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Mainzer Republikaner im Schafspelz

 

Mit Rechtspopulismus versucht neuerdings auch in Mainz eine "pro Bewegung" zu punkten © M. Pauly

Die neue Bürgerbewegung pro Mainz drängt in die Kommunalpolitik der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt. Ihr Name ist nicht die einzige Parallele zu den islamfeindlichen pro-Bewegungen in anderen Städten. Auch inhaltlich entpuppt sich die vermeintliche „Bürgerbewegung“ als klar rechtspopulistisch. Kein Wunder, wenn man sich anschaut, wer hinter pro Mainz steckt.

Es ist Montagabend, das neue Jahr ist erst wenige Tage alt. Die sieben Gründungsmitglieder von pro Mainz treffen sich zu ihrer ersten Sitzung in einer Gaststätte im Mainzer Stadtteil Mombach. Einer von ihnen ist Dieter Stenner – sein Name ist bis heute der einzige, der in der Außendarstellung der Vereinigung auftaucht. Mit seinem Vorzeige-Lebenslauf wirbt pro Mainz online und auf Flugblättern um neue Mitglieder: geboren 1939, verheiratet, vier Kinder, Jurist, ehemaliges CDU-Mitglied und viele Jahre für die rheinland-pfälzische Landesregierung tätig. Einstimmig wird der Mann mit der weißen Weste an diesem Abend zum Vorsitzenden gewählt.

Wer bei der Gründungssitzung noch mit am Tisch saß, war lange unklar. Doch nun liegen dem Störungsmelder die Namen vor; sie lesen sich wie eine Kandidaten-Liste der Mainzer Republikaner. Mindestens vier von ihnen sind oder waren für die rechte Partei tätig: René Metzner, der zu Stenners Stellvertreter bei pro Mainz gewählt wird, sitzt für die Republikaner in einer Arbeitsgruppe des Jugendhilfeausschusses. Jens Jessen ist REP-Abgeordneter im Mainzer Stadtrat. Stenners Ehefrau Helga sitzt für die Republikaner im Seniorenbeirat und Wilhelm Nagel kandidierte 2009 für die Partei als Ortsvorsteher im Mainzer Stadtteil Hartenberg-Münchfeld.

Die Bezeichnung pro Mainz, die sie sich an diesem Abend geben, macht hellhörig. Sie erinnert stark an das Netzwerk rechtspopulistischer und islamfeindlicher Bewegungen, deren Namen sich ebenfalls zusammensetzen aus der Vorsilbe pro und dem jeweiligen Stadtnamen. Auch inhaltlich finden sich viele Überschneidungen, etwa mit pro Köln, pro Berlin oder Pro Heilbronn. „Man kann es zurzeit noch nicht mit Sicherheit sagen, aber Alles deutet darauf hin, dass pro Mainz ein weiterer Knoten im Netzwerk der deutschen pro-Bewegungen ist“, sagt der Extremismus-Experte Alexander Häusler von der FH Düsseldorf gegenüber dem Störungsmelder.

Ein Kölner Exportschlager

„Diese pro-Bewegungen funktionieren immer nach dem gleichen Muster“, sagt Häusler: „Hier inszeniert sich Rechtspopulismus als vermeintliche ‚Bürgerbewegung‘. Im Gegensatz zu echten Bürgerbewegungen verfolgen die pro-Bewegungen aber nur scheinbar kommunale Anliegen. Tatsächlich besetzen sie klassische rechtspopulistische Felder, für deren Thematisierung sie lokale Konflikte aufgreifen und skandalisieren.“ Als Vorbild dient pro Köln, die erste pro-Bewegung. Mit einem eigens entwickelten Aufbaukonzept wird versucht, das Modell netzwerkartig auf andere Städte zu übertragen.

Bei den Mainzer Republikanern pflegt man schon seit Längerem gute Kontakte zu den pro-Architekten in Nordrhein-Westfalen. Stephan Stritter, der REP-Fraktionschef im Stadtrat und Bundesvize, schmiedet große Pläne zusammen mit Markus Beisicht, dem Vorsitzenden von pro Köln und der daraus hervorgegangenen landesweiten Bewegung pro NRW: Gemeinsam bemühen sie sich um eine Fusion von Republikanern und pro-Bewegung.

