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Bußgeld für „laute, jüdische Musik“

 

13. Februar Dresden: Im Zuge der Nazi-Aufmärsche zum Jahrestag der Alliierten Bombenangriffe auf Dresden veranstalteten Nazis um die „Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“ in alter SA-Tradition einen Fackelmarsch durch die Innenstadt. Als Akt der Zivilcourage schallt den Nazis jedoch aus den Fraktionsräumen der Grünen Rathausfraktion Klezmer-Musik entgegen. Gute Aktion, oder?!

Die Dresdener Staatsanwaltschaft sah das offenbar völlig anders und verurteilte die Grünen wegen Störung einer Versammlung zu einem Bußgeld von 150 € …

Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, dass aus dem Fenster der Stadtratsfraktion „laute, jüdische Musik“ (Originalton Anklageschrift) gespielt wurde, die eine „zu dieser Zeit gehaltene Rede störte.“ Diese Handlung sei, so ereiferte sich die Staatsanwaltschaft weiter, „strafbar als Störung von Versammlungen und Aufzügen“. Der Applaus der Nazis dürfte ihr sicher sein.

„Wenn es mir gelungen ist, die Verbreitung der braunen Verbalsoße zu stören, nehme ich die Zahlung der Strafe gerne in Kauf“, sagte dazu Stephan Kühn, der Fraktionssprecher der Grünen der Sächsischen Zeitung.

Erschreckend deutlich positioniert sich in diesem Falle die Staatsanwaltschaft gegen Zivilcourage und gegen antifaschistische Proteste. Das Urteil stärkt Nazis den Rücken und erschwert Proteste möglicherweise auch in Zukunft.

Dass das Recht ohne Probleme auch anders auslegbar ist, zeigte im Juli 2006 die Staatsanwaltschaft im fränkischen Miltenberg, als ein katholischer Pfarrer aus Protest gegen eine NPD-Kundgebung auf dem örtlichen Marktplatz die Kirchenglocken mit Ausdauer läuten ließ. Die Rechtsextremen brachen frustriert ihre Versammlung ab und erstatteten Strafanzeige, aber die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.

Nazi-Trommeln sind dagegen keine Ruhestörung

Kati Lang von der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt in Dresden reagierte laut „Mut gegen rechte Gewalt“ auf die Entscheidung der Dresdener Staatsanwaltschaft entsetzt:

Nach ihrer Aussage wurden einen Tag zuvor am Amtsgericht Meissen drei Neonazis freigesprochen, die im August 2006 an einem NS-Zeit glorifizierenden Hess-Aufmarsch mit Fackeln und dumpfen Trommelschlägen um 22 Uhr teilgenommen hatten. Nach Auffassung des Richters sei hier jedoch der „öffentliche Friede“ nicht gestört gewesen.

Kati Lang dazu weiter auf der Seite „Laut gegen Nazis“:Die Zusammenschau beider Entscheidungen ist ein fatales Signal an die Öffentlichkeit. Während zivilcouragierter Protest verfolgt und mit Strafe belegt wird, werden den Nationalsozialismus verherrlichende Aufmärsche geduldet. Die Zurückdrängung des Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese Entscheidungen weisen allerdings in die falsche Richtung.“

Meiner Meinung nach sind dies erneut krasse Beispiele dafür, dass in vielen Fällen eine tendenziöse Auslegung des Rechtes, den legitimen und bitter notwendigen Protest gegen die NS-Fans und NS-Verherrlicher erschwert…