Während Bundesfamilienministerin Kristina Köhler eine Überprüfung von Initiativen gegen Rechts durch den Verfassungsschutz plant, besuchen Mitglieder ihrer Partei in Berlin eine Veranstaltung, bei der die deutsche Kriegsschuld am Zweiten Weltkrieg relativiert wird.
Zu einer in der rechtskonservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und bei der „Bundeszentrale für politische Bildung“ beworbenen sowie vom Berliner „Landesbeauftragen für die Stasi-Unterlagen“ mitverantworteten Veranstaltung, kamen am 26. Januar etwa 70 Zuhörer in dem kleinen Kellerraum der „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus e.V.“ in Berlin zusammen. Unter den Besuchern befanden sich nicht nur martialisch gekleidete und in Thor-Steinar Jacke gehüllte Neonazis sowie Mitglieder der rechtsesoterischen Gruppierung „Fürstentum Germania“, sondern auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld, Direktkandidatin der CDU im Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg 2009.
Ganz begeistert von soviel Andrang, lässt die Vereinsvorstandsvorsitzende, Ursula Popiolek, noch einige Stühle, für das zumeist ältere Publikum heranschaffen, um in Anschluss den Abend einzuleiten: „Die Schuldfrage Stalins beim Ablauf des Zweiten Weltkrieges“ soll durch einen Vortrag des russischen „Historikers“ Dimitrij Chmelnizki näher beleuchtet werden. Nach seiner, durch keine Quellen zu belegenden, „These“ kam das nationalsozialistische Deutschland einem Angriff Stalins nur zuvor und trägt dementsprechend an der Ausweitung der Kriegshandlungen keine Schuld.
In seinem 45-minütigen Vortrag beschränkte sich Chmelnizki darauf, das von ihm zusammen mit Viktor Suworow herausgegebene Buch „Überfall auf Europa: Plante die Sowjetunion 1941 einen Angriffskrieg? Neun russische Historiker belasten Stalin“ vorzustellen. Das Buch stützt sich im Wesentlichen auf die Arbeiten Suworows, der als einer der Hauptvertreter der „Präventivkriegsthese“ gilt. Diese Sichtweise ist eines der Hauptelemente der neonazistischen Szene, wenn es darum geht, in geschichtsrevisionistischer Absicht die Relativierung der Kriegsschuld Deutschlands zu betreiben.
Keine Überraschung also, dass diese Publikation nicht nur in der „Gedenkbibliothek“ einzusehen ist, sondern ebenso durch den NPD-eigenen „DS-Versand“ vertrieben wird. Dies scheint den anwesenden BesucherInnen, genau wie dem Berliner „Landesbeauftragen für die Stasi-Unterlagen“, als Mitveranstalter, aber herzlich egal zu sein. Frau Lengsfeld, welche die Veranstaltung aus der zweiten Reihe mit verfolgte, bleibt bis zum Schluss und zeigt sich empört über kritische Nachfragen. Auf ihrer Internetseite ist die Homepage des extrem rechten Publizisten und Verschwörungstheoretikers Udo Ulffkotte verlinkt, ehemaliger Aktivist des rechts-populistischen Bündnisses „Pax Europa“. Der herausgebende Verlag ist Teil des Netzwerkes um den Neonazi Dietmar Munier, der schon seit Jahren vom Verfassungschutz beobachtet wird und einen festen Platz im rechten Verlagswesen innehat.
Vielleicht sollte es Kristina Köhler doch Sorgen bereiten, ob nicht die Überprüfung von „Extremisten“ am Ende in ihren eigenen Reihen endet.