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Wegen Punkfrisur ins Koma geprügelt

 

Wie die Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt Sachsen-Anhalt schreibt, begann heute vor dem Amtsgericht Gera der Prozess gegen zwei Neonazis, die im Februar 2008 einen Punk in Berga schwer verletzt haben. Zu den Hintergründen heißt es in der Pressemitteilung:

„Am Abend des 9. Februar 2008 waren mehrere Rechte nach einer körperlichen Auseinandersetzung in der Stadthalle der thüringischen Kleinstadt Berga von der Security der Diskothek verwiesen worden. Kurz nach Mitternacht stieß die Gruppe auf dem Vorplatz der Stadthalle Berga auf einen 19-Jährigen, der aufgrund seiner Punk-Frisur und seines Äußeren deutlich als nicht-rechter Jugendlicher erkennbar war. Die Gruppe umringte den Punk und beleidigte ihn u.a. als „Zecke“. Dann erhielt er laut Augenzeugenberichten mindestens einen massiven Schlag, durch den er zu Boden stürzte.

Als Zeugen einschritten und Rettungskräfte alarmierten, verließen die Angreifer den Vorplatz der Stadthalle. Der Betroffene wurde noch in der gleichen Nacht mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen, weil er durch den Angriff eine massive Blutung im Kopf erlitten hatte. Es ist nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass er die Angriffsfolgen überhaupt überlebt hat. Der Betroffene lag mehrere Wochen im Koma und musste dann ein knappes halbes Jahr in Reha-Kliniken behandelt werden. Er hat bleibende körperliche Schäden durch den Angriff davon getragen. Außerdem hat der Betroffene durch den Angriff seine Lehrstelle verloren, weil er seinen Ausbildungsberuf aufgrund der körperlichen Einschränkungen in Folge des Angriffs nicht mehr ausüben kann.“

Zu dem Angriff und den Folgen gibt es einen sehenswerten Fernsehbeitrag von Kontraste. Hier wird deutlich wie schwer sich die Beamten bei der Aufklärung der Angriffs tun.

http://www.youtube.com/v/BWNAjCnLtf0&hl=de&fs=1&

Auch die Mobile Opferberatung rügt die schleppende Strafverfolgung durch die Polizei und Justiz. So heißt es weiter:

„Die Strafverfolgungsbehörden in Berga und Umgebung verschwiegen der Öffentlichkeit die Tatsache, dass es sich bei dem Angriff auf den 19-Jährigen um eine politisch rechts motivierte Gewalttat handelt. Ein knappes Jahr lang zeigte die Staatsanwaltschaft keinerlei Interesse an der Strafverfolgung der namentlich bekannten mutmaßlichen Täter. Zum Jahresende schien es gar, als wenn die Staatsanwaltschaft Gera das Verfahren einstellen würde. Erst als das Fernsehmagazin Kontraste Anfang Januar 2009 für einen Bericht über den Angriff und die schleppenden Ermittlungen recherchierte, änderte sich der Umgang der Strafverfolgungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft Gera erhob nun Anklage wegen schwerer Körperverletzung gegen den inzwischen 19-jährigen Oliver L. und den gleichaltrigen Marius M.. Unstrittig ist inzwischen auch, dass der Betroffene angegriffen wurde, weil er als Punk zu all jenen gehört, die im rechtsextremen Weltbild Zielscheibe entgrenzter Gewalt sind.

Die schleppende Strafverfolgung wird von der extremen Rechten als Freibrief für weitere Gewalt verstanden. So erhielt eine Zeugin im Strafverfahren gegen die mutmaßlichen Angreifer Todesdrohungen. Dafür muss sich nun der Angeklagte Marius M. am 29. Juli 2009 ebenfalls vor Gericht verantworten. Möglich wurde diese Bedrohung dadurch, dass die Polizei der Zeugin Anonymität zugesichert hatte, die Zusicherung aber nicht einhielt.“

Dass Thüringen ein deutliches Rechtsextremismus-Problem hat ist nicht neu. Immer wieder kommt es in der Region zu Gewalt von Neonazis. Wie wichtig das bundesland für die bundesweite und sogar europaweite Neonaziszene ist, zeigt das NPD-Rechtrock-Festival „Rock für Deutschland“. Im Juli fanden sich dafür rund 4000 Neonazis aus Deutschland, Italien, Belgien, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz in Jena ein.

Der Prozess wird am 23. September fortgesetzt.