In Sachsen-Anhalt präsentiert die NPD einen dichtenden Ex-SPD-Bürgermeister als Landtagskandidaten.
Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen
Hans Püschel dichtet gern. „Wir sind der Deutschen letzter Haufen“, ruft er in den Saal, „für Deutschland lohnt es sich zu raufen“. Das Publikum klatscht heftig, Bravo-Rufe schallen hoch zur Bühne. Da steht der große, bärtige Mann und nickt. Püschel fühlt sich bestätigt, nicht nur als lyrische Stimme aus dem Volk. Der Ortsbürgermeister von Krauschwitz, einem Dorf mit 560 Einwohnern im Süden Sachsen-Anhalts, tritt auf als politischer Rebell „für Deutschland“. Ein wütender Ostmensch, dem man die 62 Jahre nicht ansieht, einst Mitgründer der SPD hier im Burgenlandkreis – und jetzt (parteiloser) Direktkandidat der NPD bei der Landtagswahl im März.
Und Püschel redet, als sei er schon lange Rechtsextremist, nicht erst seit dem spektakulären Abgang bei den Sozialdemokraten im Dezember.
Da ist es naheliegend, dass die NPD die heiße Phase ihres Wahlkampfs in Püschels Heimat startet. Am Sonntag haben sich etwa 80 Parteileute im renovierungsbedürftigen „Gemeinschaftshaus Krauschwitz“ versammelt. Viele ländliche Gesichter, fast nur Männer, auch NPD-Chef Udo Voigt ist gekommen. Die Partei will in Sachsen-Anhalt einen „Schwerpunktwahlkampf“ führen, in der Hoffnung auf den Einzug in einen dritten Landtag in Ostdeutschland, wo sie schon in den Parlamenten von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sitzt.
Bei den Demokraten ist die Sorge groß, die NPD könnte es am 20. März schaffen. In den Umfragen pendelt sie zwischen zwei und vier Prozent, zuletzt waren es drei. Das ist keine Garantie für ein Scheitern der NPD. Außerdem ist der Schock von 1998 unvergessen. Damals stürmte die DVU unerwartet mit 12,9 Prozent in den Landtag. NPD-Funktionäre hoffen jetzt auf immerhin „sieben Prozent plus x“. Schon wegen des Püschel-Faktors.
Und weil der Mann, der die NPD in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zum Erfolg führte, auch den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt organisiert: Holger Apfel, Vorsitzender von Partei und Fraktion in Sachsen. In Krauschwitz hält Apfel eine Rede, schimpft auf „Volksverräter“, plaudert aber auch freundlich mit Journalisten, obwohl in der NPD die „Systemmedien“ verhasst sind. Apfel, dunkler Anzug, Krawatte, akkurate Frisur, verkörpert den Versuch, die NPD professioneller, bürgerlicher erscheinen zu lassen.
Dazu passen in Sachsen-Anhalt die Kandidaten, die auf der Landesliste vorne stehen – angehende Akademiker, die sich äußerlich weitab von Nazi-Klischees präsentieren. Spitzenkandidat ist NPD-Landeschef Matthias Heyder, ein 38-jähriger gelernter Bankkaufmann mit randloser Brille, der in der Immobilienbranche tätig war und Jura studiert. Im seriösen Outfit steckt aber ein knallharter NPD-Funktionär. Es war Heyder, der kurz vor der Landtagswahl im März 2006 einen Auftritt des linken Liedermachers Konstantin Wecker in einer Schule in Halberstadt verhinderte. Der NPD-Mann hatte dem Landratsamt ein derart aggressives Schreiben gefaxt, dass die Behörde Angst bekam und das Konzert ausfiel.
Kaum weniger offensiv agieren die Kandidaten auf den Plätzen zwei und drei, Matthias Gärtner und Michael Schäfer. Die adrett angezogenen Studenten sitzen in Kommunalparlamenten, Schäfer führt zudem den Jugendverband der NPD, die „Jungen Nationaldemokraten (JN)“. Die JN sehen sich als Scharnier zwischen der Mutterpartei und der Szene der unorganisierten, jungen Neonazis. Von denen sitzt in Krauschwitz aber fast keiner im Saal.
Hier passt neben Püschel eher einer hin wie der 52-jährige Lutz Battke aus Laucha, Platz sieben der Liste. Der Poltergeist mit dem Hitlerbärtchen wurde bekannt, als die Landesregierung ihn nicht aus dem Amt des Bezirksschornsteinfegermeisters drängen konnte und Sportverbände nur mühsam den Lauchaer Fußballverein dazu brachten, Battke als Jugendtrainer zu entlassen. Im November bekam er bei der Bürgermeisterwahl in Laucha 24 Prozent. Der Saal bejubelt ihn.
Aus dem Dorf selbst sind am Sonntag nur wenige ins Gemeinschaftshaus gekommen. Draußen schimpfen einige auf Püschel. „Der macht aus unserem Dorf ein Nazi-Nest“, sagt ein Rentner. Und er fürchtet, der Bürgermeister werde die ganze Amtszeit durchhalten – bis 2014.