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Wenn Rassisten zum Wahlkampf rüsten

 

Hemmungslose Islamphobie als Programm: der Vorsitzende der rechtsextremen Gruppierung pro NRW  © Oliver Berg/dpa
Hemmungslose Islamphobie als Programm: der Vorsitzende der rechtsextremen Gruppierung pro NRW © Oliver Berg/dpa

Die rechtspopulistische pro NRW wirbt mit gleich zwei „Parteitagen“ um Stimmen für die Landtagswahl im Mai. Mitreden sollen die Anhänger aber nicht.

Von Hellmuth Vensky

Wenn Rechtsaußen Demokratie spielt, wird’s oft unfreiwillig komisch. Zum Beispiel, wenn pro NRW zwei Tage nach Aschermittwoch zum „Programmparteitag“ einlädt. Denn das Wahlprogramm, das verabschiedet werden soll, ist längst veröffentlicht.

Beim „Parteitag“ in Leverkusen werden Reden des Neumitglieds Patrik Brinkmann, des Parteichefs Markus Beisicht sowie des FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer ohnehin kaum Zeit für Debatten lassen. Die laut pro NRW „etwa 300 geladenen Delegierten und Gäste“ werden also trotz der Bezeichnung „Programmparteitag“ wenig mitzureden haben. Dabei heißt der Wahlslogan doch: „Wir meinen es ehrlich mit Nordrhein-Westfalen und seinen Menschen!“

Als „ordentlicher Parteitag“ von pro NRW firmiert ein Treffen von Rechtspopulisten und -extremisten mehrerer Länder, die am 27. März in Gelsenkirchen ein „Minarettverbot“ für ganz Europa fordern wollen. Zum Rahmenprogramm zählen „Mahnwachen“ in sechs Städten und ein „Sternmarsch“ zu einer Duisburger Moschee. Diskussionen oder gar Anträge sind nicht vorgesehen. Entweder weiß man bei pro NRW nicht, was ein Parteitag ist, oder man benutzt das Label nur, um leichter an öffentliche Räume zu kommen.

Der wichtigste Programmpunkt der „nonkonformen Bürgerbewegung“ (pro-NRW-Selbstbezeichnung) steht ohnehin nicht zur Debatte: hemmungslose Islamphobie. Die Partei entstand als pro Köln aus der Ablehnung eines Moschee-Neubaus. Im Internet-Forum Politically Incorrect, das den pro-Leuten nahe steht, schreiben Stammgäste Kommentare wie „die einzige sinnvolle Reform des Islam ist dessen kompromisslose Vernichtung“.

Im Parteiprogramm liest sich das zahmer: „Zuwanderung begrenzen, Islamisierung stoppen. Grundgesetz  statt Scharia – Nein zur islamischen Parallelgesellschaft“. Pro NRW wendet sich gegen eine „Überfremdung vor allem der deutschen Großstädte“ und hält die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus für „vernebelndes Gerede“. Der Landesverfassungsschutz listet seit 2004 alljährlich neue Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen auf.

Die Umfragen geben pro NRW bei der Landtagswahl am 9. Mai kaum eine Chance, doch bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr zogen lokale Gruppierungen in etliche Stadtparlamente ein. 30 Kreisverbände hat die Partei mittlerweile. Und hofft auf einen Geldsegen: Der schwedische Rechtsextremist Patrik Brinkmann hat es nicht umsonst zum Hauptredner beim „Parteitag“ gebracht – der angebliche Millionär aus Jönköping hat, wie er dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte, bis 2011 etwa fünf Millionen Euro „veranschlagt“, mit denen er die Pro-Partei unterstützen will.

Das Geld könnte die Partei gut gebrauchen, spätestens, seit das Kölner Ordnungsamt knapp 34.000 Euro für nach der Kommunalwahl im August 2009 nicht abgehängte Plakate in Rechnung stellte. Brinkmann war aber auch schon in der NPD und zuletzt in der DVU, ohne dass es sich auf deren Finanzen merklich ausgewirkt hätte. In Schweden legte der 43-Jährige mehrere Pleiten hin und häufte hohe Steuerschulden an, bevor er 2008 für zahlungsunfähig erklärt wurde. Immerhin: Arm ist er wohl nur offiziell – Aktien- und Immobilienbesitz verteilen sich auf seine Familie.

Brinkmann gehört zu jenen Neurechten, die sich auf ein christliches Abendland berufen und eine multikulturelle Gesellschaft als Bedrohung empfinden, mit der NS-Nostalgie und dem Antisemitismus vieler Neonazis aber wenig am Hut haben. Damit passt der Schwede gut zu pro NRW: Die Partei buhlt anders als DVU und NPD nicht um die Sympathien von Stiefelfaschisten. Von der NPD distanziert sich Spitzenkandidat Beisicht ausdrücklich: Sie sei ein „antisemitisches Sammelbecken von Neonazis“ und „autonomen Nationalisten“. Dass bei den Anti-Islam-Demos der pro-Partei Militante unwillkommen wären, lässt sich allerdings nicht erkennen.

Abgesehen von der Dämonisierung des Islam setzt pro NRW auf bewährte Sprüche aus der rechtskonservativen, nationalistischen Populismus-Kiste: harte Strafen, eiserne Besen und weg mit allem, was der Durchschnittsdeutsche nicht versteht. In den Worten des Programms: „Recht und Ordnung statt Alt-68er-Kuschelpädagogik“, „Alternative zu rotem Filz und schwarzem Klüngel“, „eine klare Absage an die Unterstützung avantgardistischer Projekte, die für den Normalbürger nicht von Interesse sind“.

Spitzenkandidat Beisicht findet, „der rechte Flügel in unserem Land liegt völlig brach“. Er will „das Vakuum zwischen CDU und den chancenlosen klischierten Rechtsaußen-Parteien besetzen“. Die CDU, glaubt der Rechtsanwalt, plane ein Bündnis mit den Grünen: „Das dreigliedrige Schulsystem soll dann endgültig abgeschafft werden und sämtliche sich im Lande befindlichen Illegale sollen auf Kosten des Steuerzahlers ein Bleiberecht erlangen.“

Unter der Überschrift „Demokratie und Bürgerrechte stärken“ steht im Programm der sonst so autoritätsgläubigen Partei auch die „erhebliche Ausweitung unmittelbarer Bürgerbeteiligung“. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass Anhänger beim Parteiprogramm mitreden dürfen.