Ziel der pro-Bewegungen ist es, einen neuen politischen Ort zu besetzen, erklärt Extremismus-Experte Häusler: „zwischen der konservativen und der extremen Rechten. Man will Stimmen aus dem rechtsextremen Milieu bekommen, gleichzeitig aber auch für Konservative wählbar bleiben, etwa für das nationalkonservative Lager von CDU/CSU.“

Sondermodell Mainz

Alles deutet auf eine mindestens informelle Zusammenarbeit zwischen pro Mainz und dem pro-Netzwerk hin: die analoge Namensgebung, die personelle Verflechtung mit den Mainzer Republikanern und deren Beziehung zu pro Köln. In der politischen Positionierung bemüht sich auch pro Mainz, CDU-Aussteiger anzusprechen, verwendet rechtspopulistische Rhetorik, wettert gegen die etablierten Parteien und benutzt zum Teil sogar die gleiche Wortwahl wie das pro-Netzwerk.

Die tatsächliche Beziehung scheint aber komplexer zu sein. Ausdrücklich distanziert hat sich pro Mainz von seinen Namensvettern nicht, dennoch wehrt sich der Vorsitzende Stenner gegen Vergleiche: In einer Reaktion auf Vorwürfe der Grünen Jugend stellt er klar, pro Mainz sei „kein ‚Ableger‘ von irgendjemandem“ und man solle „erst mal abwarten, welche Politik, welche Schwerpunkte die Bürgerbewegung PRO MAINZ verfolgt“.

Die Kernforderungen von pro Mainz lassen sich in wenigen Punkten zusammenfassen und erinnern auch stark an die Programme anderer pro-Bewegungen: kulturelle Identität stärken, Überfremdung und Islamisierung stoppen, innere Sicherheit gewährleisten, Korruption und Geklüngel bekämpfen. Für Extremismus-Experte Häusler ist klar, „pro Mainz spielt auf der rechtspopulistischen Klaviatur: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit. Besonders ist aber, wie pro Mainz mit dem Thema Überfremdung und Islamisierung umgeht. Zwar bezieht die Vereinigung hier ganz klar Stellung, etwa gegen Großmoscheen mit Minaretten. Das tut sie aber im Moment noch lange nicht so offensiv und offensichtlich wie andere pro-Bewegungen.“

Die zweite Besonderheit, die Häusler feststellt, ist die Personalie Dieter Stenner: „Der pro-Mainz-Vorsitzende ist ein Brückenschlag zum konservativen Lager. Weil er einen seriösen Lebenslauf vorzuweisen hat und nicht aus der rechten Ecke kommt, kann Stenner auch dort auf Zustimmung hoffen, wo andere Rechtspopulisten auf Ablehnung stoßen würden. Das unterscheidet pro Mainz von anderen pro-Bewegungen und auch von den Republikanern.“

Unklares Verhältnis zur extremen Rechten

Unklar ist zurzeit nicht nur die genaue Beziehung zum pro-Netzwerk, sondern auch die zur extremen Rechten. Auf dem Papier grenzt sich pro Mainz ausdrücklich ab: „Radikale und Extremisten dürfen keine Chance haben“, ist im Parteiprogramm zu lesen. Die pro-Mainz-Aktivisten selbst kommen dieser Forderung aber nicht ganz nach: Etwa in technischen Fragen holt man sich gerne Unterstützung von Rechts Außen.

Inhaber der Domain buerger-pro-mainz.de, unter der man die Website der Vereinigung erreicht, ist der DVU-Internetbeauftragte* Michael Münch aus dem benachbarten Frankfurt am Main. Er hatte erst im vergangenen Jahr den Republikanern den Rücken gekehrt, nach seiner erfolglosen Kandidatur bei der hessischen Landtagswahl. Seither ist er für die vom Verfassungsschutz beobachtete Volksunion aktiv*.

