentiellen neuen Mörder auf den Punkt. Diese Tat macht mich unglaublich wütend. Dass Überlebende an den Ort des Schreckens zurückkehren, um der vielen Ermordeten und der erlittenen Leiden zu gedenken und dass sie sich dann ungeschützt diesem widerwärtigen Nazi-Angriff ausgesetzt sehen müssen, ist ein Skandal, der hoffentlich nicht nur für die Täter zu den angemessenen Konsequenzen führen wird…