Während sich angebliche „Zentren“ der NPD in Nordsachsen als Luftnummern heraus stellen, hat die NPD in Thüringen ihren neuen Sitz in Bad Langensalza offenbar etablieren können. Drei Monate nach der Bekanntgabe ihres neuen Standortes in der Kurstadt lud der NPD-Landesverband zu einer Veranstaltung mit dem Bundesvorsitzenden Udo Voigt und dem Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke ein. Während die rechte Szene ins „Bürohaus Europa“ zog, protestierte das neu gegründete „Bündnis für Demokratie“ gegen rechtsextreme Umtriebe in der Kurstadt. Mit einer Aktionswoche gegen Rassismus rief das Bündnis zum Engagement gegen Neonazis auf.
Nicht nur gegen Neonazis kämpft das „Bündnis für Demokratie“ bei seinem Straßenfest „Aufmucken für Demokratie“, auch das Sturmtief Carmen erweist sich im Vorfeld als hartnäckige Gegnerin. Flatternde Planen beim Bühnenaufbau, Schauer und teils hartnäckiger Regen verzögern den Beginn der Veranstaltung vor der Marktkirche. Rund einen Kilometer entfernt ist im „Bürohaus Europa“ zu diesem Zeitpunkt bereits die Technik für die Veranstaltung mit Voigt und Rennicke eingetroffen. Vor dem viergeschossigen Flachdachbau zeigt ein Schild, was die Bewohner der Rosenstadt von den neuen Mietern halten: „Nazis raus aus Bad Langensalza!“. Auch auf andere Arten drückt sich der Unmut aus: kurz vor der öffentlich beworbenen Veranstaltung haben Unbekannte Farbbeutel gegen das Haus geworfen. Bis zum dritten Obergeschoss reichen die Farbkleckse auf der weißen Fassade.
Neuer Veranstaltungsort Bad Langensalza
Etwa 140 Neonazis besuchten nach Angaben der NPD die Veranstaltung, auf der neben Voigt auch der stellvertretende Landesvorsitzende Patrick Wieschke sprach. Es ist nicht die erste Veranstaltung, seitdem die NPD im August ihre Landesgeschäftsstelle in dem Bürohaus eröffnet hatte. Zu diesem Anlass hatte der Vorsitzende der NPD in Thüringen, Frank Schwerdt, bereits auf einer inszenierten Pressekonferenz angekündigt, erste Termine für Liederabende mit nationalen Musikern in dem ehemaligen Kantinenraum seien bereits festgezurrt. Nur eine Woche später wurde klar, was Schwerdt gemeint hatte, als im Bürohaus das erste Rechtsrock-Konzert in Bad Langensalza über die Bühne ging. Bei der Premiere in der Kurstadt standen gleich vier Neonazi-Bands auf der Bühne in der ehemaligen Kantine, darunter „Stray Bullet“ aus Bayern, „Devils Project“ aus Böblingen sowie die Thüringer „Last Man Standing“ und „12 Golden Years“. Besonders die letzte Gruppe mit dem Beinamen „Hate Orchestra“ aus Apolda macht kein Geheimnis daraus, welche „zwölf goldenen Jahre“ sie wohl meint. Nach Aussagen des Thüringer Innenministeriums hatte Patrick Weber, Betreiber des „Germania Versandes“ und Mitglied im Thüringer NPD-Landesvorstand, die Kantine für eine „private Feier“ zur Verfügung gestellt. Bei einem Eintrittspreis von 15 Euro spielten die Bands vor rund 100 Neonazis. Offenbar mit Erfolg: „Spitze Abend … alle Bands haben ihr bestes gegeben!“ und „feiner Abend!“ heißt es in einschlägigen Internetforen. Die Polizei begnügte sich nach Angaben der regionalen Presse mit „einem kurzen Blick ins Innere der Fahrzeuge“. War das Konzert im August noch per SMS und Mail beworben worden, warb die NPD ganz öffentlich für den Auftritt von Rennicke und Voigt. Damit erteilt die NPD dem Verfassungsschutz eine Abfuhr, der noch Anfang August einen Kauf der Immobilie „für mehr als unwahrscheinlich“ hielt. Stattdessen will sich die Partei offenbar dauerhaft in Bad Langensalza niederlassen.
Rechtsextreme Erlebnislandschaft Thüringen
Die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) warnt dabei vor einem verstärkten Eindringen der Neonazis in den vorpolitischen Raum, das mit den Konzerten verbunden sei. Sollten sich die Angaben der NPD bewahrheiten, nach denen die jüngste Veranstaltung „in Thüringen nicht einmalig bleiben wird“, ist die rechtsextreme Erlebniswelt in Thüringen um ein Mosaikstück reicher. Welch bedrohliches Potenzial sie schon jetzt besitzt, beweist ein Blick auf den 28. August. Neben dem Rechtsrockkonzert in Bad Langensalza fand im Vogtland ein so genanntes „Rudolf-Heß-Gedenk-Fußballturnier“ statt, zu dem Neonazis aus Bayern, Sachsen und Thüringen angereist waren. Im Erfurter Stadtteil Wiesenhügel führten Neonazis ein sog. „Kinderfest“ durch, in Südthüringen trafen sich Mitglieder und Anhänger der „schlesischen Jugend Thüringen“, in der sich NPD-Funktionäre und ehemalige Mitglieder der inzwischen verbotenen Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ tummeln. Dass derartige rechtsextreme Aktivitäten auch vor Ort Spuren hinterlassen, mussten die Mitglieder der „Bündnisses für Demokratie“ in Bad Langensalza feststellen. Ein als Symbol für Toleranz und Gleichheit errichteter Friedenspfahl war am Vorabend der Aktionswoche gegen Rassismus von Unbekannten abgesägt worden.