Die Stadt Wiesbaden hat einen von den „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) für den 8. Mai angemeldeten Aufmarsch mit 300 Teilnehmern durch die Innenstadt verboten. Ausgerechnet am 65. Jahrestag der Befreiung vom NS-Faschismus wollte der hessische Landesverband der NPD-Jugendorganisation in der Landeshauptstadt gegen „Hegemonialstreben der USA“ demonstrieren. Eine entsprechende Verbotsverfügung wurde inzwischen zugestellt.
Wiesbadens Ordnungsdezernentin Birgit Zeimetz (CDU) befürchtet, der Neonazi-Aufmarsch und die Gegendemonstrationen mit bis zu 3.000 Teilnehmern könnten die „Innenstadt lahmegen“. Die Planung der JN sah einen mehrstündigen und ca. 4,5 km langen Aufmarsch durch die Wiesbadener Innenstadt vor, als Treffpunkt ist eine Grünanlage neben dem Hauptbahnhof vorgesehen. Zu den bislang angekündigten 13 Gegenkundgebungen erwarten das „Bündnis gegen Rechts“ und der DGB bis zu 3.000 Teilnehmer. Doch nicht allein die Menschenmenge könnte am 8. Mai die samstägliche Ruhe in der Wiesbadener City stören: neben empfindlichen Beeinträchtigungen des Verkehrs in der Innenstadt könnte die von den JN angemeldete Route auch dazu führen, dass ein Mediziner-Kongress mit 600 Teilnehmern in der Nähe des Bahnhofs abgesagt werden müsste. Zudem wäre eine der Zufahrten zu dem nahe gelegenen zentralen Krankenhaus in der Innenstadt über Stunden blockiert. Diese unverhältnismäßigen Folgen könnten der Wiesbadener Bevölkerung nicht zugemutet werden, heißt es seitens des Ordnungsamtes. Den JN bleibt jetzt der Weg vor das Verwaltungsgericht oder ein Alternativvorschlag – eine Klage gegen das Verbot wurde bereits angekündigt.
„Wiesbadener Linie“ gegen antifaschistischen Protest?
Weitere Äußerungen der Ordnungsdezernentin in dieser Angelegenheit stießen beim Wiesbadener Bündnis gegen Rechts auf scharfe Kritik. Zeimetz hatte dem Bündnis vorgeworfen, es rufe zu Gewalt auf, und kündigte an, keinerlei Rechtsverstöße zu dulden. Hintergrund sind Ankündigungen für Aktionen, um die anreisenden Neonazis am 8. Mai schon daran zu hindern, den Bahnhof zu verlassen. Die Dezernentin und ihre Behörde halten das für eine Umschreibung für Blockaden, bei denen es sich um einen Aufruf zur Nötigung handele. Zeimetz verwies dazu auf die sog. „Wiesbadener Linie“ gegen Extremismus und Gewalt, die sich gegen alle Gruppen richte, die zu Gewalt aufrufen oder sie gutheißen. Das Wiesbadener Bündnis wies die Vorwürfe zurück und sprach von Diffamierung und „Anschuldigungen (…), nach denen der Aufruf zur Verhinderung des Neonaziaufmarsches (…) ein Aufruf zur Nötigung, und damit zur Gewalt“ sei. „In der Welt der Ordnungsdezernentin hat es sich bei dem zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Rechts der Kölner, Mainzer, Friedberger und Dresdner Bürgerinnen und Bürger offenbar lediglich um Gewalt gehandelt“, heißt es in einer Mitteilung vom Freitag, dem 26. März. Damit werde antifaschistischer Protest kriminalisiert und die Gegendemonstranten als Gewalttäter verunglimpft.
Unter dem Motto „8. Mai, 65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus“ rufen neben dem Bündnis gegen Rechts mehr als 20 Organisationen, Parteien und Verbände zum Protest gegen den geplanten Neo-Aufmarsch mit dem Motto „Gegen Folterknechte und Kriegstreiberei!“ auf. Nach Angaben der JN Hessen stecken dahinter der Bundes- und hessische Landesverband der JN, der hessische NPD-Landesverband sowie „parteifreie Gruppen und zahlreiche Friedensaktivisten“. Als Vorwand dient das in der Nähe eines Wiesbadener Vorortes geplante europäische Hauptquartier der US-Streitkräfte.