Mit einem bunten Fest protestierten die Bürger*innen Schwarzachs zusammen mit den Anwohner*innen der umliegenden Gemeinden und Städte am Samstag, den 8. September, gegen den „Nationalen Frankentag“ des „Freien Netzes Süd“. Während ein ganzer Ort für Demokratie, Toleranz und Vielfalt auf die Straße ging, feierten etwa 150 Neonazis nicht weit entfernt auf einer von ihnen gemieteten Wiese ihren Hass.
Bereits um kurz vor 12 Uhr war in Schwarzach in Franken die Aktionsbereitschaft der Bürger*innen deutlich zu spüren. „Wir haben die Nazis satt – und wollen etwas gegen sie unternehmen“, war die einhellige Meinung, die vom ganzen Dorf vertreten wurde. Noch ehe das Fest begonnen hatte, standen viele Anwohner*innen Schwarzachs im Zentrum des Ortes beisammen, diskutierten, besprachen letzte Details und bereiten sich auf das Anti-Nazi-Festival vor, das mit einem breitgefächerten Programm zu beeindrucken vermochte. Einige Bürger*innen besprachen, wie sie den Neonazisbegegnen können, um zu signalisieren, dass Rechtsextremist*innen in Schwarzach unerwünscht sind. Sie kamen zu dem Entschluss, mit mehreren PKWs und einem Traktor zu einer Wiese zu fahren, an der die Nazis unmittelbar vorbei mussten, wenn sie zu ihrem Veranstaltungsgelände gelangen wollten. Auf dem Grundstück, dass von einem couragierten Bürger für die Aktion zur Verfügung gestellt wurde, sollte dann ein Banner des Bündnisses „KUnterBunT“ mit der Aufschrift „Nazis entgegentreten!“ entrollt werden.
„Nazis entgegentreten!“
Gesagt, getan: Mit mehreren Fahrzeugen machten sich einige Bürger*innen auf den Weg, während die meisten Schwarzacher*innen im Ortszentrum blieben. Eine Trennung zwischen dem bunten Fest und der Protestaktion auf der Wegstrecke der Nazis sollte damit gewährleistet werden. Kurz nachdem die Bürger*innen an der Polizei vorbei war, wurden die Fahrzeuge auf der Wiese geparkt und das Banner an einem VW-Bus gut sichtbar für die vorbeifahrenden Neonazis angebracht. Doch es dauerte nicht lange, bis die anwesenden Beamt*innen auf die Protestaktion aufmerksam wurden. Zunächst schien sich kein Problem zu ergeben, lediglich ein*e Versammlungsleiter*in sollte bestimmt werden. Obwohl diese schnell gefunden war, bahnte sich bald Ärger an. Der Einsatzleiter der Polizei war der Meinung, dass es sich bei der Protestaktion nicht mehr nur um eine Ordnungswidrigkeit handle, sondern womöglich schon eine Straftat in Betracht kommen könnte. Erst auf Wunsch der Versammlungsleiterin durften Zeugen dem Gespräch mit der Polizei beiwohnen. Nach längerer Diskussion kamen Bürger*innen und Polizei schließlich zu dem Entschluss, dass ein Großteil der Gruppe in den Ort zurückfahren muss. In den Augen der Polizei waren es zu viele Protestierende, weil die Aktion nicht angemeldet war. Ein Teil durfte jedoch vor Ort bleiben und das Banner zwischen zwei Traktoren hängen, sodass die Rechtsextremist*innen immer noch daran vorbei mussten.
Und Nazis kontrollieren
Zwischenzeitlich hatten die anderen Beamt*innen etwas weiter entfernt die ankommenden Neonazis in einer eingerichteten Kontrollstelle angehalten. Akribisch wurde einer nach dem anderen aus dem PKW gebeten und gründlich kontrolliert. Bei einer späteren Pressekonferenz gab der Polizeisprecher an, dass bei einem Nazi ein Messer entdeckt worden sei, das er aufgrund der Länge der Klinge nicht hätte besitzen dürfen. Unmittelbare Konsequenzen hatte das für den betroffenen Rechtsextremisten aber nicht: Nach Abnahme des Messers durfte er ohne Weiteres an der Veranstaltung teilnehmen.
Die Bürger*innen feierten – mit politischer Botschaft
Unterdessen war der Rest der Gruppe wieder zurück ins Dorf gefahren, wo das bunte Fest unlängst begonnen hatte. Neben Ständen vom DGB über die SPD bis hin zu Amnesty International sorgten im Ort Spielangebote für Kinder und ein sogenannter „Human soccer“ für die Unterhaltung der Bürger*innen, die Gesicht gegen die rechtsextremen Umtriebe zeigten. Vor einer örtlichen Metzgerei, die zugleich als Gasthof diente, waren jede Menge Bänke und eine eigene Bühne aufgebaut worden, auf der später Sänger*innen auftraten und ein interkonfessioneller Gottesdienst abgehalten wurde. Doch nicht nur die Informationsstände sorgten für einen politischen Charakter des Festes, sondern auch die ganzen Banner, die überall im Ort angebracht wurden. „Schwarzach ist bunt!“, hieß es da zum Beispiel oder „Nur wenn wir wegsehen, haben sie eine Chance – Deshalb demonstrieren wir gegen rechts!“, aber auch „Die Welt ist bunt – Gott sei Dank“ und „Schwarzach Nazi-Frei – Wir stellen uns quer! – Alle Leute informieren – dann Nazis blockieren!“ war darauf zu lesen.
