Die erste Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in Nordrhein-Westfalen, zog heute in Dortmund eine erste Bilanz. Vor einem halben Jahr hatte die Stadt das Beratungsteam Back Up eingerichtet. „Bislang betreuen wir 42 Opfer rechtsextremer Gewalt aus ganz NRW. Das reicht von einer afrikanischen Familie, die fortlaufend von Neonazis bedroht wird, um sie von ihrem Wohnort zu vertreiben, über rassistisch motivierte schwere Körperverletzungen bis zu Steinen, die durch Fenster politischer Gegner flogen, um sie einzuschüchtern“, sagte Claudia Luzar, wissenschaftliche Leiterin von Back up. Auch einzelne Opfer der rechtsterroristischen Gruppe NSU erfahren Hilfe von Back up. „Aber das ist nur ein Bruchteil der tatsächlich Betroffenen, die allermeisten Opfer von Neonazis erreichen wir erst gar nicht.“
Die meisten Opfer sind Migranten und politisch Andersdenkende
„Die meisten Opfer melden sich nicht bei uns, weil sie verängstigt sind, und häufig kein Vertrauen in den Staat haben. Wir müssen nach ihnen suchen. Deshalb ist die Betreuung sehr zeitaufwändig, und die Möglichkeiten unseres kleinen Mitarbeiterstabes sind sehr begrenzt“, sagte die Politikwissenschaftlerin Luzar. Die meisten Opfer, die von Back up betreut werden, sind entweder Migranten, die aus rassistischen Motiven angegriffen wurden. Oder es sind politische Gegner von Neonazis, zu denen neben antifaschistischen Aktivisten auch viele Akteure aus demokratischen Parteien und Zusammenschlüssen gehören. Außerdem werden Wohnungslose und Menschen jüdischen Glaubens angegriffen. Rund Dreiviertel der Opfer, die von Back up betreut werden, kommen aus dem Raum Westfalen, die übrigen aus dem Rheinland. „Unser Problem sind vor allem die weiten Wege, auch wenn wir in Dortmund in der geografischen Mitte von NRW sitzen“, sagte Luzar. Back up unternimmt eine aufsuchende Beratung, das heißt, die Opfer werden an ihrem Wohnort betreut. „Denn die Hilfe für die Opfer funktioniert nicht wie ein Behördengang“, sagte Luzar weiter.
Back up ist nur bis September finanziert
Die Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt wird von der Landeszentrale für politische Bildung bezahlt, von der Stadt Dortmund co-finanziert. Wissenschaftlich wird Back up von dem Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld betreut. Die Finanzierung für die erste Opferberatung in NRW läuft allerdings im September aus, ebenso die Verträge der Mitarbeiter. „Wir wünschen uns deshalb ein klares Bekenntnis der Politik, endlich die Beratung von Opfern rechtsextremer Gewalt in NRW als ernsthafte – also langfristige – Aufgabe anzuerkennen“, sagte Luzar in einem Appell an die Politik. „Wir haben das klare Bekenntnis sämtlicher demokratischer Parteien zur Hilfe für Opfer rechtsextremer Gewalt in den vergangenen Monaten mit Genugtuung aufgenommen, aber jetzt muss die Hilfe eben auch folgen.“
Zeugenaufruf für 1.Mai-Prozess
Back up nutzte die Pressekonferenz auch für einen Zeugenaufruf zu einem Prozess, der am Freitag kommender Woche am Dortmunder Landgericht beginnt. Dort wird der gewaltsame Angriff auf die traditionelle Mai-Kundgebung des DGB in Dortmund vom 1.Mai 2009 durch eine Horde von Neonazis verhandelt. Back up übernimmt dafür die Prozessbegleitung und sucht noch nach Zeugen des Überfalls, der im Umfeld des Platzes der alten Synagoge in Dortmund stattfand. Jutta Reiter, die DGB-Regionsvorsitzende Dortmund-Hellweg, zeigte sich jedenfalls „sehr froh“ darüber, „dass Opfer rechtsextremer Gewalt hier bei uns inzwischen nicht mehr alleine gelassen werden, sondern dass Back up konkrete Hilfe leistet.“
Wer den Überfall von Neonazis auf die DGB-Kundgebung in Dortmund am 1.Mai 2009 persönlich beobachtet hat, wird gebeten sich bei Back up zu melden.
Kontakt:
www.backup-nrw.org
Telefon: 0172 10 454 32