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Pro Deutschland verliert gegen Kreuzberg

 

Mehrere hundert Demonstranten haben am Donnerstag in Berlin-Kreuzberg eine Veranstaltung der Ultrarechten  von von Pro Deutschland im Rathaus verhindert. Die Polizei schaffte es nicht die friedlich Blockaden der Nazi-Gegner zu räumen.

Von Ariane Bemmer, Christoph Stollowsky & Hannes Heine

Es war ein Mix von Protest und Happening, sogar Clowns und Artisten waren unter den Gegendemonstranten, als die ultrarechten Islamgegner von „Pro Deutschland“ am Donnerstagabend umringt von Polizisten zu ihrer Tagung im Kreuzberger Rathaus schritten. Sprechchöre schallten den rund dreißig meist älteren Männern entgegen: „Haut ab, das ist unser Bezirk“, riefen die etwa 200 Demonstranten von der Gewerkschaft Verdi, SPD, Grünen und antifaschistischen Gruppen. Schließlich gelang es den protestierenden Kreuzbergern, das als Provokation geplante Treffen von „Pro Deutschland“ in ihrem Bezirk friedlich zu verhindern. Das ist ein großartiger Erfolg“ , rief ihnen Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) danach zu.

Bis zu den Eingängen des Rathauses kamen die Ultrarechten noch unter Polizeischutz voran, dann aber mussten sie unverrichteter Dinge im Parterre kehrt machen. Die Treppe zum Saal der Bezirksverordnetenversammlung, den sie angemietet hatten, war von Gegnern blockiert – und die Polizei griff hier aus rechtlichen Gründen nicht ein. Rund 500 Polizisten waren während des Abends im Großeinsatz, aber sie sahen sich kaum mit Gewalt konfrontiert. Dem Vernehmen nach gab es nur vier Festnahmen.

Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremen in den vergangenen Tagen, unter anderem gab es Anschläge auf linke Wohnprojekte, ging die Polizei am Donnerstagabend von einer möglichen Eskalation aus. Verschärfend kam hinzu, dass die Ultrarechten, die im September zur Berliner Abgeordnetenhauswahl kandidieren wollen, ihr Treffen im BVV-Saal gegen den Widerstand des Bezirks im Mai gerichtlich durchgesetzt hatten. „Pro Deutschland“ und die NPD hätten wie jede zugelassene Partei einen Anspruch auf Bezirksräume, entschied das Verwaltungsgericht.

So entstiegen die Mitglieder der islamfeindlichen Bürgerbewegung gegen 19 Uhr ihren Taxen, darunter ihr Bundesgeschäftsführer Lars Seidensticker und der Berliner Spitzenkandidat Manfred Rouhs. Währenddessen war das Straßenfest der Gegner vor dem Rathaus unter dem Motto „Bunt statt braun – Friedrichshain-Kreuzberg gegen Rassismus“ schon in vollem Gange. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) rief dazu auf, „ein Zeichen gegen Rechts“ zu setzen.

Die Polizei eskortierte „Pro Deutschland“-zum Rathaus, hielt sich aber ansonsten bewusst zurück. Eine gewaltsame Räumung des blockierten Treppenhauses, an dessen Decke Luftballons schwebten mit der Aufschrift „Nazis raus!“ lehnte sie ab. Denn im Rathaus hat der Bezirk das Hausrecht. Die Polizei kann dort von sich aus nur bei begangenen Straftaten eingreifen. Andernfalls nur, „wenn wir sie sie um eine Räumung im Rahmen der Amtshilfe gebeten hätten“, so Bürgermeister Schulz. Das wäre aus seiner Sicht aber „unverhältnismäßig“ gewesen. „Die Situation wäre eskaliert.“ Außerdem ist ein solcher Schritt für ihn ohnehin „politisch undenkbar“. So stiegen die Chefs von „Pro Deutschland“ und ihr Gefolge wieder in Taxen und fuhren davon. Ihre Gegner feierten den Erfolg noch bis 22 Uhr vor dem Rathaus.

Vor wenigen Tagen hatten sich die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien mit Blick auf die Wahl im September auf ein gemeinsames Vorgehen gegen Rechtspopulisten verständigt. SPD, Linke, CDU, Grüne und FDP unterzeichneten eine Erklärung, genannt „Berliner Konsens“. Darin hieß es, sollten Rechtspopulisten öffentliche Räume für Veranstaltungen nutzen wollen, müsse dem „mit allen juristischen Mitteln und Möglichkeiten des demokratischen und friedlichen Protestes“ begegnet werden. Schon kommenden Freitag muss die Polizei dem Vernehmen nach den nächsten Großeinsatz einplanen: Im Treptower Stadtteil Schöneweide wollen Antifa-Gruppen am Abend des 8. Juli gegen den Laden „Hexogen“ in der Brückenstraße demonstrieren.