Am Samstag, den 9. Juni 2012, hat eine Gruppe Neonazis in Nordhausen beim alljährlichen Rolandsfest den Bürgermeister Matthias Jendricke (SPD) angegriffen und verletzt. Die fünf Täter waren zuvor an einer sogenannten „Unsterblichen“-Aktion beteiligt, einer rechtsextremen Aktionsform, die derzeit bundesweit mit bedrohlichen – für gewöhnlich: nächtlichen – Propaganda-Aktionen mit Masken, Fackeln, Transparenten und offen nazistischen Parolen auf sich aufmerksam macht. Die Gruppe ist den besonders gewaltbereiten „Autonomen Nationalisten“ zuzurechnen.
Auf einer im Zentrum Nordhausens, in der Nähe des Theaters, gelegenen Straße marschierten am Nachmittag unvermittelt fünf, mit weißen Masken vermummte Männer auf und entrollten ein Transparent, auf welchem eine Parole zu lesen war, die den durch die Demokraten verursachten Tod des „deutschen Volkes“ herbeifabuliert. Überdies verteilten die Nazis Flugblätter, in denen die hohlen Phrasen dieser kruden, pseudo-rebellischen Aktionsform wiedergegeben wurden. Diese, insbesondere für junge, erlebnisorientierte Menschen, anziehende Aktionsform, die auch in der letzten Ausgabe des regionalen, den Schein des Bürgerlichen nur mühsam wahrenden Nazi-Schmierblattes vom Nordhäuser NPD-Stadtrat, Roy Elbert, als nachahmenswert dargestellt wurde, zeigte an diesem Samstag (trotz der Maskierung) ihr wahres Gesicht.
Denn nachdem Bürgermeister Matthias Jendricke (SPD), der zufällig Zeuge dieser Abstrusität wurde, als oberster Vertreter der Nordhäuser Ordnungsbehörde die Nazis zur Rechenschaft ziehen wollte, wurden diese handgreiflich und entgegnetem ihm zunächst mit Schubsen, direkt gefolgt von Schlägen und Tritten. Als Folge dieser Angriffe musste sich Jendricke in ärztliche Behandlung begeben. Überdies wurde gegenüber der Polizei Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, die nun zu weiteren Ermittlungen führt.
Nach dem nur wenige Wochen zurückliegenden Eklat , am 3.4.2012, im Rahmen der alljährlichen Gedenkveranstaltung zum Luftangriff auf die Stadt Nordhausen, bei der NPD-Stadtrat, Roy Elbert, und ein weiterer, stadtbekannter Neonazi die Nordhäuser Oberbürgermeisterin, Barbara Rinke (SPD), tätlich angegriffen haben und seitens der Rechten eindeutige Drohungen gegenüber Oberbürgermeisterin Rinke geäußert wurden, muss sich Nordhausens Politik wohl nun unweigerlich eingestehen, dass es in der Rolandstadt ein ernst zu nehmendes Nazi-Problem gibt.
Sich einzureden, dass es sich bei rechten Übergriffen stets nur um Rangeleien zwischen rivalisierenden Jugendgruppen handelt, dass die weit rechtsoffenen bis rechtsextremen Fußballfans der „Wackerfront“, ehemals „NDH City“, doch für gute Stimmung im Stadion sorgen und dass die Nazipropaganda im Stadtbild ein leidliches Übel sei, verkennt die umfassenden Auswirkungen für eine Region. Denn haftet einer Region – wie dies auf dem Land in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern schon viel zu oft der Fall ist – erst einmal der Ruf des „braunen Nests“ an, schadet dies nicht nur dem (mühevoll aufgebauten) Image, sondern auch der Attraktivität für Unternehmen und dem Tourismus. Denn welcher gut ausgebildete Mensch möchte sich schon an einem Ort niederlassen, an dem er bei Tag und bei Nacht Angst haben muss, von Nazi-Schlägern krankenhausreif geprügelt zu werden? Wie viele Kreative und Künstler fühlen sich von einer Stadt angezogen, in der das Bunte und Außergewöhnliche beständig mit rechten Übergriffen rechnen muss? Wer möchte schon seine Studienzeit da verbringen, wo der braune Mob das Gewaltmonopol auf der Straße für sich beansprucht ? Der Abwanderung aus ländlichen Regionen, welche die Nazis propagandistisch aufladen und vorgeben, zu bekämpfen, wird durch ihren Hass und ihre Gewalt angetrieben und zementiert… wenn die Gesellschaft es zulässt.