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Das Netzwerk der Zwickauer Zelle

 

Die Terrorzelle hielt offenbar über all die Jahre Kontakte ins rechtsextreme Milieu. Bild von einem Naziaufmarsch 2010 in Halle (Saale) © Getty

13 Jahre lebten die Rechtsterroristen Uwe M., Uwe B. und Beate Z. im Untergrund. Zehn Menschen sollen sie erschossen und 14 Banken ausgeraubt haben. Unterstützt wurde die mörderische Gruppe offenbar von einem ganzen Netzwerk von „Kameraden“. Immer mehr Rechtsextremisten, die der Gruppe geholfen haben sollen, geraten jetzt ins Visier der Fahnder. Ein Überblick

Holger G. (Niedersachsen)

Vor einer Woche nahm die Polizei im niedersächsischen Lauenau den Neonazi Holger G. fest. Er war früher selbst in der Thüringer Naziszene aktiv und offenbar ein enger Vertrauter von Uwe M., Uwe B. und Beate Z., als die 1998 in den Untergrund gingen. Er kümmerte sich offensichtlich um die Logistik der Gruppe.

Mehrfach überließ er den Dreien seinen Führerschein, um Fahrzeuge zu mieten. Das Wohnmobil, das 2007 bei dem Mord an der Polizistin Michéle Kiesewetter benutzt wurde, soll er angemietet haben. Die Ermittler hatten es damals bei der Großfahndung kontrolliert, aber versäumt, den Mieter zu ermitteln. Auch seinen Reisepass stellte G. seinen „Kameraden“ zur Verfügung.

Angeblich soll in seiner Wohnung auch eine Art Drehbuch für das Bekennervideo der Gruppe gefunden worden sein. Er wuchs im selben Plattenbauviertel wie Z., M. und B. auf. Schon als 1996 und 1997 Briefbomben-Attrappen in Jena auftauchten, war G. einer der Verdächtigen.

André und Susann E. (Sachsen)

Auch bei der Herstellung des Bekennervideos des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sollen die Täter Helfer gehabt haben. Die Spur führt nach Johanngeorgenstadt in Sachsen. In den Trümmern der zerstörten Wohnung in Zwickau fanden die Ermittler ein Werbeflugblatt der Firma des Neonazis André E., die Videoclips produziert. Im ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach fanden die Beamten zudem die beiden Bahncards von André und Susann E., die das Paar den Rechtsterroristen überlassen hatte.

Auch der Zwillingsbruder von André E. ist dem Staatsschutz bestens bekannt. Maik E. lebt im brandenburgischen Grabow und ist Chef der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten in Potsdam.

Matthias D. (Sachsen)

Der LKW-Fahrer Matthias D., ebenfalls aus Johanngeorgenstadt, soll sich um die Unterkunft der drei Neonazis gekümmert haben. Der 34-Jährige war der offizielle Mieter der ausgebrannten Wohnung in Zwickau. Von seinem Konto aus soll auch die monatliche Miete überwiesen worden sein. Nach Informationen des ARD-Magazins Fakt soll er auch Mieter der Wohnung gewesen sein, in der Beate Z. zuvor unter falschem Namen gelebt hatte.

Szenebeobachter kennen D. als langjährig aktiven Neonazi. Trotzdem streitet er jede Beteiligung ab. Der Vermieter der Wohnung gab an, Uwe B. habe sich bei der Anmietung der Wohnung als Matthias D. ausgegeben. Er habe eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, einen Gehaltsnachweis und eine Selbstauskunft vorgelegt, die alle auf den Namen von D. ausgestellt waren.

Ralf W. (Thüringen)

Der 1975 in Jena geborene Neonazi Ralf W. hatte Ende der neunziger Jahre engen Kontakt zu B., M. und Z. und ist bis heute führender Kopf der militanten Naziszene in der Region. Die Ermittler vermuten, dass er den Dreien 1998 zusammen mit anderen beim Untertauchen geholfen hat. Er soll der Neonazi-Gruppe für die Flucht sein Auto gegeben haben.

Seit Mitte der neunziger Jahre ist Ralf W. in der rechtsextremen Szene Thüringens aktiv. Er gehörte zu den Führungspersonen des militanten Kameradschaftsnetzwerkes Thüringer Heimatschutz (THS). 1998 trat er in die NPD ein und gehörte zu den Mitgründern des Kreisverbands Jena. Schnell stieg er zum stellvertretenden Landesvorsitzenden auf. W. war Organisator von zahlreichen Aufmärschen und Veranstaltungen wie dem Thüringentag der nationalen Jugend oder dem Fest der Völker. Der gelernte Fachinformatiker bietet für die Szene einen Internetservice, der Rechtsextremisten preiswerten und sicheren Speicherplatz zur Verfügung stellt.

Aufsehen erregte eine Pressemitteilung des Parteistrategen vom Juli 2006. Darin bot er Immobilienbesitzern an, gegen eine Spende an die Partei öffentlich zu erklären, dass die NPD ihre Grundstücke angeblich erwerben wolle. Kommunen könnten sich dadurch genötigt sehen, diese Immobilie vorher „zu Höchstpreisen“ abzukaufen. Verfassungsschützer warnten daraufhin vor den „Immobilientricks“ der NPD. Inzwischen hat er offenbar der NPD den Rücken gekehrt und ist stattdessen vermehrt in der militanten Kameradschaftsszene aktiv.

André K. (Thüringen)

Ein enger Freund von W. ist der langjährige Nazi-Aktivist André K. Auch sein Werdegang ist eng mit der NPD verknüpft. K. soll gemeinsam mit W. die Flucht der Bombenbastler dirigiert haben. Wie der Spiegel berichtet, habe K. versucht, seinen „Kameraden“ Papiere und ein Versteck in Südafrika zu organisieren. Er war damals Hauptakteur des Thüringer Heimatschutzes und posierte auf Fotos von Aufmärschen mit B. und M.

Zusammen mit W. tritt K. seit Jahren auch außerhalb Thüringens als „Anti-Antifa“-Aktivist auf und fotografiert politische Gegner und Journalisten. Beide wurden im Jahr 2000 wegen Körperverletzung und Nötigung verurteilt, weil sie 1999 in Gera zwei junge Frauen angegriffen hatten. Die Ermittler glauben, dass K. über Jahre hinweg Kontakt zu den flüchtigen Rechtsextremisten gehabt hat. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Gera wird derzeit gegen K. wegen Verdacht auf Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz ermittelt. Er soll mit anderen Neonazis, darunter dem bekannten Alt-Nazi Karl-Heinz H. (Gründer der gleichnamigen, verbotenen Wehrsportgruppe) aus Bayern, Sprengstoff besorgt und nach Jena geschafft haben.