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„Sturm 34“-Prozess muss neu aufgerollt werden

 

Sie benannten sich nach einem Sturmtrupp der SA, verprügelten Ausländer und alternative Jugendliche mit dem Ziel in Sachsen eine „national befreiten Zone“ zu errichten. 2007 wurde die Neonazikameradschaft „Sturm 34“ vom sächsischen Innenminister wegen ihrer Gewalttaten und ihrer eindeutigen „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ verboten. Eine kriminelle Vereinigung sah das Landgericht Dresden in der Gruppe jedoch nicht. Heute entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dass der Prozess neu aufgerollt werden muss.

Aus Sicht der Richter wurden falsche Maßstäbe bei der Frage angelegt, ob es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt. Nach dem Urteil können auch übergeordnete Ziele wie eine Weltanschauung oder eine Ideologie Belege dafür sein, dass als kriminelle Vereinigung agiert wird. Jetzt muss in Dresden erneut über die bereits verurteilten Neonazis entschieden werden.

Klar ist, dass die Rechtsextremisten den sächsischen Ort Mittweida und die Umgebung von Migranten und politisch Andersdenkenden „befreien“ wollten und dafür schwere Straftaten verübten. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2007 wurden rund 70 Straftaten gezählt, die von Sturm 34-Mitgliedern ausgingen, darunter Körperverletzungen, Bedrohungen und Volksverhetzung. Zum harten Kern rechneten die Sicherheitsbehörden 24 Personen. Bei einer Großrazzia mit 200 Beamten im April 2007, fanden die Polizisten in 27 Wohnungen Schreckschusswaffen, Würgehölzer, Helme, Sturmhauben und umfangreiches Propagandamaterial.

Gegen fünf mutmaßliche Mitglieder des „Sturm 34“ erhob die Staatsanwaltschaft Dresden 2008 Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zwei wurden wegen gefährlicher Körperverletzung zu mehrjährigen Haftstrafen und ein dritter zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Zwei weitere Männer wurden freigesprochen. Das Gericht kam damals zu dem Schluss, dass es sich allenfalls um eine neonazistische „Bande“, aber nicht um eine kriminelle Vereinigung gehandelt habe. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Der als führende Kraft geltende Tom W. war schon vorher einschlägig in Erscheinung getreten. Er wurde wegen eines Überfalls auf einen türkischen Imbiss in Mittweida im Februar 2005 im Rahmen der selbsternannten „Streifen für ein ausländerfeindliches Mittweida“ zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Die Kameradschaft „Sturm 34“ führt nach eigener Aussage ihre Bezeichnung auf eine in der Region während der NS-Diktatur stationierte SA-Einheit zurück. Nach Einschätzung des sächsischen Innenministeriums zählte die Gruppe bis zu 50 Mitglieder. Hinzu kam ein Sympathisantenumfeld von knapp 100 Personen im Alter von 14 bis 47 Jahren. Auch nach dem Verbot war der Nazi-Spuk in Mittweida nicht vorbei. Viele ehemalige „Sturm 34“-Mitglieder traten weiterhin gewalttätig in der Region in Erscheinung.  Seit 1992 wurden in Deutschland bereits mehr als 25 militante Nazigruppen verboten.