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„Das Pogrom von Rostock“ – Rezension zur aktuellen AIB-Ausgabe

 

Die Sommerausgabe des Antifaschistischen Infoblatts (AIB) ist erschienen. Schwerpunkt der Ausgabe 95 ist das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992. Zwei Jahre nach dem Anschluss der ehemaligen DDR erschütterten die Ereignisse in dem Plattenbaugebiet nicht nur Rostock. Ein rassistischer Mob, angeleitet von organisierten Neonazis, machte den Stadtteil Rostock-Lichtenhagen zum Schlachtfeld.

Erst richtete sich die Aggression gegen Flüchtlinge, welche sich vor allem aus Roma zusammensetzten. Später als die Flüchtlingsunterkunft leer war, traf der mit Molotow-Cocktails ausgestattete Hass die Unterkunft dort lebender Vietnamesische Vertragsarbeiter. Die rassistischen Ausschreitungen dauerten fast eine Woche, der Staat zeigte erst wieder Flagge als eine Woche später eine rissige linke Bündnisdemo durch den Stadtteil zog.

Im Schwerpunkt „Das Pogrom von Rostock – Reaktionen, Rückblicke, Reflexionen“ werden diese für viele antifaschistische Aktivisten traumatischen Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven angefasst. Im Artikel „zur antiziganistischen Dimension des Pogroms“ wird mit einer Medienanalyse sich der beiden örtlichen Zeitungen Norddeutsche Neueste Nachrichten und der Ostsee-Zeitung angenommen. Diese hatten mit ihrer damaligen Berichterstattung Öl ins Feuer gegossen. In der Berichterstattung und den abgedruckten Leserbriefen lassen sich 20zig Jahre später gut die Strukturen und Spezifika der Vorurteile gegen sogenannte „Zigeuner“ nachweisen.

In einem anderen Artikel wird sich selbstkritisch mit dem Versagen der damaligen Antifa-Bewegung angesichts der Dimension des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen auseinandergesetzt. In einem längerem Interview, welches ebenso zum Schwerpunkt gehört, werden aber auch ganz andere Töne angeschlagen. Dort verweisen Aktivisten die damals das Pogrom live erlebt haben, dass diese Zeit für Rostocker Antifaschisten nicht nur“bleiernde Jahre“ waren, sondern sich viel in der Stadt als Reaktion zum Guten gewandt hatte. Was bis heute das Klima in der Stadt prägt.

Im Ressort NS-Szene wird sich ebenfalls mit einem geschichtlichen Thema befasst. Vor 25 Jahre verstarb Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess im Alliierten Kriegsgefängnis in Berlin-Spandau. Seit dem ist der 17. August ein bedeutendes Mobilisierungsdatum für die Neonaziszene. An der Pflege des „Mythos Rudolf Hess“ lassen sich gut die Kontinuitäten aber auch Konjunkturern der Straßenmobilisierungsfähigkeiten des Neofaschismus in Deutschland in den letzten 25 Jahren nach zeichnen. In den letzten Jahren blieben Dank staatlichen Verboten und antifaschistischen Gegenaktivitäten der Aktivismus der Geschichtsverfälscher im übersichtlichen Rahmen.

Wie seit mehren Ausgaben des AIB findet sich im NS-Ressort auch wieder ein langer Artikel zu den neuesten Enthüllungen um die faschistische Terrorzelle, welche sich selbst den Namen „NSU“ gab. Dieser bietet einen guten Überblick für alle, die nicht mehr mitkommen, was es wieder an neuen Rechercheergebnissen in diesem Endlosskandal gibt.

Antifaschistisches Infoblatt Ausgabe 95. 60 Seiten, 3,50 Euro