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Schlag gegen Brandenburger Neonazi-Gruppe

 

Während der Razzia sichergestellte Waffen und T-Shirts

Razzia gegen Rechtsextreme: Die Polizei in Brandenburg und Berlin geht gegen die besonders gewaltbereite „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ vor. Nun könnte sie verboten werden.

Von Christoph Schulze

Mit einem Großeinsatz ist die Polizei am Freitag gegen die Neonazi-Szene in Brandenburg vorgegangen. Um vier Uhr morgens stürmten die Einsatzkräfte mehr als 20 Objekte im Nordosten des Landes. Mehrere Stunden durchsuchten 130 Beamte Wohnungen, Gartenlauben, Keller und Garagen in Ostbrandenburg sowie zwei Objekte in Berlin und eines in Teltow-Fläming. Die Razzia richtete sich gegen mutmaßliche Mitglieder der als besonders gewaltbereit geltenden „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ (KMOB).

Zahlreiche Fahnen, Propagandamaterial und Bargeld, aber auch 337 Waffen, darunter Messer, Softair-Gewehre, Schlagringe und Teleskopschlagstöcke wurden beschlagnahmt. Durch die Razzia sollen bislang noch fehlende Beweise gesichert werden, um ein Verbot der KMOB nach dem Vereinsgesetz durch das Landesinnenministerium zu ermöglichen. Szenekenner gehen davon aus, dass die Neonazi-Gruppierung schon in den nächsten Tagen offiziell verboten wird. Am Nachmittag sprach der Präsident des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder), Arne Feuring, auf einer Pressekonferenz von einer „guten Chance“, die Kameradschaft zu verbieten. Es wäre in diesem Jahr das bundesweit erste Verbot einer rechtsextremen Gruppe.

Auf das Konto der überregional agierenden KMOB gehen nach Polizeiangaben mindestens 16 Straftaten, darunter schwere Körperverletzung, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung. Im Juni 2009 wurde ein Mann mit polnischem Nachnamen von einem KMOB-Mitglied mit den Worten „Du Jude, früher hätten sie dich vergast“ beleidigt und mit der Faust ins Gesicht geschlagen. 2008 verübte ein 20-jähriger Neonazi aus dem Umfeld der Kameradschaft einen Brandanschlag auf ein alternatives Jugendzentrum in Bad Freienwalde.

Die KMOB war erst Anfang 2007 gegründet worden. Als Anführer gilt Robert G. aus Bad Freienwalde. Zum harten Kern der Gruppe werden offiziell rund 20 Personen gezählt. Seit Mai hatte die Kameradschaft mit einer Serie von Demonstrationen auf sich aufmerksam gemacht. Zwei der bisher vier Versammlungen wurden durch friedliche Blockaden verhindert, einen weiteren Termin sagten die Neonazis in Erwartung weiterer Protestaktionen kurzfristig ab. Die Rechten beschimpften die Gegendemonstranten als „scheinheilige Pfaffen, bekiffte, pädophile Sozialarbeiter, altkommunistische Sozi-Lehrer und ungewaschene Punks“. Nach Angaben der Polizei pflegte die Nazigruppe auch enge Verbindungen zu den ehemaligen Mitgliedern der im November 2009 verbotenen Berliner Kameradschaft „Frontbann 24“.

Zahlreiche Äußerungen und die von der Gruppe genutzten Symbole verdeutlichen ihre Nähe zum Nationalsozialismus und Gewalt. Es bestünden Anhaltspunkte, formuliert die Brandenburger Polizei vorsichtig, dass die KMOB sich „gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen die Gedanken der Völkerverständigung“ richtet.

Für ein Verbot nach dem Vereinsgesetz ist zudem wichtig, dass die Gruppierung zwar informell organisiert ist, jedoch durchaus als Verein betrachtet werden kann. In der Tat weist ein internes Regelwerk der Gruppe beispielsweise eine halbjährliche Probezeit für Neumitglieder aus, es wird monatlich ein Mitgliedsbeitrag erhoben und zu regelmäßigen „Kameradschaftsabenden“ geladen. Der dritte Paragraf des selbst erdachten Regelwerks illustriert das Verhältnis der KMOB zu Recht und Gesetz: „Keine Straftaten (außer politische)“.

Das anvisierte Verbot beunruhigt bereits spürbar die Neonazi-Szene in Berlin-Brandenburg. Die Kameradschaft „Freie Nationalisten Uckermark“ verkündete noch am Freitag im Internet ihre Auflösung – offenbar aus Furcht vor einem Verbot.

Die „Freien Kameradschaften“ haben sich in der Bundesrepublik seit Ende der neunziger Jahre etabliert. Nach einer Verbotswelle gegen verschiedene Neonazi-Organisationen bis 1997 versuchte sich die Szene über lose, lokale Aktivistenzellen neu zu gruppieren, um sich gegen den staatlichen Verfolgungsdruck abzusichern. Eine Organisation, die nicht registriert ist, kann auch nicht verboten werden, so die Strategie der Rechten.

Die Kameradschaften breiteten sich schnell aus und sind mittlerweile bundesweit präsent. Repressionssicher sind sie hingegen nicht, wie eine ganze Reihe von Verboten belegt – zuletzt traf es den Berliner „Frontbann 24“. Die Reichweite solcher Verbote ist jedoch begrenzt. Denn nur Namen, Logo und Struktur können verboten werden, nicht aber die soziale, kulturelle und auch politische Praxis der Zusammenschlüsse.

Zwar verunsichern Verbote die Szene, die Mitglieder verbotener Gruppen agieren aber unter Verzicht auf die alten Symbole weiter. Die NPD gilt für militante Neonazis spätestens seit dem 2003 gescheiterten Parteiverbotsverfahren als legale Ausweichoption. Beobachter gehen davon aus, dass sich in Brandenburg jetzt vermehrt Neonazis der NPD zuwenden werden.