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Die NPD ist präsent – am Mast und im Alltag

 

Petra Pau mit Mitarbeitern von Zora e.V. in Halberstadt vor einer Tafel mit Aufschrift: Nie wieder

Unsere Gastautorin Petra Pau, die für die Linksfraktion im Bundestag sitzt, war mehrere Tage in Sachsenanhalt unterwegs, um sich über rechtsextreme Strukturen und zivilgesellschaftlichen Widerstand zu informieren. Hier ist ihr Erfahrungsbericht:

„Die Finanzlage ist katastrophal. Wir können nur noch unpopuläre Beschlüsse fassen. Kommunale Strukturen brechen weg, sozial-kulturelle Angebote trocknen aus.“ Jana Grandi (CDU) kennt aus eigener Erfahrung, worüber sie klagt. Sie ist Verbandsgemeindebürgermeisterin in einer Region, die immer wieder mal überregional Schlagzeilen liefert.

Ich war gerade zwei Tage lang in Sachsen-Anhalt unterwegs. Meine zentrale Frage war: Was kann, was muss getan werden, um rechtsextreme Tendenzen zurückzudrängen? Der Burgenlandkreis war kein Zufallsziel. Die NPD hat die Straßen durchplakatiert, wie überall in Sachsen-Anhalt, Mast für Mast, auch in Freyburg, der „Rotkäppchen“-Stadt.

Laucha war meine zweite Station. Der Bürgermeister ließ mir seine Stadt zeigen, nebst Glockenbaumuseum. Zur NPD erklärte er lapidar: „Die Bundespolitik sollte sie endlich verbieten.“ Auf Plakaten verkündet derweil der einschlägige NPD-Kandidat: „Ich sage, was Sie denken!“ Er ist wohlbekannt und gelitten, als Schornsteinfegermeister und als Jugendfußballtrainer.

Danach besuchte ich eine zugereiste Familie. Ihr Sohn wurde unlängst als Judenschwein beschimpft und zusammengeschlagen. Der Täter trainierte beim NPD-Kandidaten, dem mit dem Hitlerbärtchen und einem Führerbild auf dem Handy. Zur Bürgermeisterwahl vor Jahresfrist hatte er 24 Prozent aller abgegebenen Stimmen auf sich vereint. Er gilt als Zugpferd der NPD.

Familie Lev sind Juden. Sie wähnten sich in Laucha heimisch – bis zu dem Vorfall. Ihr Wohnhaus steht hinter einer „Schule ohne Rassismus“. Aber die Levs fühlen sich zunehmend alleingelassen. Gerüchte werden gestreut, sie seien Rauschgiftdealer. Die Kirche solidarisiert sich mit ihnen, auch Frau Jana Grandi. Vor dem Gotteshaus demonstrierte die NPD: „Wir räumen auf!“.

Wir mussten das „skandalisieren“ und in die Medien bringen, sagten mir tags darauf die Mitstreiter von Miteinander e.V. Sonst wäre normal geworden, was nie mehr normal werden darf. Ich sprach mit ihnen in Halle an der Saale. Sie bestätigten mir auch: Die rassistisch motivierte Gewalt nimmt zu. Und die offiziell zugegebenen Zahlen rechtsextremistischer Straftaten stapeln tief.

Gegen das Vergessen und Verharmlosen stemmt sich auch das Simon Rau Zentrum in Weißenfels, mit politischer Bildung und historischer Forschung. Und sie haben ein ehrgeiziges Projekt. Sie wollen die baulichen Hinterhofreste der einstigen Synagoge retten und als Museum ausgestalten. Der letzte aktive Rabbiner – bis zur Nazizeit – hieß Simon Rau.

Aber es droht doppeltes Ungemach. Das Haus zerfällt und obendrein soll es zwangsversteigert werden. Hilferufe an die Stadtverwaltung blieben bisher unerhört, sagen die Zentrumsaktivisten. Ich versprach ihnen, Kontakte zu jüdischen Organisationen in Deutschland zu knüpfen. Aber wir waren uns einig. Zuständig bleibt Weißenfels mit seinen Bürgerinnen und Bürgern.

Im Kreistag zu Weißenfels hat die NPD bereits seit mehreren Jahren drei Mandate. Der hitlerbärtige Essenkehrer gehört dazu. Gelegentlich reden sie sich vernehmbar mit Volksgenosse an, während sie ihren Rassismus wohlfeil in soziale Forderungen, wie „Arbeit statt Armut“, verpacken. Viele sind im Burgenlandkreis arm und perspektivlos, Hartz IV-gedehmütigt.

Inzwischen gäbe es in Sachsen-Anhalt vier regionale Zentren, in den Nazis längst den Alltag mitprägen, sagen mir die Leute von Miteinander e.V. Das Burgenland und der Südharz sowie die Städte Magdeburg und Halberstadt. Die NPD hofft auf 5 Prozent plus X bei der Landtagswahl am 20. März. Ihre braunen Plakate sind omnipräsent, quer durchs Land, selbst im kleinsten Dorf.

Plötzlich sind alle demokratischen Parteien „elektrisiert, wie immer vor Wahlen“, höre ich bei Miteinander e.V. Aber dazwischen seien meist nur die üblichen Verdächtigen unterwegs, wenn es darum gehe, dem Rechtsextremismus vorzubeugen und sich parteiübergreifend für Demokratie und Toleranz zu engagieren. Das könne sich am Wahltag rächen.

In Halberstadt überfielen Neonazis erneut das soziokulturelle Jugendhaus Zora e.V. Nicht zum ersten Mal. Ich treffe mich mit dem Vereinsvorstand. „Es gibt in der Stadt Viertel, da traue mich in der Dunkelheit nicht mehr hin“, sagt ein Betreuer. Stolz zeigen sie mir ihre Räume und Projekte. Die Hausordnung weist aus: „Alles erwünscht, nur keine rechten Gedanken!“

Die Stadt und der Landkreis unterstützen Zora e.V. seit 15 Jahren. Erst kürzlich wurde ein neuer Konzertraum eingeweiht. „Wer kommt, fühlt sich wohl“, sagt man mir, „und wird beobachtet von Nazispähern.“ Die NPD habe die Vorharzstadt als künftiges Bundes-Zentrum auserkoren. Bürgerbündnisse aus Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode wollen dies gemeinsam verhindern.