Wieso viele Leipziger die NPD als anrüchiger denn je empfinden.
In der Odermannstraße 8, weit im Westen Leipzigs, sieht es so aus, als verstecke die NPD sich dort vor der Welt. Meterhoch sind die Mauern ums Grundstück, über allem thront Stacheldraht, das Tor ist aus Stahl. Von außen gesehen, könnte dies ein Gefängnis sein, und manche höhnen, es seien entsprechend viele Kriminelle drin.
Von Martin Machowecz
Man kann in der Odermannstraße die Neonazis nicht sehen, dafür sind die Mauern zu hoch. Man kann sie aber riechen. Und wahrscheinlich, sagen die Nachbarn, die das seit Monaten ertragen müssen, wahrscheinlich ist das sogar noch schlimmer. Man müsse mal einen Kanaldeckel aufschrauben und den Kopf hineinhalten, sagt jemand aus der Straße. Danach wisse man, wie für die Leute hier die NPD rieche.
Leipzig lästert über die Toilettengeschichten der NPD. Denn es gibt in der Odermannstraße 8 eine Sache, die ungeklärt bleibt: das Abwasser. Auf dem Grundstück sollen Schächte und Leitungen verstopft sein, seit Monaten beschweren sich erregte Anwohner beim Tiefbauamt über den Mief.
Noch brüstet sich der NPD-Kreisverband mit seinem Treffpunkt: »Seit fast 3 Jahren existiert das NPD-Bürgerzentrum offiziell und ist ein Anlaufpunkt für volkstreue Deutsche jeder Generation.« Nur zwei Gebäude stehen auf ihrem Hof, ein Flachbau und ein zweigeschossiges Wohnhaus, auf dem Dach ist die Reichsflagge gehisst, es wirkt trist. Das Gelände sei zu »einem überregionalen Veranstaltungszentrum weit über die Stadtgrenzen hinaus« geworden, erklärt die NPD. Genau das ist das Problem, sagen die Bewohner der Odermannstraße. Viele Nazis: viele Fäkalien.
»Dort finden regelmäßig Großveranstaltungen statt«, sagt auch der Grünen-Stadtrat Norman Volger, »und immer, wenn es so weit ist, stinkt es bestialisch.« Die NPD dementiert das. In einer Stellungnahme schreibt ihr Kreisverband: Die Kommunalen Wasserwerke hätten keine gravierenden Mängel festgestellt. Die Wasserwerke selbst sehen das anders. Bei einer Kamerabefahrung, teilt das Unternehmen mit, habe man festgestellt: Der Abfluss der NPD ist verstopft. Die Fäkalien der Rechtsextremen liefen auf den Hof des Nachbarmietshauses. »Das NPD-Zentrum in der Odermannstraße verstößt offenbar gegen die geltende Abwassersatzung«, meldete die Leipziger Volkszeitung.
»Das Problem«, sagt Katja Gläß, Sprecherin der Wasserwerke, »ist der Übergabeschacht an der Grundstücksgrenze.« Der Zufluss zum öffentlichen Kanalnetz sei mit Bauschutt verfüllt gewesen. Bewusst? Aus Schlampigkeit? »Der Grundstückseigentümer wurde zur Mängelbeseitigung bis zum 31. März aufgefordert«, so der Baubürgermeister. Die NPD sei dieser Aufforderung auch nachgekommen. Eine Mitarbeiterin des Tiefbauamtes habe das überprüft.
Unsinn, sagen die Anwohner. Es stinke ja immer noch. »Sie beschweren sich weiterhin«, weiß auch Grünen-Mann Volger. »Und das Schlimmste: Bei ihren Großveranstaltungen gehen die Rechtsextremisten auch nicht nur aufs Klo. Die gehen an den Nachbarszaun.« Es riecht nach Urin, und es riecht nach Ärger.
Man würde gern mit Winfried Petzold darüber sprechen, er ist Landtagsabgeordneter der NPD, sein Bürgerbüro liegt auf dem Grundstück. Petzold gilt als der Mann, der auf dem Hof das Sagen hat. Das Problem ist, dass man ihn nicht erreicht. Er habe, sagt irgendwann eine Fraktionsmitarbeiterin, sich krankgemeldet.
Die NPD ist blamiert, und sie hat noch ein Problem: Die Bürger formieren sich wieder gegen das ungeliebte Parteigelände. Am 8. Mai veranstaltete ein Bürgerbündnis einen Protestmarsch; auch Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) war dabei. Und die Antifa-Szene schloss sich jüngst zu einer Aktionsgruppe zusammen: »Fence off« heißt die: »Weg mit dem Nazizentrum in LE!« Vorige Woche veranstaltete man eine Diskussion. »Das mit der Scheiße«, sagte dort jemand, »das könnte dazu führen, dass die Nazis bald nicht mehr so können, wie sie gerne wollen.« An diesem Sonnabend soll eine große Kundgebung stattfinden. Man könnte sagen: Nach der Abwassergeschichte setzen die Leipziger darauf, dass die Neonazis ihr Geschäft künftig woanders erledigen.