Bereits zum siebten Mal haben Neonazis ihren revisionistischen „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf durchgeführt. Die Zahl der angereisten rechtsextremen Demonstrationsteilnehmer ist weiter massiv eingebrochen. Verschiedene Blockaden verhinderten zudem den Beginn der Demonstration über Stunden.
von Benjamin Mayer
Bereits am Vorabend des Neonazi-Aufmarsches hüllt sich Bad Nenndorf in bunte Farben. Fast 2.000 Bad Nenndorfer halfen die Aufmarschstrecke mit Transparenten, Fahnen und Sprüchen zu verzieren, um den ungebetenen Gästen eine klare Botschaft zu vermitteln: Ihr seid hier nicht willkommen! Rund 300 Personen beteiligen sich bereits am frühen Freitagabend an einer Menschenkette, die nahezu über die gesamte Aufmarschstrecke reicht. Neben dem traditionellen Schmücken der Stadt kommt es am Freitag bereits zur Installation einer weiteren Nenndorfer Tradition: Vier Nazigegner ketten sich am Wincklerbad an eine massive Stahlpyramide und blockieren so einen erheblichen Teil des Platzes, auf dem die neonazistische Kundgebung stattfinden soll. Die Aktivisten werden die Blockade bis zum Ende des Neonazi-Aufmarsches aufrechterhalten.
Blockaden, Fußmarsch und Hitlergruß
Am Samstagvormittag treffen nach und nach rund 500 Gegendemonstranten mit Zügen in Bad Nenndorf ein. Bereits die Weiterfahrt des ersten Zuges verzögert sich aufgrund des besetzten Bahnsteigs. Der zweite ankommende Zug wird aufgrund von Blockaden über Stunden in Bad Nenndorf pausieren und verhindert damit die Zuganreise der Neonazis am eingleisigen Bahnhof. Rund 200 Menschen nehmen auf dem Bahnsteig Platz. Acht von ihnen schliesen sich mit Bügelschlössern zusammen und tragen somit maßgeblich zur Verlängerung der Blockade bei. Erst als die Polizei eine Hydraulikschere organisiert, können die Schlösser entfernt werden. Als sich in einem nahegelegenen Ort die Busfahrer dann auch noch weigern, die Neonazis zu befördern, ist deren Schicksal besiegelt: Fußmarsch zum Aufmarsch! Nach und nach treffen in Bad Nenndorf unter Polizeischutz circa 460 Neonazis ein. In den letzten Jahren ist die Zahl der Teilnehmer am „Trauermarsch“ stetig gesunken. Waren es zwei Jahre zuvor sogar 1.000 rechtsextreme Teilnehmer, fanden bereits 2011 mit 600 Neonazis deutlich weniger den Weg in die niedersächsische Kleinstadt. Schon beim Eintreffen zeigen einige Teilnehmer mit dem Hitlergruß ihre Gesinnung mehr als deutlich. Zu Festnahmen kommt es dafür nicht. Erst nach fast drei Stunden Verspätung setzt sich der „Marsch der Ehre“ in Bewegung.
Party, Drohungen und mehr als leise Töne
Wie schon in den letzten Jahren zieht der „Trauermarsch“ umgeben von lauter Musik, tanzenden Menschen und „Nazis-Raus“-Rufen durch die Stadt. Immer wieder fotografieren rechtsextreme die Protestierenden, um sie einzuschüchtern. Auch Journalisten werden von den Neonazis bedroht. Als der rechtsextreme Demonstrationszug das Haus der jüdischen Gemeinde erreicht, zeigen einige Teilnehmer ihre Gesinnung offen: Die Neonazis verdeutlichen durch Gesten, man müsste den Juden die Kehle durchschneiden. Ein anderer zeigt provozierend auf seine T-Shirt-Aufschrift: „Fuck Israel“ ist darauf zu lesen. Als die rechtsextreme Demonstration am Wincklerbad eintrifft, ist der Platz deutlich eingeschränkt. Die Polizei hat rund um die Blockadepyramide Fahrzeuge aufgestellt, die nun einen großen Teil des Platzes vor dem Wincklerbad versperren. Von den Reden ist kaum etwas zu hören, da die auf 90 Dezibel
runtergeregelte Anlage ständig Aussetzer hat. Außerdem werden die wenig hörbaren Wortfetzen durch laute Protestrufe übertönt. Erst als Thomas Wulff zum Megaphon greift, sind die letzten Redebeiträge hörbar. Zusammengefasst: irgendwas mit Reich und Besatzern. Nach dem letzten Redner treten die Neonazis zügig den Rückweg an. Eine zuvor angekündigte Nachfolgedemonstration in Hannover wird kurzerhand wieder abgesagt. Diese ist durch den verzögerten Beginn des Aufmarsches in Bad Nenndorf nicht mehr zu realisieren.
Insgesamt zeigte sich, dass das Zusammenspiel von Blockaden und den Feiern am Straßenrand aufging. Nicht nur, dass die Demonstration mit deutlicher Verzögerung startete, durch den lauten Einsatz der Einwohner wurde der „Marsch der Ehre“ schlicht ad absurdum geführt. Die deutlich gesunkenen Teilnehmerzahlen scheinen auch für den Erfolg der Konzepte zu sprechen. Die Neonazis verlieren bei ihrem „Kampf um die Straße“ weiter an Boden.