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Die NSU und das Döner-Killer-Lied – Was wusste Gigi?

 


Neue Recherchen zeigen: Sänger und Produzentenumfeld des „Döner-Killer“-Song schienen nah dran an der NSU.

Von Andrea Röpke, zuerst erschienen beim blick nach rechts

Die Band heißt „Gigi & die braunen Stadtmusikanten“. Im Juni 2010 erschien ihr Album mit dem Titel: „Adolf Hitler lebt“. Auf dem Cover das Gesicht eines amerikanischen Kindes, dessen Neonazi-Eltern für Schlagzeilen gesorgt hatten, weil sie dem Jungen den Vornamen „Adolf Hitler“ gaben. Das sächsische Landeskriminalamt prüfte den vom Chemnitzer Label „PC Records“ produzierten Tonträger und schlug die Indizierung aufgrund einiger Liedtexte vor. Das Lied Nr. 4 war nicht darunter.

Im Februar 2012 erhob das Amtsgericht Meppen Anklage wegen Volksverhetzung – diesmal ging es um das vierte Lied, mit dem Titel: „Döner-Killer“. Denn dessen Text, unterlegt mit schnellen Metal-Klängen, thematisierte eine bis dahin unaufgeklärte Mordserie an neun türkisch-stämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer. Im Sommer 2010 waren die Taten, die mit einer Waffe, einer Ceska 83, sieben Millimeter, begangen worden waren, von der Polizei noch eher dem Mafia-Milieu zugeschrieben worden. Nun griff der 42-jährige bekannte Neonazi-Sänger Daniel Giese alias „Gigi“ das Thema auf. Innerhalb der Szene, auch im Thiazi-Forum, fand es Beachtung. So beschrieben anonyme rechte User es unter anderem als „herrlich ironisches Lied“ zu einem „realen Fall“, als „dezente Schelmerei“ oder höhnten im Hinblick auf die Morde: „Auch wenn eine hohe Summe auf ihn ausgesetzt ist, lass’ ihn doch machen!“

Untergetauchte Jenaer Bombenbastler in Chemnitz

Seit den Enthüllungen um die Tötungen und Anschläge der fanatischen Zwickauer Zelle „NSU“ stellt sich den ermittelnden Behörden, als auch der Öffentlichkeit die Frage: Ahnte Songschreiber Gigi nicht doch etwas von dem Hintergrund der Taten? Immerhin wurde das Album mit dem „Döner-Killer“-Lied ausgerechnet in Chemnitz produziert. Dort waren die drei untergetauchten Jenaer Bombenbastler Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach ihrer Flucht 1998 für einige Zeit bei Kameraden aus dem Musiknetzwerk „Blood&Honour“ untergekommen. Der Chemnitzer Neonazi Yves Rahmel baute PC Records in den letzten Jahren zu einem der größten Vertriebe der Szene bundesweit aus, nachdem er die Firma von Hendrik Lasch übernommen hatte.

Chemnitzer Läden PC Records und Backstreet Noise © Andrea Röpke

Zwischen Plattenbauten im Heckertgebiet von Chemnitz, gleich neben einer Schule, liegt der weiße Gebäudeblock mit den Geschäften „PC Records“ und „Backstreet Noise“. Eigentümer soll Lasch sein, der in den 90er Jahren als einer der führenden Neonazis der Stadt galt. Der heute 36-Jährige gab das Musiklabel etwa 2004 an seinen jetzigen Mieter Rahmel ab und konzentrierte sich mehr auf den Verkauf von Szenekleidung.

