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Offener Brief für Wolfgang Thierse

 

Thierse während der Blockaden am 1. Mai in Berlin Foto: Matthias Zickrow
Thierse während der Blockaden am 1. Mai in Berlin Foto: Matthias Zickrow

Mit einem Offenen Brief hat sich Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ausdrücklich bei Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) für seine Teilnahme an den Sitzblockaden am 1. Mai 2010 gegen den Neonaziaufmarsch in Berlin und den damit verbundenen „Akt des zivilen Ungehorsams“ bedankt.

„Wir hoffen, dass auch die nächsten Neonazi-Aufmärsche durch friedliche Blockaden be- und verhindert werden,“ sagte ASF-Geschäftsführer Dr. Christian Staffa. Die Kritiker des Bundestagspräsidenten würden mit ihren Rücktrittsforderungen gegen Thierse vor allem eine „eine unverständliche Verharmlosung rechtsextremer Aktivitäten“ demonstrieren, heißt es dazu in dem offenen Brief weiter. Denn Aufmärsche seien Teil der rechtsextremen Erlebniswelt und Dominanzbestrebungen im öffentlichen Raum um politische GegnerInnen einzuschüchtern.

Offener Brief vom 6.Mai 2010

Sehr geehrter Herr Bundestagsvizepräsident,
liebes ASF-Kuratoriumsmitglied,

lieber Wolfgang Thierse,

der Vorstand von ASF möchte sich ausdrücklich bei Ihnen für Ihren Akt des zivilen Ungehorsams am 1. Mai 2010 bedanken. Es ist  ein großer Erfolg, dass der Neonazi-Aufmarsch nur wenige hundert Meter durch den Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg laufen konnte. Das ist den sehr friedlichen BlockiererInnen zu verdanken, die auch durch Ihre Teilnahme große Ermutigung und die nötige Anerkennung erfahren haben.

Aktion Sühnzeichen Friedensdienste hat zu dieser Gegendemonstration gegen einen menschenverachtenden Neonazi-Aufmarsch mit aufgerufen. Wir sind froh darüber, dass dieser Aufruf so erfolgreich war und hoffen darauf, dass die Blockaden von Dresden und Berlin auch für andere Städte ein ermutigendes Beispiel sein können, wie man neonazistischen Aufmärschen erfolgreich entgegen treten kann.

Wir halten es angesichts von jährlich über tausend extrem rechten und rassistisch motivierten Gewalttaten für eine unverständliche Verharmlosung rechtsextremer Aktivitäten, wenn aus Ihrer Partei, aber auch von Mitgliedern anderer Parteien derart scharfe Kritik an Ihnen geübt wird, die bis zu Rücktrittsforderungen reicht.

Mindestens nachdenklich machen sollte Ihre Kritiker, dass 1995 das Bundesverfassungsgericht eine Sitzblockade nicht mehr zwingend als Nötigung und damit als Gesetzesübertretung definierte  (BVerfGE 92,1)

Sie sind mit Ihrer Blockade Ihrer Pflicht als Politiker nachgekommen, Schaden von der Bundesrepublik Deutschland fernzuhalten, der mit großer Sicherheit durch einen Marsch der Neonazis mindestens  politisch entstanden wäre.

Aus unserer Sicht sind eher jene zu kritisieren, die im Vorfeld des 1. Mai mit martialischen Szenarios bis hin zu prognostizierten Toten die Atmosphäre in der Stadt unnötig eskalierten.  Die Sitzblockade hat in ihrer freien und fröhlich-friedlichen Weise zu einer Deeskalation beigetragen und die Neonazi-Demo effektiv behindert. Besseres konnte doch dieser Stadt nicht passieren.

Elisabeth Raiser,     Dr. Christian Staffa,

Vorsitzende      Geschäftsführer