Reichspogromnacht 9. November 1938: auch in Herford wird die Synagoge von Nationalsozialisten und entfesseltem antisemitischen Mob zerstört, jüdische Menschen gejagt und angegriffen. Die Synagoge brennt unter den Augen von Feuerwehr und Bevölkerung bis auf die Grundmauern aus, die Jüdische Gemeinde wird gezwungen, die Reste der Synagoge auf eigene Kosten abzureißen.
72 Jahre später wird für die kleine, aber wachsende jüdische Gemeinde am gleichen Ort wie das alte Gotteshaus eine neue Synagoge erbaut. Über einen Zuschuss zum Bau – u.a. wegen der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen wie schusssicheres Glas – wurde im Stadtrat vor zehn Tagen abgestimmt. Es gibt neben einer Enthaltung lediglich eine Gegenstimme: es ist nicht die neonazistische NPD, die dort zum Glück nicht im Stadtrat sitzt. Nein, es ist die Vertreterin der Partei „Die Linke“, Erika Zematitis, die als Einzige gegen den Zuschuss stimmt.
Wie das antifaschistische Rechercheportal redok weiter berichtet, hat Zemaitis offensichtlich grundsätzlich kein Problem mit Räumen für Religionsgemeinschaften. So setzte sie sich vor wenigen Wochen für Räumlichkeiten für die Jesidische Gemeinde, eine kurdische Religionsgemeinschaft, ein: „Es darf nicht sein, dass Menschen sich in unserer Stadt nicht versammeln können, um ihren kulturellen oder religiösen Interessen nachzugehen. Diese Menschen leben und arbeiten hier unter uns und müssen einen geeigneten Treffpunkt haben“, hatte demnach Zemaitis in einer Presseerklärung Anfang April betont. Darin wird der Herforder Bürgermeister nachdrücklich aufgefordert, zu seinem Wort zu stehen und die „zugesagte Hilfe nun in die Tat umzusetzen“. Bei der Jüdischen Gemeinde sieht die Linken-Abgeordnete diesen Bedarf offensichtlich nicht, hat jedoch bis heute noch keinerlei Begründung für die skandalöse Gegenstimme geäußert, wie redok weiter schreibt:
Keine Antwort auch eine Antwort?
Anfragen nach dem Grund der Linke-Ablehnung für die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde, die an den Linke-Kreisverband und an die Stadtratsabgeordnete Zemaitis selbst gestellt wurden, blieben ohne Antwort. Sprecherin des Linke-Kreisverbands Herford ist die Bundestagsabgeordnete Inge Höger, die erst vor kurzem durch ihre Beteiligung an dem Versuch bekannt geworden war, die israelische Blockade vor Gaza mit einem Schiffskonvoi zu brechen. Somit drängt sich der unschöne Verdacht auf, das Abstimmungsverhalten der Herforder Stadtrats-Abgeordneten gegen die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde liege mit dem anti-israelischen Aktivismus von Höger auf einer Linie.
Die Bundestagsabgeordnete Höger, die ein Jahr lang stellvertretende Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion gewesen war, wusste immerhin, dass das Nicht-Beantworten einer Anfrage kontraproduktiv wirken kann. Eine weitere Anfrage an Höger persönlich wurde dann auch mit einer Antwort beschieden. Eine Auskunft über die Gründe der Ablehnung im Stadtrat konnte oder wollte sie in ihrer Email-Antwort an redok freilich auch nicht geben. Zu der Gegenstimme ihrer Parteifreundin gab sie nur zu Protokoll: „Kreisverband und Stadtverband der LINKE in Herford vertreten eine deutlich andere Position.“ Ihre Partei und auch sie als Bundestagsabgeordnete „begrüßen sehr den Wiederaufbau der Synagoge“, so das knappe Höger-Statement.
Unter den Teppich
Damit bleibt die Ablehnung der Linke-Ratsfrau für die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde ohne Erklärung. Als energische Distanzierung wirkt die pluralistisch klingende Bezeichnung als „deutlich andere Position“ nicht gerade. Keine Rede war auch von nötigen innerparteilichen Diskussionen oder gar Maßnahmen in Bezug auf die Gegenstimme der Linke-Ratsfrau. Es bleibt der Anschein, dass das Stadtrats-Votum gegen die Jüdische Gemeinde unter den Teppich gekehrt werden soll.
Misstrauen gegenüber dem schmallippigen Höger-Statement kommt ebenfalls auf, wenn man ihre Beteiligung an anti-israelischen Aktionen und Demonstrationen in Betracht zieht. Im November 2008 war sie selbst durch ein Abstimmungsverhalten aufgefallen, als anlässlich des 70. Jahrestages des antisemitischen Pogroms („Reichskristallnacht“) im Bundestag eine Resolution gegen Antisemitismus beschlossen werden sollte. Höger gehörte zu den elf Linke-Abgeordneten, die ihre Zustimmung zu der Resolution verweigerten , obwohl die Resolution auch von der eigenen Fraktionsführung eingebracht worden war.
Nach dem Ende der Gaza-Blockadebrecher-Aktion hatte sie am 1. Juni in Berlin an einer Pressekonferenz im Bundestag teilgenommen, wo die Abschiebung der Aktivisten aus Israel als „Deportation“ bezeichnet wurde. Über ihre Zeit auf dem Fährschiff Mavi Marmara („Wir haben uns wie im Krieg gefühlt“) wusste sie bei der Pressekonferenz zu berichten:
“Da es eins von IHH, einer türkischen Organisation, organisiert war, gab es halt ein Männerdeck und ein Frauendeck. Und wir Frauen sind relativ schnell in der Nacht eingeschlossen worden. Wir konnten nicht mehr raus. Wir konnten nicht, wir wußten nicht, was da los ist, wir waren eingeschlossen. Wir haben uns die Schwimmwesten umgemacht, weil wir, äh, auf alles vorbereitet sein wollten.”
Am 4. Juni trat Höger bei einer Demonstration auf, die von Kreis- und Stadtverband der „Linken“ in Herford organisiert und beworben worden war. Dabei wurden nach Angaben von Beobachtern zahlreiche Fahnen der Terror-Organisationen Hizbollah und Hamas geschwenkt.
Möglicherweise hat bei der dünnen Distanzierung von der Stadtrats-Gegenstimme auch eine Rücksichtnahme auf solche Bündnispartner eine Rolle gespielt. Zumindest wird das linke „Frauendeck“ in Herford in der Nacht derzeit noch nicht eingeschlossen.
Dass Nazis immer wieder gegen Synagogen und jüdische Gemeinden hetzen, macht schon wütend genug und sollte immer wieder mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden.
Dass sich nun aber auch die Partei „Die Linke“ einmal mehr von einer unerträglich antisemitischen Seite zeigt, macht umso wütender, da hierdurch berechtigte emanzipatorische Ansätze und Positionen dieser Partei immer wieder diskreditiert werden. Es wird allerhöchste Zeit, dass sich „Die Linke“ ernsthaft mit ihrem eigenen Antisemitismus auseinandersetzt, der oftmals als mühsam kaschierte Israelkritik daher kommt, sich im Kern dann doch als üblicher Antisemitismus entpuppt. Sie muss diesen erkennen, benennen und sich auch von Protagonisten dieser Form von modernem Antisemitismus trennen. Dann kann es auch nicht zu einer plumpen Ablehnung eines Zuschusses zu einer Synagoge kommen, die genau an dem Ort gebaut wurde, an dem die Nazis sie 1938 zerstörten.
Emanzipatorische Politik und Antisemitismus gehen nun mal nicht zusammen.