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Zweifelhafter Ausstieg

 

Wie dem folgenden Gastbeitrag von Felix Krebs zu entnehmen ist, ist der angebliche Nazi-Aussteiger Johannes D. seit Anfang des Jahres Mitglied im Hamburger Polizeisportverein. D. ist wegen Körperverletzung verurteilt und trotz öffentlich verkündetem Ausstiegs weiterhin Mitglied in einer extrem rechten Organisation.

Seit mindestens Anfang des Jahres ist Johannes D. Mitglied eines Erste-Herren-Teams des Budo-Centrums der Sportvereinigung Polizei Hamburg. Auch bei Wettkämpfen trat Johannes D. schon für die SV Polizei an, zuletzt bei dem Wettbewerb „Iron Warrior Germany“ am 11. Juni 2011 in der 80 kg-Klasse. Dass der 22-Jährige früher schon richtig zuschlagen konnte, ist seit längerem aktenkundig. 2007 war er zusammen mit zwei anderen Neonazis an einem brutalen Überfall auf einen Ghanaer in Hamburgs Straßen beteiligt. In der Revisionsverhandlung vor dem Landgericht Hamburg wurde er wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neuen Monaten auf Bewährung verurteilt. Wahrscheinlich war er schon zum Tatzeitpunkt Mitglied der Hamburger NPD, im Dezember 2007 wurde er jedenfalls als Schatzmeister der Nazipartei für den Kreisverbandes Eimsbüttel angegeben.

Die Verurteilung hielt Johannes jedoch nicht von weiterem Engagement in der rechen Szene ab. In den folgenden Jahren sah man ihn häufig bei Nazi-Aufmärschen und an NPD-Infotischen. Im Sommer 2010 nahm er an dem alljährlichen „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf teil und  war sogar für den berüchtigten Ordnungsdienst (OD) der NPD tätig. Wer dort mitmachen möchte, der „sollte ein Mindestmaß an körperlichen und sportlichen Voraussetzungen erfüllen. Anzustreben sind die Leistungen für das Deutsche Sportabzeichen „, heißt es in einem Werbeblatt der parteieigenen Truppe, die bei der Absicherung von Veranstaltungen schon mal zuschlägt.

Seit Herbst 2010 sei Herr D. nun aus der Szene ausgestiegen, heißt es und geht seinen sportlichen Interessen inzwischen bei der SV Polizei nach. Im dortigen Vorstand weiß man von seiner NPD-Vergangenheit und sieht ihn als Aussteiger an.

Ausstieg, Rückzug, Pause oder was?

Tatsächlich tritt Johannes D. seit Herbst 2010 nicht mehr öffentlich für die NPD auf. Im Bürgerschaftswahlkampf und bei Naziveranstaltungen war er niemals zu sehen. Ein Rückzug aus Strukturen der NPD ist also glaubhaft. Allerdings ist Herr D. spätestens  seit Dezember 2005 auch Mitglied der Pennalen Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg (PB! Chattia), einer Naziburschenschaft für Schüler und Studenten, die personell mit der NPD und den Freien Kameradschaften verwoben ist und streng konspirativ arbeitet. Der Hamburger Verfassungsschutz widmet der PB! Chattia inzwischen ein eigenes Kapitel in seinem jährlichen Bericht. So hieß es dieses Jahr: „Die Zahl der Angehörigen der sonstigen rechtsextremistischen Organisa­tionen ist von 80 auf 60 zurückgegangen. Die größte Gruppierung dieses Spektrums ist die Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg.“ Bekannteste Mitglieder dieser Organisation sind/waren, der Lehrer Jochen S. und der inzwischen verstorbene Bankfilialleiter André Busch. Beide mussten nach Bekantwerden ihrer Naziaktivitäten ihre beruflichen Tätigkeiten ändern. Ihre Gesinnung haben sie nie geändert.

Bekanntlich werden in Burschenschaften Ehre und Treue besonders hoch gehalten. Hier gilt das Lebensbundprinzip, man schwört auch mittels der Mensur und dem Schmiss, ein Leben lang seiner Burschenschaft die Treue. Die Identifikation mit den Prinzipien des Bundes ist in der Regel sehr hoch, die Mitgliedschaft deutlich verbindlicher als in einer Partei, ein Austritt vom Prinzip her nicht vorgesehen. Und tatsächlich bezeichnet sich Johannes D. im Internet bis zu dem heutigen Tag als „Aktiver Bursche“ der PB! Chattia.

Diese fortgesetzte Mitgliedschaft in der völkischen Burschenschaft wirft viele Fragen auf:

Hat Johannes D. jemals mit seiner faschistischen Überzeugung gebrochen? Pflegt er außer seiner Mitgliedschaft in der PB! Chattia auch noch Kontakte zu seinen alten NPD-Kameraden? Wissen die einfachen Mitglieder der SV Polizei eigentlich mit wem sie trainieren? Oder wird Herr D. gar bewusst in gewissen Strukturen gelassen, um Dritten als Informant zu dienen?

Johannes D. müsste ob seines jungen Alters, seiner beruflichen Chancen und der negativen Berichte über seine Person im Internet, eigentlich ein gesteigertes Interesse an der Glaubwürdigkeit seines Ausstiegs haben. Der Autor hatte Herrn D. mitgeteilt, dass er kein Interesse hat, jemanden unberechtigterweise als Nazi zu bezeichnen und um ein Gespräch gebeten. Doch dieser war, wie schon zuvor gegenüber Dritten, über Monate zu keinem Treffen bereit. Die offenen Fragen bleiben also.

Gastbeitrag von Felix Krebs