Sie hatten einen Linken fast getötet: Wegen der brutalen Attacke auf einen Studenten im Juli 2009 am S-Bahnhof Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain sind die Angeklagten am Donnerstag vom Landgericht Berlin zu Haftstrafen verurteilt worden. Zwei Verurteilte bekamen Bewährung.
Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen
Ein halbes Jahr nach dem Beinahe-Tod eines jungen Linken in Friedrichshain ist der Prozess gegen vier Rechtsextremisten mit einem überraschend milden Urteil geendet. Die Jugendkammer des Landgerichts verurteilte am Donnerstag den Haupttäter Oliver K. (26) wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu fünfeinhalb Jahren Haft. Die Angeklagten Michael L. (23) und Marcel B. (21) kamen mit je zwei Jahren auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung davon. Im Fall von Marcel B. verhängte die Kammer eine Jugendstrafe, weil er zur Tatzeit Heranwachsender war. Den Angeklagten Michael G. (24) sprachen die Richter frei.
Die Kammer blieb damit deutlich unter den Anträgen von Staatsanwalt Jörg Wetzel, der für Oliver K. acht Jahre und für Michael L. sowie Marcel B. je drei Jahre Haft gefordert hatte. Selbst der Verteidiger von Oliver K. hatte in seinem Plädoyer immerhin eine Strafe „nicht über sieben Jahre“ genannt. Im Fall von Michael G. hatte auch der Staatsanwalt einen Freispruch als notwendig erachtet. Ursprünglich hatte Wetzel allen vier Angeklagten versuchten Mord vorgeworfen.
Die Misshandlung des Linken Jonas K. am frühen Morgen des 12. Juli 2009 sei „eine fürchterliche und widerwärtige Gewalttat“ gewesen, sagte der Vorsitzende Richter, Kay-Thomas Diekmann. Er hielt jedoch allen Angeklagten zugute, sie seien zunächst selbst angegriffen worden. Die Taten während der Schlägerei mit einer Gruppe Linker waren für die Kammer Notwehr und Nothilfe. Die Linken hatten Michael L. attackiert und ihm eine Kopfplatzwunde zugefügt, weil er eine Thor-Steinar-Jacke trug. Die Mitangeklagten eilten L. zu Hilfe. Die Richter sahen zudem „deutliche Hinweise“, dass das spätere Opfer Jonas K. zu den Angreifern gehörte.
Nach Ansicht der Richter begingen die drei verurteilten Angeklagten erst dann Straftaten, als die meisten Linken flohen und damit die Notwehrsituation beendet war. Oliver K. habe mit einem „klar erkennbaren Tötungsvorsatz“ das bewusstlose Opfer ein Stück weitergeschleift und ihm einen Stampfkick auf den Kopf versetzt. Dies sei ein „ungeheuer brutales Vorgehen“, sagte Diekmann und verwies auf die zur Tatzeit gleich drei offenen Bewährungsstrafen des Angeklagten. Doch die Kammer billigte ihm strafmildernd zu, stark alkoholisiert gewesen zu sein.
Im Fall des Angeklagten Marcel B. meinten die Richter, er habe Jonas K. getreten, aber dann versucht, Oliver K. zu stoppen. Bei Michael L. sahen die Richter eine minderschwere gefährliche Körperverletzung, weil er Passanten hinderte, dem Opfer zu helfen.
Der Anwalt des beinahe getöteten Linken, Ole Weidmann, hatte in seinem Plädoyer gefordert, den Angeklagten Oliver K. wegen versuchten Mordes zu verurteilen, wie es in der Anklageschrift stand. Außerdem seien alle drei Freunde von Oliver K. Mittäter gewesen. Von den Angeklagten äußerte nur Marcel B. in seinem letzten Wort Reue.