Same procedure as every year? Warum bei Europas größtem Naziaufmarsch im Februar in Dresden alles anders werden muss als bisher.
Am 13.02 rufen Neonazis der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ erneut zum „Trauermarsch“ nach Dresden auf. Mit 7000 Teilnehmern aus ganz Europa konnten die Neonazis im Jahr 2009 einen großen Mobilisierungserfolg verbuchen. Zwar wurden die Gegendemonstranten auf etwa 11.000 geschätzt, doch war es durch ein rigides polizeiliches Vorgehen, der weitgehenden Ignoranz der Dresdner Bürger, sowie konzeptionellen Unterschieden zwischen den unterschiedlichen antifaschistischen Bündnissen kaum möglich, den Naziaufmarsch zu stören oder gar zu verhindern. Im Anschluss des Tages kam es zu mehreren brutalen Übergriffen von Neonazis auf Gegendemonstranten. Dieses Jahr könnte das alles anders werden.
Naziaufmarsch und „Opfermythos“
Der Erfolg der Neonazis an diesem Tag ist hausgemacht. Wie bei kaum einem anderen Thema können sich die Neonazis der Zustimmung oder Duldung eines großen Teils der Bevölkerung gewiss sein. Zwar hat der Bericht der Dresdner Historikerkommission 2008 eine entmystifizierende Darstellung der alliierten Luftangriffe vom 13. Und 14. Februar 1945 präsentiert und den „Opfermythos“ Dresdens in allen zentralen Punkten wiederlegt, doch konnte sich eine Opfermythos-Betaversion durchsetzen, wonach die Zerstörung und das Leid der Dresdner „Zivilbevölkerung“ als Folge des gewaltsamen Krieges einer „nationalsozialistischen Verbrecherclique“ (Oberbürgermeisterin Dresden, Helma Orosz) anzusehen ist. Die „ganz normalen Deutschen“ erscheinen in dieser Betrachtung als Opfer des Nationalsozialismus. Ihr alltägliches Mitwirken am nationalsozialistischen Wahn findet in dem diesjährigen Aufruf der Stadt Dresden daher kaum Bedeutung. Mit einer Lichterkette will man mehr oder weniger symbolisch der Instrumentalisierung des Erinnerns durch „Extremisten“ Einhalt gebieten. Der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU) stellte 2009 klar, dass „wer die Orte der Würde der Opfer“ verhöhnt, mit Widerstand der Polizei zu rechnen habe. Die marschierenden Nazis ließ man hingegen ohne Einschränkung durch die Altstadt laufen, während viele Dresdner sich am Samstagsshopping vergnügten und mit vollen Einkaufstaschen teilweise durch den Naziaufmarsch hindurch zu ihrem Auto gingen.
2010 – Dresden nazifrei?
Doch 2010 soll alles anders werden. Während die Mobilisierung des Bündnisses „Dresden Nazifrei“, ein Zusammenschluss aus antifaschistischen Initiativen, Künstlern, Gewerkschaften und Parteien, auf Hochtouren laufen, plant die sächsische Landesregierung das Versammlungsgesetz einzuschränken. Unter dem Vorwand den Naziaufmarsch am 13. Februar zu verhindern, plane die schwarz-gelbe Landesregierung „einen schwerwiegenden Einschnitt in ein fundamentales Grundrecht“, kommentiert das zivilgesellschaftliche Bündnis entsetzt. Indes wird weiter dazu aufgerufen, sich am Konzept der dezentralen Massenblockaden zu beteiligen. Doch inwieweit das Konzept aufgeht, hängt nicht nur vom Mobilisierungsstand ab. Es wird vom politischen Willen der Stadt, der Polizeitaktik und der Beteiligung der Dresdner selbst abhängen, ob die Blockade des Naziaufmarsches ein Erfolg wird. „Nachdem die Aufmärsche von Wunsiedel und Halbe nicht mehr stattfinden können, ist Dresden der letzte Großaufmarsch mit NS-Bezug“, betont Lena Roth vom Bündnis „Dresden Nazifrei“.
Entschlossener und solidarischer Widerstand gegen den Nazigroßaufmarsch am 65. Jahrestag der alliierten Luftangriffe bleibt daher eine der zentralen Aufgabe für eine wachsame demokratische Öffentlichkeit. Infos rund um die Gegenaktivitäten gibt es unter: www.dresden-nazifrei.de