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Die Blockierer tanzen, die Nazis schmollen

 

Brennende Barrikaden auf der Route des Naziaufmarsches   Foto: dpa
Brennende Barrikaden auf der Route des Naziaufmarsches Foto: dpa

Rund um den Neustädter Bahnhof in Dresden waren am Samstag alle Straßen blockiert. Die Rechtsextremisten konnten nicht marschieren und riefen stattdessen verbotene SS-Parolen.

Hannah Eitel war für den Störungsmelder vor Ort

Noch sind die Rechten ruhig, halten ihre Banner der Presse entgegen, wollen fotografiert werden. Vom „Bombenholocaust“ ist zu lesen. Das Aktionsbündnis Dresden Nazifrei hat angekündigt den Aufmarsch zu verhindern. Die Aktivisten wollen nicht zulassen, dass die Rechten Nazi-Deutschland zum eigentlichen Opfer des 2. Weltkrieges umdeuten können. Das Bündnis blockiert friedlich und verhindert so zum ersten Mal den Naziaufmarsch anlässlich der Bombardierung Dresdens am 13. Februar vor 65 Jahren.

Die Polizei bleibt gelassen und lässt die Sitzblockaden gewähren. Um die aufzulösen, wären 1000 Einsatzkräfte mehr nötig, und Wasserwerfer. Aber die könne er bei der Kälte nicht einsetzen, sagt ein Polizist. „Von mir aus können die Rechten eine Runde auf dem Bahnhofsplatz drehen.“ Die Zuhörer grinsen verhalten und blicken zur Kundgebung der rechtsextremen Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO). Rund 5000 Neonazis, die meisten schwarz gekleidet, hören den Rednern zu.

Antifa tanzt wie Cheerleader

Die Gegenkundgebung auf dem Albertplatz nur einige hundert Meter entfernt ist lauter und vor allem bunter. Hier trommelt eine Sambagruppe. Daneben tanzen junge Leute in pinken und silberfarbenen Klamotten. Wie Cheerleader sehen sie aus, ihre Bewegungen sind eingeübt. Halb vermummte Antifa-Anhänger schauen erst belustigt zu, dann steigen sie ein und ahmen die Gruppe nach, hüpfen wild hin und her. Einige Straßen weiter lassen Demonstranten bunte Puppen aus Pappe über der Menge tanzen. Die Polizei steht als Kette vor der Kundgebung, damit die sich nicht Richtung Bahnhof und somit zum Treffpunkt der der Neonazis bewegen kann. Doch auflösen kann sie die Blockade nicht, es sind einfach zu viele Demonstranten

Polizei räumt eine Sitzblockade

Anders sieht es in der Königsbrücker Straße. Auf den Tramgleisen sitzen 20 bis 30 junge Leute aneinander gedrängt und haben sich eingehakt. Ihnen gegenüber stehen Wasserwerfer und Polizisten in Kampfmontur. „Verlassen Sie die Straße“, fordert die Polizei mehrmals. Dann räumt sie die Kreuzung. Egal, wer im Weg steht, die Beamten drängen jeden zur Seite und verteilen Platzverweise. Immer zwei oder drei Polizisten packen eine Person aus dem Menschenknäuel auf dem Boden und zerren sie auf den Bürgersteig. Einige lassen sich durch den Schneematsch über das Kopfsteinpflaster ziehen, andere stolpern keuchend von der Straße. Die anderen Kundgebungsteilnehmer haben sich an den Straßenrand gestellt, sehen zu und rufen „Keine Gewalt“ in Richtung der Polizei.

Dann ist die Kreuzung leer, aber an der nächsten Straßenecke brennen mehrere Müllcontainer, der Rauchgeruch hängt im Neustadt-Viertel. Ein paar Schwarzgekleidete rennen weg und legen an der nächsten Kreuzung noch einen Brand, den die Feuerwehr schnell löscht. Die meisten Blockierer sind an der Königsbrücker Straße geblieben und haben das Feuer kaum mitbekommen. Sie versuchen, in die Nähe der Nazis zu kommen, die Richtung Bahnhof unterwegs sind. Denn die Straßen- und Schienenblockaden scheinen gewirkt zu haben: Hunderte Rechtsextremisten laufen zu Fuß zu ihrer Kundgebung. Die Busse mussten sie weit entfernt zurücklassen.

„Ruhm und Ehre der Waffen-SS“

Die Neonazis sind wütend. Zur Sicherheit der Teilnehmer könne der angemeldete Aufmarsch nicht vom Bahnhof aufbrechen, sagt eine Sprecherin der Polizei durch. Die Menge schweigt, der Redner spricht laut und hitzig. Nur bis 17 Uhr dürfen die Neonazis laut Auflagen des Gerichts marschieren. Als es Zeit für die Heimfahrt ist, als sicher ist, dass sie nicht durch Dresden ziehen können, beginnen die Menge auf dem Platz zu rufen. Der Bahnhof ist voll, sodass viele davor warten müssen. Die Polizei lässt keinen mehr hinein. Wütend beginnen Neonazis gegen die Polizisten zu drängen, die sie von der Straße und dem anderen Bahnhofseingang fern halten. Einen kurzen Moment lang ist nicht klar, ob sie sich beruhigen. „Hass, Hass, Hass“, schreien die Rechten und grölen anschließend die verbotene NS-Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“. Auch aus dem Bahnhofsgebäude dringen laute Rufe durch die Halle. Die Stimmung ist beängstigend, aber die Drängelei hört schnell auf. Die Polizei behält die Kontrolle.

Die Neo-Nazis stehen in großen Gruppen im Bahnhof. Trotzdem verlassen immer mehr Polizisten das Gebäude. Dabei sind längst wieder Reisende auf den Gleisen. Eine Frau beäugt mit ihrer Tochter an der Hand die vielen Neonazis am anderen Ende der Halle. Mit eingerollten Fahnen  schlendern sie zu den Essensbuden. Nur der asiatische Imbiss hat keine Kunden. Langsam verschwinden die Rechten zu den Zügen. Auf dem Albertplatz feiern inzwischen die Gegendemonstranten ihren Erfolg. Nicht einen Meter konnten die Neonazis laufen.