Gemeinsam bei Neonazi-Party in einer Kiesgrube

Aus internen Unterlagen des NDR geht hervor, dass ausgerechnet Hendrik Lasch und der als ideologischer Kopf der NSU geltende Uwe Mundlos sich gekannt haben müssen. In einem seit 1998 scheinbar verstaubten Asservat des Landeskriminalamtes Thüringen, einer bei den Garagendurchsuchungen beschlagnahmten Telefonliste, die Mundlos zugeordnet wird, stand auch der Name Hendrik Lasch. Bereits 1994 nahmen Lasch und Mundlos gemeinsam an einer Neonazi-Party in einer Kiesgrube in Niederbayern teil. Dabei wurde die volksverhetzende Liedzeile „Blut muss fließen“ von „Tonstörung“ gespielt. Die Polizei schritt ein. Mundlos gab gegenüber den Beamten zu Protokoll, er sei über Chemnitz nach Bayern angereist und habe bei dem Lied nicht mitgesungen. Auch der damals 20-Jährige Lasch, genannt „Laschi´“ sagte, den Inhalt des Liedes habe er nicht verstanden und behauptete, er befasse sich „nicht mit rechten politischen Inhalten und deren Musik“.

Nur vier Jahre später dann war der Chemnitzer Hendrik Lasch Bestandteil eines Prozesses gegen das „Blood&Honour“-Netzwerk. Es ging um geheime Depots, viel Geld und rassistische Inhalte. Lasch wurde als einer der Zwischenhändler volksverhetzender Tonträger des Nibelungen-Versandes im ostfriesischen Lingen ausgemacht. Zum Vertreibernetz zählten damals auch Antje P. und Jan W. aus Chemnitz. Beide werden von Ermittlern des Bundeskriminalamtes inzwischen als Kern der „Blood&Honour“-Sektion Sachsen und mögliche Unterstützer der NSU benannt.

T-Shirts von Mundlos

Auch während der aktuellen Ermittlungen von Generalbundesanwaltschaft und BKA gegen die Zwickauer Zelle fiel erneut der Name des scheinbar einflussreichen Szene-Händlers Lasch. Einer der Angeklagten behauptete, dass Uwe Mundlos zur Finanzierung des abgetauchten Trios T-Shirts entworfen habe, die dann über dessen Vertriebsstruktur verkauft werden sollten. Er selbst habe ein von Mundlos kreiertes Bild mit Bart Simpson und der abgewandelten Überschrift „The Skinsons“ geschenkt bekommen.

Kein Wunder auch, dass Gigi, Neonazi-Sänger aus Meppen damals Kontakte zu den „Blood&Honour“-Angeklagten aus dem nahen Lingen unterhielt und ebenfalls im Prozess benannt wurde. Man kennt sich eben.

So waren „Gigi & und die braunen Stadtmusikanten“ als Stargäste für das „Fest der Völker“ 2006 in Thüringen angekündigt. Pikant: PC Records sponserte das Fest im Jahr zuvor und Organisator war der führende Jenaer Neonazi Ralf Wohlleben – der steht im Verdacht, der NSU eine Waffe besorgt zu haben.

Musik als „Anklage und Kampfansage“

Ohnehin stand Giese, der gegenüber der NPD-Zeitung mal gesagt hatte, seine Musik sei „Anklage und Kampfansage“ zugleich, lange im Verdacht, als Sänger hinter der rassistischen Szene-Kultband „Zillertaler Türkenjäger“ zu stecken. Es konnte ihm nie nachgewiesen werden. Auch eine Hausdurchsuchung gegen Giese wegen des Verdachts der Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion 2000 verlief bei dem umtriebigen Rechtsrock-Musiker erfolglos. Insgesamt wurde in seinem engen Kameradenkreis allerdings eine mit Sprengstoff gefüllte Panzergranate ohne Zünder, Reste von Granaten, diverse Chemikalien und ein Diensthandbuch der Bundeswehr für Sprengübungen gefunden.

Bisher wurde von Ermittlungsbehörden, Szene-Experten und Politikern eher als Tatsache angenommen, dass die TV-Sendung „XY ungelöst“  mit ihrer Berichterstattung über die rassistische Mordserie 2010 als Ideengeber für den „Döner-Killer“-Song verantwortlich sei. Dennoch sollte auch der scheinbar engen personellen Vernetzung von Lied-Machern und NSU-Netzwerk nachgegangen werden.