Ein anderes Beispiel ist der YouTube-Nutzer Preusse89, der das neunsekündige Werbefilmchen online gestellt hat, das die rechte Seitenleiste der pro-Mainz-Website schmückt. Er hat seinen YouTube-Account in der Vergangenheit dazu genutzt, Jörg-Haider-Videos als Favoriten zu speichern und sich mit eindeutig rechtsextremen Kontakten zu vernetzen, wie etwa dem NPD-eigenen Kanal proheimat.

Die Forderung von pro Mainz nach der „Bekämpfung von jeglichem Extremismus“ wirkt vor diesem Hintergrund wie ein bloßes Lippenbekenntnis. „Es ist auch im pro-Netzwerk nicht unüblich, auf Know-how und Logistik von Rechtsextremen zurückzugreifen, obwohl man sich offiziell von ihnen distanziert, um wählbar zu bleiben“, erklärt Extremismus-Experte Häusler.

Kommunalparlamente schon unterwandert?

Das Ziel von pro Mainz ist klar definiert: Die Rechtspopulisten wollen bei Wahlen antreten und in den Stadtrat und in die Ortsbeiräte einziehen. Und obwohl die nächsten Kommunalwahlen erst in vier Jahren stattfinden, könnte der Sprung in die Räte bereits vorher gelingen, indem man Abgeordnete anderer Fraktionen für sich gewinnt. Mit dem Republikaner Jens Jessen sitzt bereits heute ein pro-Mainz-Gründungsmitglied im Stadtrat.

Darüber hinaus hat pro Mainz nach eigenen Angaben auch mit Abgeordneten anderer Fraktionen der Kommunalparlamente gesprochen, die sich der Vereinigung anschließen wollten. Vor allem CDUler suchten nach einer „wertekonservativen Alternative“, so Stenner. Wie ernst diese Ankündigung zu nehmen ist, bleibt aber offen. Bislang hat sich kein Abgeordneter als „Überläufer“ zu erkennen gegeben und auch in der von Stenner explizit genannten CDU-Stadtratsfraktion zeigt man sich auf Nachfrage des Störungsmelders überrascht. Es habe weder Austritte gegeben, noch seien irgendwelche Tendenzen in diese Richtung zu erkennen, sagte ein Sprecher.

Ausblick

Zu Verwunderung hat pro Mainz auch beim fast gleichnamigen, aber schon knapp zwanzig Jahre alten Verein proMainz und Rheinhessen e.V. geführt. Der Verein engagiert sich für die Stärkung der Region als Wirtschaftsstandort und distanziert sich klar zur neugegründeten „Bürgerbewegung“ und zum pro-Netzwerk. Der stellvertretende Vorsitzende Karl-Ludwig Krauter erklärte gegenüber dem Störungsmelder, man prüfe zurzeit noch, wie aussichtsreich ein Rechtsstreit über die Verwendung des Namens wäre. In den kommenden Wochen werde eine Entscheidung darüber fallen.

Was pro Mainz vorerst erspart bleibt, ist eine Auseinandersetzung mit den Verfassungsschützern. Denn während etwa pro Köln und pro NRW vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet werden, ist pro Mainz bei den Behörden noch nicht auffällig geworden. Laut rheinland-pfälzischem Innenministerium gibt es derzeit „keine Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen im Sinne des Landesverfassungsschutzgesetzes“.

Das könnte sich ändern, sobald die Strukturen von pro Mainz und die Verbindungen zu Republikanern und pro-Netzwerk deutlicher werden. Es seien noch eine ganze Reihe an Fragen offen, sagt Extremismus-Experte Häusler: „Noch ist unklar, wer der Strippenzieher hinter pro Mainz ist, welche Rolle dem Vorsitzenden Dieter Stenner tatsächlich zukommt und ob möglicherweise ein Machtkampf bevorsteht zwischen ihm und REP-Chef Stephan Stritter um die Führungsrolle im rechtspopulistischen Lager.“

* pro Mainz teilte am 24.07.2010 mit, Michael Münch sei aus der DVU „vor über einem halben Jahr ausgetreten“.