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Prügelorgie mit rassistischen Pöbeleien

 

Im März beginnt am Berliner Landgericht der Prozess gegen zwei Männer und eine Frau, die zwei Iraner misshandelt haben sollen. Die Schwurgerichtskammer revidiert nun die Anklage und streicht den Vorwurf des versuchten Mordes.

Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen

Die Tortur dauerte nur wenige Minuten und ist schon mehrere Monate her, doch die Opfer leiden noch heute. Schläge, Tritte und rassistische Pöbeleien mussten zwei Iraner in der Nacht zum 19. September 2009 in Wedding auf dem U-Bahnhof Rehberge aushalten, die Attacke kam völlig unerwartet. Nun zeichnet sich ab, dass die mutmaßlichen Täter demnächst vor einer Strafkammer stehen. Nach Informationen des Tagesspiegels soll am 16. März am Landgericht der Prozess gegen zwei Männer und eine Frau beginnen, die für die Staatsanwaltschaft der Misshandlung der Iraner überführt sind. Bereits im November hatte die Behörde, wie jetzt zu erfahren war, Anklage gegen Benjamin E. (26), seine Cousine Ines B. (24) und ihren Freund Sven B. (30) erhoben.

Sicherheitskreise beschreiben das Tatgeschehen so: Kurz nach vier Uhr früh begegnen sich die Angeklagten und die schon etwas älteren Iraner P. und K. auf dem Bahnsteig. Benjamin E. beschimpft die beiden Männer und verspritzt Cola. Die Iraner wollen ihn beruhigen, doch Benjamin E. rammt P. ein Knie in die Brust und versetzt ihm eine Kopfnuss. Das Opfer fällt um und ist bewusstlos. Benjamin E. tritt dem Iraner gegen Kopf und Körper. Der Freund des Opfers schreit – und wird auch angegriffen.

Passant greift ein

Jetzt schlagen und treten alle drei Beschuldigten auf den Iraner K. ein. Benjamin E. drischt dem Opfer einen Teleskopstock auf die linke Schulter. Ein Passant greift ein und kann die Gewalt kurz stoppen. Eine U-Bahn fährt ein, der Iraner K. und sein aus der Bewusstlosigkeit aufgewachter Freund schleppen sich in einen Waggon. Doch Ines B. und Sven B. folgen, die Iraner werden weiter geprügelt und angepöbelt. Durch einen Tritt gegen den Oberkörper verliert nun K. kurz das Bewusstsein.

So soll es sich abgespielt haben. Die von Zeugen alarmierte Polizei nahm die mutmaßlichen Täter rasch fest. Bei dem Iraner K. wurden im Krankenhaus ein mehrfacher Bruch der linken Schulter und Verletzungen im Gesicht festgestellt. Das zweite Opfer hatte weniger schwere Wunden im Gesicht und am linken Arm.

Den Iranern gehe es schlecht, sagte ihr Nebenklage-Anwalt Roland Weber dem Tagesspiegel. Bei K. sei nicht klar, ob er jemals den linken Arm wieder frei bewegen kann. Beide Männer litten zudem unter psychischen Folgeproblemen.

Anklage revidiert

Die Staatsanwaltschaft erhob gegen alle drei Beschuldigten Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und ausländerfeindlicher Beleidigung. Bei Benjamin E. kam noch versuchter Mord hinzu, weil er dem bewusstlosen Iraner P. einen Tritt gegen den Kopf versetzt haben soll. Die Schwurgerichtskammer revidierte aber in ihrem Eröffnungsbeschluss Anfang Januar einen Teil der Anklage. Die Richter bezweifelten, Benjamin E. könnte auch des versuchten Mordes schuldig sein. Ein Grund: die Verletzungen von P. waren nicht schwer genug.

Die Schwurgerichtskammer gab den Fall an die 1. Große Strafkammer weiter. Jedoch mit der Maßgabe, im Prozess müssten drei statt zwei Berufsrichter zusammen mit den Schöffen über die Angeklagten richten. Damit habe die Schwurgerichtskammer anerkannt, dass der Fall gravierend sei, auch wenn der Vorwurf des versuchten Mordes gestrichen wurde, sagte Anwalt Weber.

Von den Angeklagten kam nur Ines B. aus der Untersuchungshaft heraus. Sie ist auch die einzige der drei, bei der keine Vorstrafen bekannt sind.