Vor 14 Jahren attackierten Neonazis Noel Martin, der seit dem als Pflegefall geht. In Mahlow wird am Mittwoch an die Tat erinnert. Vier Rapper aus Birmingham wollen dabei sein.
Von Tagesspiegel-Autorin Annette Kögel
Es wird ein ernsthaftes, doch auch lebensfrohes Gedenken. Am heutigen Mittwochnachmittag werden sich Berliner und Brandenburger in Mahlow an der Stelle versammeln, wo am 16. Juni 1996 zwei Neonazis aus Brandenburg den damaligen Bauarbeiter Noel Martin bei einer rassistischen Attacke zum Pflegefall machten. Schüler und Lehrer der Herbert-Tschäpe-Schule wollen sich gegen 18 Uhr am Tatort Glasower Damm/Ecke Schulstraße treffen. Auf dem Mahlower Bahnhofsvorplatz spielt ab 19 Uhr die Reggae-Band Kaya aus Nordrhein-Westfalen – und vier junge Schwarze aus Birmingham vom sozial engagierten Fußballclub Continental Stars werden einen eigenen Song rappen. Noel Martin wird in Gedanken in Deutschland sein: „Diese Jungs machen mich stolz.“
Seine öffentliche Ankündigung, sich an seinem 48. Geburtstag das Leben zu nehmen, hat Martin nicht umgesetzt, heute ist er 50 Jahre alt. Die Familie, besonders die Enkel, das Interesse an Gedichten, vor allem die Leidenschaft für seine Rennpferde, schließlich das Engagement gegen Ausländerfeindlichkeit – das sind die neue Lebensinhalte für den ans Bett gefesselten Mann.
Als Bauarbeiter war er nach Deutschland gekommen. Am 16. Juni 1996 beschimpften ihn Sandro R., 17, und Mario P., 24, als „Nigger“, verfolgten ihn in einem gestohlenen Wagen, warfen einen Feldstein in sein Auto, drängten es ab. Seitdem ist Martin querschnittgelähmt und wird von einem Team von Pflegerinnen rund um die Uhr versorgt. Gerade schrieb der „Guardian“ über ihn.
Michael Ferguson hat Noel Martin Anfang dieses Jahres in Birmingham kennengelernt . „Am ersten Tag lag er wie meist in seinem Pflegebett im Keller, am zweiten Tag aber ließ er sich schick kleiden und nach oben ins Wohnzimmer setzen“, sagt der 64-jährige gebürtige Brite aus Charlottenburg, der sich seit seiner Pensionierung als Schulbuchredakteur ehrenamtlich für die Noel-und- Jacqueline-Martin-Stiftung engagiert. Seit langer Zeit ist wegen Martin jetzt auch wieder eine Gruppe junger Schwarzer in Brandenburg. Die Jungs aus dem sozialen Fußballprojekt werden heute auch diese Worte rappen: „Don’t judge me for the colour of my skin, Judge me for what is within.“ Beurteile mich nicht nach meiner Hautfarbe, sondern nach dem, was sich in mir verbirgt – so singen die 13 und 14 Jahre alten Jugendlichen. Noel Martin hatte seine Stiftung ins Leben gerufen, um solche Begegnungen zu ermöglichen, zwischen jungen Schwarzen aus England und Jugendlichen aus Brandenburg. Vor der Abreise haben die Jungen auch Martin besucht. „Aus der geplanten halben Stunde wurden mehrere Stunden“, erinnert sich Ferguson.
Zur Mahnung richtete der Verein Bürger für Bürger Mahlow einen Plakatwettbewerb aus, mit der Noel-und-Jacqueline-Martin-Stiftung, der Stiftung „Großes Waisenhaus zu Potsdam“, dem Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow und der Mittelbrandenburgischen Sparkasse. Noel Martin hat in einer Videobotschaft gerade seine Favoriten gekürt.
So werden die jungen Birminghamer Tashan, Lemar, Lynvest und Lamar und Betreuer wie Daniel Moses, der bereits von der Queen ausgezeichnet wurde, unterschiedlichste Erinnerungen mit nach England nehmen. Sie erkunden mit Gastfamilien Brandenburg und Berlin, wollten am Dienstag den Reichstag besichtigen. Sicher werden sie oft auch von Noel Martin erzählen. Dessen Persönlichkeit hat die Jungs beeindruckt. Sie widmen ihm jetzt ihren jugendlichen Rap: „From England to Germany, we should all live in harmony.“