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Wie Nordhausen zur Nazi-Hochburg wird

 

Der Naziversand "Germania" fühlt sich wohl in Thüringen © Störungsmelder

In der Nacht zum 29. August wurden im nordthüringischen Nordhausen erneut dutzende rechtsextreme Aufkleber und Plakate verteilt. Gezielt wurden das Parteibüro der Linken, ein alternatives Jugendzentrum und ein Privathaus dort engagierter Menschen beklebt. Die Stadt wird mehr und mehr zur Hochburg der regionalen Naziszene.

Autonome Nationalisten, Fußball und die NPD

In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Körperverletzungen, Friedhofschändungen und rechtsextreme Propagandaaktionen in Nordhausen. Geschuldet ist dies einer seit Jahren wachsenden rechtsextremen Szene, die geradezu lehrbuchartig die aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus verdeutlicht. Über Jahre konnte in der Stadt eine rechtsextreme Jugendszene wachsen, welche sich vor allem den Autonomen Nationalisten zurechnet. Zulauf erhält die Gruppe dabei vor allem über die teils rechtsextreme Fanszene des lokalen Fußballvereins. Über diesen Rekrutierungsraum konnte so über die letzten Jahre stetig Nachwuchs für die Szene gewonnen werden. Die Gruppe zeichnet sich vor allem durch ihre hohe Gewaltbereitschaft aus, welche sich immer wieder gegen politisch Andersdenkende, aber auch wahllos gegen andere Menschen richtet. All dies geschah weitestgehend unwidersprochen und ohne große Aufmerksamkeit. Hinzu kommt, dass seit 2009 die NPD sowohl im Kreistag als auch im Stadtrat Nordhausens vertreten ist. Zwischen der Partei und den gewaltbereiten Autonomen Nationalisten bestehen in Nordhausen sehr enge Beziehungen, die sich im gemeinsamen öffentlichen Auftreten und gegenseitiger Unterstützung von Aktionen zeigt. Sogar der Facebookaccount des NPD-Kreisverbandes wird offensichtlich durch die militanten freien Kräfte mitbetrieben.

Ganze Straßenzüge in Nordhausen wurden mit Nazipropaganda beklebt © Störungsmelder

Von den „Unsterblichen“ bis Rudolf Hess

Öffentliche Aufmerksamkeit erregte diese Entwicklung indes nur selten; bei dem Angriff auf die Oberbürgermeisterin der Stadt im April dieses Jahres oder den mehrfachen Schändungen eines Friedhofs für verstorbene KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter. Die kontinuierlich statt findenden Aktionen erhalten weder überregional noch in den lokalen Medien Aufmerksamkeit, was nicht zuletzt ein freies Agieren der neonazistischen Szene ermöglicht, die ihre Aktionen meist sogar filmt und öffentlich zur Schau stellt. Anfang Juni waren Rechtsextreme während eines Volksfestes im Stil der „Unsterblichen“ mit einem Transparent durch Nordhausen gelaufen. Als der Bürgermeister die Maskierten aufhalten wollte, traten sie auf ihn ein und flüchteten. Erst vor wenigen Tagen hatten rund zwanzig Neonazis anlässlich des Todestages von Rudolf Hess mit Fackeln eine „Gedenkveranstaltung“ auf einer Burgruine nahe Nordhausen durchgeführt. Darunter auch Personen aus der örtlichen Fanszene des Fußballvereins Wacker Nordhausen. Beachtung fand dies in der regionalen Presse nicht.

Die Autonomen Nationalisten in Nordhausen zeichnen sich vor allem durch die Übernahme von Aktionen und Texten anderer rechtsextremer Gruppen aus. Eigene inhaltliche Beiträge findet man im aktionsorientierten Spektrum kaum. Im Zentrum steht nicht Politik sondern provokante Aktionen und Gewalt.

Offene NS-Verherrlichung bei den "Autonomen Nationalisten Nordhausen" © Screenshot
Offene NS-Verherrlichung bei den "Autonomen Nationalisten Nordhausen" © Screenshot

Öffentliche Präsenz als Machtdemonstration

Die Rechtsextremen zeigen in Nordhausen massiv Präsenz bei Veranstaltungen. Schon in den letzten Jahren nahmen bis zu dreißig Neonazis an der offiziellen Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt teil. Dutzende durch Szenebekleidung eindeutig erkennbare Neonazis auch beim Public Viewing während der Europameisterschaft präsent. Dieser Strategie folgt auch das ständige Verkleben von Plakaten und Aufklebern. In der ganzen Stadt sind diese mittlerweile verteilt und werden immer wieder gehäuft als Provokation an Parteibüros und anderen Orten angebracht. Bei der bislang letzten derartigen Aktion verklebten die Rechtsextremen unter anderem Propaganda für den gerade erst verbotenen „Antikriegstages“ in Dortmund und Werbeaufkleber des Germania-Versandes. Der Szeneversand gehört Patrick Weber, dem Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes im angrenzenden Kyffhäuserkreis. Dies zeigt nicht zuletzt erneut die enge Verbindung zwischen Partei und freien Kräften.