War es zur Mittagszeit noch relativ ruhig in dem Ort, strömten die Teilnehmer*innen nach und nach in immer größerer Vielzahl in das Dorf. Nicht nur Bürger*innen aus Schwarzach waren gekommen, sondern auch viele Leute aus den umliegenden Gemeinden und Städten, die zeigen wollten, dass Neonazis hier unerwünscht sind. Im Laufe des Tages schlenderten die Leute dann durch den Ort, aßen etwas, lauschten den Musiker*innen und besuchten die Infostände. Dabei stießen fast ausnahmslos alle auf großes Interesse – lediglich die „Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus“ (BIGE) stand zumeist einsam und verlassen in der Gegend herum. Denn während sich ganz Schwarzach eindeutig gegen Neonazis positionierte, zog es die BIGE vor, einen Infostand mit der Aufschrift „Bayern gegen Extremismus“ aufzubauen, wodurch wieder einmal – getreu der Politik der Bayerischen Staatsregierung – Links- und Rechtsextremismus gleichgesetzt wurden. Wozu diese Gleichsetzung, die nicht mehr als eine gefährliche Verharmlosung des Rechtsextremismus darstellt, über Jahre geführt hat, müsste mittlerweile hinlänglich bekannt sein. Zumindest die Schwarzacher*innen wussten das aber offenbar – und reagierten auf den Infostand mit Missachtung.
Die Nazi-Anreise war überraschend schwierig…
Bei den Nazis war es dagegen noch weitestgehend ruhig. Ein Teil der Rechtsextremist*innen hatte sich in dem abgezäunten und mit Sichtschutz abgedeckten Gelände verschanzt, andere Nazis kamen hingegen gerade erst mit den PKWs an. Im Rahmen der Anreise kam es dann spontan zu einer ungewöhnlichen, aber kreativen Protestaktion. Die beiden Traktoren, die bis vor kurzem noch mit dem Banner am Zufahrtsweg der Nazis standen, hatten sich nämlich auf den Weg gemacht – und dabei einen anreisenden Nazi-PKW abgebremst und gezwungen, einen über 2 Kilometer langen Weg im Schritttempo entlangzufahren. Vorneweg fuhren die beiden Traktoren, direkt dahinter der Nazi-Wagen, der wiederum von einigen Polizeiwagen eskortiert wurde. An einer Abzweigung hofften die sichtlich frustrierten Nazis dann schließlich auf Erlösung, doch weit gefehlt: Der Traktor bog auch in diesen Weg ein, was die Rechtsextremist*innen zwischenzeitlich veranlasste, eine andere Strecke zu nehmen, in der Hoffnung, dem Traktor entgehen zu können. Aber auch daraus wurde nichts, denn der von den Nazis gewählte Weg erwies sich als falsch, weswegen sie zum umkehren gezwungen waren. Die Bürger*innen in dem Traktor, die darüber informiert wurden, hatten in der Zwischenzeit die Polizeifahrzeuge vorbeigelassen und am Straßenrand Stellung bezogen. Kurz bevor die Nazis am Traktor vorbei waren, bog dieser aber wieder auf die Straße ein – und bremste die Nazis somit abermals aus. Den Rechtsextremist*innen blieb also nichts anders übrig, als weiterhin im Schritttempo zu ihrem Veranstaltungsort zu fahren. Dass dies sichtlich für Frust gesorgt hatte, war aus weiter Ferne für alle gut erkennbar gewesen.
Presse – nicht erwünscht
Nichtsdestotrotz war die Dokumentation des neonazistischen „Nationalen Frankentags“ wie auch schon in den Vorjahren für anwesende Journalist*innen schwierig gewesen. Nur in Begleitung des Polizeipressesprechers war es überhaupt möglich, einigermaßen gefahrlos an das Gelände heranzukommen, ansonsten wäre das Risiko deutlich zu hoch gewesen. Dabei wäre eine lückenlose Dokumentation wichtig, kam es doch erst beim letzten „Frankentag“ zu einer strafbaren Rede, für die Martin Wiese später vor Gericht verurteilt wurde. Auch Matthias Fischer (einer der Führungskader des „Freien Netzes Süd“) soll bereits wegen einer Rede auf einem „Frankentag“ verurteilt worden sein, wie ein Fachjournalist erzählte. Dokumentiert wurde die strafbare Rede von Martin Wiese im letzten Jahr nämlich nicht von der Polizei, sondern von einem Journalisten. Ohnehin ist fraglich, inwieweit die Beamt*innen die Nazi-Veranstaltungen dokumentiert haben, hielten sie sich doch etwas weiter vom Gelände entfernt auf.
Rund um das Gelände hatten die Rechtsextremist*innen Stellung bezogen, einige fotografierten zudem Pressevertreter*innen ab. Auch als die Journalist*innen mit Pressesprecher an das Gelände herangetreten waren, herrschte große Aufregung: sofort schafften die Nazis ein Banner herbei, um ihren Eingang zu verdecken, andere reihten sich auf und versuchten mit ihren Körpern die Sicht zu versperren – und die bekannten Anti-Antifa-Fotografen wollten durch Fotografieren einzuschüchtern. Einem Team des Bayerischen Rundfunks wurde der Zugang ferner verwehrt, obwohl es eigentlich eine „Veranstaltung unter freiem Himmel“ war. Von der Polizei darauf aufmerksam gemacht, soll der Veranstaltungsleiter nur geantwortet haben, dass ihm dies „egal“ sei. Rings um das Gelände wurden bekannte Banner des „Freien Netzes Süd“, beziehungsweise den untergeordneten Kameradschaften befestigt, Gaufeldabzeichen der Hitlerjugend und Fahne des „Deutschen Reichs“ wehte außerdem im Wind.
Zur Verfügung gestellt wurde die Wiese dem neonazistischen „Bund Frankenland“ unter Vorsitz von Uwe Meenen von einem ortsansässigen Bürger, der bereits der NPD seinen Grund zweimal vermietet hatte. Obwohl dies im Dorf viel Unmut erregt, ist mit dem Besitzer nicht zu reden. Eher im Gegenteil. Als er zum Gelände der Nazis fuhr und von einem Team des Bayerischen Rundfunks bei einer Polizeikontrolle gefilmt wurde, vermittelte er einen Eindruck von seiner Einstellung. So brüllte er lauthals, dass eigentlich die Medien an allem Schuld seien, die dies „nur aufbauschen“ würden. Ohnehin wolle er überhaupt nicht gefilmt werden, was er mehrfach lautstark zum Ausdruck brachte. Der passende Kommentar eines Polizeibeamten lautete hierzu: „Hätten sie ihre Wiese nicht zur Verfügung gestellt, hätten sie dieses Problem jetzt nicht!“
Bei den Nazis: Teilnehmer*innen-Schwund
Bei den Neonazis des „Freien Netzes Süd“ zeichnete sich aber in diesem Jahr ein deutlicher Schwund an Teilnehmer*innen ab. Waren es in den Jahren zuvor zwischen 400 – 500 Besucher*innen, fanden dieses Jahr nur noch 150 Nazis ihren Weg zum „Nationalen Frankentag“. Angemeldet waren laut Polizeiangaben in diesem Jahr 200 Personen. Dafür kamen die Nazis sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Neben Rechtsextremist*innen aus Bayern, Sachsen und vielen anderen Bundesländern waren auch welche aus der Schweiz und aus Tschechien angereist. Darüber hinaus präsentierte das „Freie Netz Süd“ seinen Anhänger*inneen neben zwei rechten Bands aus Deutschland eine Band aus Ungarn. Als Redner angekündigt waren unter anderem einschlägig bekannte Rechtsextremisten wie Dieter Riefling, Sebastian Schmaus (Stadtrat der rassistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“, die eine Tarnorganisation der NPD ist) und der führende FNS-Kader Matthias Fischer sowie ein „freier Nationalist aus Dortmund“.
Während es bei den Nazis weiter ruhig war (die ersten Bands sollten laut Polizei um 18 Uhr spielen), herrschte im Dorf bereits ausgelassene Stimmung. Sänger*innen traten auf, spielten Lieder und betonten immer wieder, warum sie hier sind, Leute saßen gesellig beisammen und die Kinder beschäftigten sich mit dem bunten Programm, das für jede Menge Unterhaltung sorgte. Insgesamt waren über 600 Personen gekommen, um ein Zeichen zu setzen. Anschließend fand ein interkonfessioneller Gottesdienst mit Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche und eines islamischen Geistlichen statt, der mit einem eindrucksvollen Zeichen endete. Alle Bürger*innen standen auf, fassten sich an die Hände, bildeten einen Kreis und sangen gemeinsam. Darauf folgte schließlich noch eine Kundgebung, ehe sich weiter dem Festprogramm gewidmet wurde. Die Botschaft, die an diesem Tag ausgesendet wurde, war eindeutig: „Nazis haben hier nichts verloren – und wir setzen uns zur Wehr, wenn sie kommen!“
Erstveröffentlichung bei Netz gegen Nazis am 10. September.